Weltraumtourismus: 2021 fliegen mehr Privatmenschen ins All als je zuvor

Kommerzielle Missionen bringen allein in diesem Jahr über ein Dutzend Prominente und Normalsterbliche in den (sub)orbitalen Weltraum. Ein Überblick.

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Start einer New Shepard von oben gesehen

Start einer Rakete von Jeff Bezos.

(Bild: Blue Origin)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christian Rauch
Inhaltsverzeichnis

Ein US-Unternehmer hat 2001 gewissermaßen die Saison eingeläutet: Dennis Tito verbrachte erstmals als Weltraumtourist eine Woche in der Internationalen Raumstation ISS. In den folgenden Jahren gönnte sich dann immer wieder mal ein einzelner reicher Erdenbürger ein paar Tage in der Station – stets begleitet von professionellen Astronautinnen und Astronauten.

Doch erst die Mission "Inspiration4" im September dieses Jahres markierte einen Wendepunkt touristischer Allreisen. Erstmals flogen vier Weltraumtouristen ohne Begleitung von Profis in einer automatisch gesteuerten Dragon-Raumkapsel von der Firma SpaceX drei Tage in rund 580 Kilometern Höhe um die Erde. Der Flug des Milliardärs hatte schätzungsweise 200 Millionen US-Dollar gekostet und zudem fast 240 Millionen Dollar Spenden eingebracht.

Neben Medienberichten über eine Toilette, die nicht immer reibungslos funktionierte, fortlaufenden Interviews und eindrucksvollen Aufnahmen aus dem extra eingebauten Aussichtsfenster, der Cupola, wurde die Mission und ihre Vorbereitungen außerdem in einer fünfteiligen Netflix-Dokuserie festgehalten. Was bleibt letztlich von diesem buchstäblichen Höhenflug? Zahlreiche Anfragen an SpaceX, die nun wohl mindestens für die nächsten drei Jahre immer wieder Touristen auf der Dragon fliegen lassen kann. Das nächste Mal, nach einem regulären NASA-Crewstart Ende Oktober, wird es ab Januar der Fall sein. Dann wird die Firma Axiom Space eine Dragon-Kapsel chartern, einen ihrer Angestellten, einen Profiastronauten, sowie drei reiche Touristen aus Israel, den USA und Kanada als Mission AX-1 zur ISS mitfliegen lassen.

Gerade aber dominieren die Russen die Schlagzeilen beim Weltraumtourismus. Am 5. Oktober starteten die Schauspielerin Julija Peressild und der Regisseur Klim Schipenko mit einem Profikosmonauten in einer Sojus-Kapsel zur ISS. Bis zum 17. Oktober haben sie Zeit, den ersten echten Weltraumfilm im All zu drehen. Peressild wird eine Ärztin spielen, die zur ISS fliegt, um dort einem schwer verletzten Kosmonauten bei der ersten Herz-OP unter Schwerelosigkeit das Leben zu retten. Der Film, der von einem russischen Fernsehsender produziert wird, wird mindestens 35 Minuten Weltraumszenen beinhalten.

Der Hollywood-Star Tom Cruise, dessen Flug zur ISS schon im Mai 2020 von der NASA voreilig angekündigt worden war, muss den Russen also den Vortritt lassen. Denn bisher ist keine Mission mit ihm fest geplant, auch wenn Brancheninsider davon überzeugt sind, dass er noch fliegen wird. Im Dezember werden dann wieder die Russen auf ihrer Sojus einen Touristenflug zur ISS starten. Diesmal werden zwei Japaner an Bord sein, darunter der dann 46-jährige Milliardär Yusaku Maezawa. Er will damit erste Weltraumerfahrungen sammeln, denn er hat noch viel mehr vor.

Schon im September 2018 kündigte Maezawa an, als erster Weltraumtourist den Mond umrunden zu wollen. Mit sechs bis acht Künstlern an Bord sollte die Mission namens "dearMoon" auf einem Starship von SpaceX stattfinden. Anfang 2020 hieß es dann, Maezawa suche eine weibliche Begleitung. Wenig später, fast 30.000 Japanerinnen hatten schon ihr Interesse bekundet, kam der Rückzieher. Im März 2021 dann war auch die Künstleridee passé, nun sollten sich acht Menschen, egal welchen Berufs für die Mondreise bewerben. Und rund eine Million Menschen folgten dem Ruf. Der Prozess, daraus eine Crew von acht zu machen, läuft.

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Im September hieß es, eine weitere Auswahlrunde mit medizinischen Tests wäre beendet. Als Startdatum für diesen weiteren Meilenstein im Weltraumtourismus gilt immer noch 2023. Doch es gibt Verzögerungen bei der Entwicklung des Starships. Nach der ersten erfolgreichen Landung eines Prototyps der Oberstufe nach einem 10 Kilometer-Hop im Mai und nach dem ersten probeweisen Zusammensetzen von Unter- und Oberstufe im August scheint ein orbitaler Testflug erst gegen Jahresende realistisch – denn unter anderem fordert die US-Luftfahrtbehörde FAA noch Zeit für eine Umweltprüfung und Anhörungen.

Aus rechtlicher Perspektive ist beim Weltraumtourismus vor allem die Haftung des Anbieters für die mitfliegenden Passagiere von Bedeutung. In einzelnen US-Bundesstaaten wurden spezialgesetzliche Regelungen geschaffen, nach denen die Haftung der Unternehmen unter bestimmten Bedingungen ausgeschlossen ist. "Sie erklären als Weltraumtourist, dass Sie über die Risiken aufgeklärt wurden und dass sie akzeptieren, dass das Unternehmen bei Verletzung oder Tod nicht haftet – außer bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit", sagt Raumfahrtjurist Ingo Baumann von BHO Legal aus Köln. In Deutschland wäre so ein Haftungsausschluss nicht möglich, "aber wenn Sie als Deutscher in New Mexico in den USA in das Raketenflugzeug von Virgin Galactic einsteigen, gilt das Recht dort", betont Baumann. Deutschland hat bisher auch kein nationales Weltraumgesetz, in dem solche Fragen geregelt wären.

Virgin Galactic als auch die Flüge von Blue Origin sind allerdings ausschließlich suborbital: wenige Minuten Schwerelosigkeit in 80 bis 100 Kilometern Höhe und anschließende sofortige Rückkehr. Dafür sind die Ticketpreise hier nur sechsstellig und nicht wie bei Orbitalflügen von Dragon und Sojus achtstellig. Und so stehen auch hier die nächsten Weltraumtouristen Schlange. Allen voran der neunzigjährige Schauspieler William Shatner alias "Captain Kirk", der am 12. Oktober bei Blue Origin an Bord gehen wird.

(jle)