Brandversuche mit E-Autos im Tunnel mit gemischtem Ergebnis

Für Elektro-Pkw sehen österreichische Materialforscher kein besonderes Risiko in Straßentunneln, E-Nutzfahrzeuge sehen sie allerdings kritisch.

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Drei E- und zwei Dieselautos wurden bei den Versuchen in Brand gesetzt.

(Bild: TU Graz / Lunghammer)

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Das Gefahrenpotenzial von Elektro-Pkw in Autotunneln ist nicht wesentlich kritischer zu bewerten als bei Bränden von Pkw mit herkömmlichen Verbrennungskraftmotoren. Das ist ein Ergebnis von Experimenten der TU Graz, der Montanuniversität Leoben und anderen. Sie haben die sicherheitsrelevanten Auswirkungen von Bränden von batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen (BEV) in Straßentunneln untersucht und Methoden zur Brandbekämpfung bewertet.

Brennt ein E-Fahrzeug im Tunnel, wird es zwar heißer, aber nicht grundlegend gefährlicher, lautet ein Ergebnis. "Österreichische Tunnelanlagen sind fit genug für die Herausforderungen, die mit brennenden E-Fahrzeugen einhergehen", lautet das Fazit von Peter Sturm, Professor am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der TU Graz. Um Tunnelbrände mit elektrischen Nutzfahrzeugen zu untersuchen, brauche es dringend mehr Mittel für weiterführende Untersuchungen.

250.000 Euro standen den Forschenden für das Projekt bereit. Daher konnten sie Brandauswirkungen von E-Nutzfahrzeugen nur mittels Simulation basierend auf Annahmen zur Brandentwicklung, Branddauer und Schadstofffreisetzung hochskalieren. Für diese Annahmen gebe es derzeit keine belastbaren messtechnischen Verifikationen.

Für den Versuch wurden im Tunnelforschungszentrum "Zentrum am Berg" der Montanuniversität Leoben Batteriemodule sowie drei elektrisch betriebene und zwei dieselbetriebene Fahrzeuge gezielt in Brand gesetzt. Die Fahrzeuge – Kompaktwagen, SUV und Kleintransporter – waren teilweise Neuwagen mit Baujahr 2020 und mit der neuesten am Markt vorhandenen Lithium-Ionen-Batterietechnik ausgestattet.

Bei den Brandversuchen kollidierten die Interessen der beteiligten Feuerwehr und der Brandforschung: Die Feuerwehr wollte die Brände schnellstmöglich löschen, die Forschenden wollten hingegen während des Brandes Daten sammeln. Als Kompromiss wurde nach einer ungehinderten Brandzeit von zehn Minuten gelöscht.

Mit über 30 Temperatursensoren wurde die Wärmefreisetzungsrate gemessen, die Brandlast eines Fahrzeugs. Die Brandlast eines herkömmlichen Pkw liegt bei etwa 5 Megawatt (MW) oder grob umgerechnet einem brennenden Stapel mit 25 Holzpaletten. Die mit 6 bis 7 MW höhere Wärmefreisetzungsrate der brennenden E-Fahrzeuge bringe aber keine neuen Risiken in Tunnelanlagen mit sich, denn diese seien auch für die Brandlast eines konventionellen Lkw ausgerichtet, die etwa 30 MW betrage.

"Die gemessenen Temperaturen im Fluchtbereich liegen für alle Brandversuche unterhalb der 60 °C-Grenze. Das ist zwar keine angenehme Temperatur, aber Flucht und Brandbekämpfung sind noch möglich", fasst Sturm zusammen. Komme es aber zu einer Spontanreaktion, bei der die gesamte Batterie auf einmal in Vollbrand steht, sei über einige Minuten eine Wärmefreisetzung von bis zu 10 MW zu erwarten.

"Allerdings haben wir diese Spontanreaktion gezielt herbeigeführt, um ebendiesen 'worst case' untersuchen zu können", berichtet Sturm. Im Realfall ereigne sich in der Batterie ein Thermal Runaway, bei dem Überhitzung und Brand von einer Zelle zur nächsten übergreifen. Daher dauerten solche Batteriebrände auch lange.

Emittierte Gase und Schwermetalle wurden während der Versuche abgesaugt und mit aufgehängten Vliesdecken gesammelt und gemessen. Dabei wurden bei den Bränden der E-Fahrzeuge höhere Mengen an Fluorwasserstoff und Kohlenmonoxid nachgewiesen. "Allerdings führt die thermisch bedingte Rauchgasschichtung im Tunnel dazu, dass sich diese hoch konzentrierten Brandgase überwiegend in oberen Bereichen des Tunnels sammeln und damit außerhalb des für Menschen relevanten Bereichs. Das heißt, die Fluchtwege sind nicht davon betroffen", erklärt Peter Sturm.

Solche Belüftungssysteme wie in Straßentunnelanlagen gebe es in Parkgaragen nicht. Daher müssten Brände von E-Fahrzeugen in Garagen dringend genauer untersucht werden. Die Messergebnisse deuten auf ein ernst zu nehmendes Gefahrenpotenzial hin.

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Im Extremfall – das heißt, wenn sich ausschließlich E-Fahrzeuge im Tunnel befinden – steigt laut den Forschenden das Gesamtrisiko um etwa 4 Prozent; im Vergleich zu dem Fall, wenn 100 Prozent Verbrennungsmotoren im Tunnel sind, um etwa 12 Prozent. Für Struktur und Materialien des Tunnelbauwerks ergebe die Antriebsart des brennenden Fahrzeugs keinen relevanten Unterschied: Betonschäden durch Abplatzungen seien bei Bränden von Nutzfahrzeugen bei beiden Fahrzeugkategorien zu erwarten, das Schadensbild falle in etwa gleich aus.

Bei der Brandbekämpfung funktionierte am besten die konventionelle Brandbekämpfung mit Wasser. Allerdings zeigten die Erfahrungen, dass Lithium-Ionen-Akkus erst dann erfolgreich gelöscht werden können, wenn das Wasser das Innere der Batterie erreichen kann. Eine nur unwesentlich beschädigte Batterie könne kaum wirksam von außen gekühlt werden.

Bisherige Einsätze hätten gezeigt, dass sich die Löschdauer und der Löschmittelbedarf erhöhen und mehrere 1000 Liter Wasser erforderlich sein können. Flammen erstickende Löschdecken bringen ab dem Zeitpunkt, an dem der Brand auf die Batterie übergreift, keinen Mehrwert. Das liegt an den starken Flammen in Bodennähe, die es erschweren, die Löschdecke über das gesamte Fahrzeug eng überzuziehen, und an der Sauerstoffselbstversorgung der Batterie. Hier hätten sich Löschlanzen, die Wasser direkt in das Batteriegehäuse einspritzen, als sehr effektiv erwiesen. Die Handhabung der Löschlanzen sei allerdings kompliziert und nicht ungefährlich.

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Audi Q4 e-tron

(Daten, Stand: 25.10.23)


Spitzenleistung 210 - 250 kW

Batteriekapazität brutto/netto 82/76,6 kWh

max. AC-Ladeleistung 11 kW

max. DC-Ladeleistung  175 kW


Reichweite (WLTP)  450 bis 562 km


Stromverbrauch (WLTP kombiniert)  15,6 bis 19,4


Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h


Kofferraumvolumen: 520 - 1490 Liter


Grundpreis (brutto, Stand: 27.10.23): ab 52.950 Euro
(Bild: Audi )

Das zur Brandbekämpfung verwendete Löschwasser zeigte eine erhöhte Belastung mit Schwermetall, insbesondere Nickel. Das im Rückhaltebecken gesammelte kontaminierte Löschwasser sei daher teurer zu entsorgen. Solcherlei hatten Materialforscher im Nachbarland Schweiz ebenfalls herausgefunden.

Brandschutzrechtliche Bedenken hatten die Städte Leonberg und Kulmbach dazu gebracht, Elektroautos in Parkhäusern nicht zuzulassen. Die Deutsche Versicherungswirtschaft hält Parkverbote für E-Autos für unberechtigt, sie seien nicht riskanter als Diesel oder Benziner. Ein Großbrand in einem Stuttgarter Bus-Depot rückte nun Risiken in den Vordergrund, die beim Laden von Elektro-Fahrzeugen entstehen könnten.

(anw)