Quantencomputer: Wie Diamanten als Qubits genutzt werden können

Ein australisch-deutsches Start-up entwickelt "Quanten-Beschleuniger" in der Größe von Grafikkarten, die bei Raumtemperatur arbeiten.

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(Bild: "Quantum Supremacy" / Steve Jurvetson / cc-by-2.0)

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Googles Quantenchip muss auf einige hundertstel Kelvin über dem absoluten Nullpunkt herunter gekühlt werden, um zu funktionieren – das ist kälter als im Weltall. Das australisch-deutsche Start-up QuantumBrilliance hat jetzt einen "Quanten-Beschleuniger" vorgestellt, der bei Zimmertemperatur arbeitet. In dem Kästchen, das ähnlich wie eine GPU spezielle Rechenoperationen stark beschleunigen soll, sitzt ein kleiner Quantencomputer auf der Basis von Diamanten – genauer gesagt sogenannten Farbzentren in Diamanten (NV-Zentren, "Nitrogen Vacancy").

Theoretisch ist die Idee tatsächlich sehr interessant: Farbzentren sind Fehlstellen in Diamantgittern – Orte, an denen ein Kohlenstoffatom fehlt. Wenn sich an dieser Stelle ein Fremdatom – in diesem Fall Stickstoff – einnistet, fangen sich in der Fehlstelle zwei freie Elektronen. Die sorgen nicht nur dafür, dass der Diamant schöne Farben ausbildet, sondern sie lassen sich auch hervorragend als Qubits nutzen. Denn Diamant ist extrem hart, was daran liegt, dass das Kristallgitter sehr steif ist. Thermische Schwingungen der Atome, die normalerweise die empfindlichen Qubits in anderen Quantencomputern stören, treten hier bei Zimmertemperatur nicht auf. In einem – allerdings nur rein theoretischen – Paper zeigen die Australier, wie sie die NV-Zentren als Quantenrechner nutzen wollen.

Weil auch bei diesem Ansatz allerdings zunächst nur kleine Quantenmodule mit maximal 50 Qubits zu erwarten sind, preist QuantumBrilliance die Diamant-Quantenrechner als "Quanten-Beschleuniger" an, die ähnlich wie GPUs spezielle Rechenaufgaben lösen sollen. Das XACC Framework soll auf der Softwareseite dafür sorgen, dass Probleme automatisch auf den Teilen einer hybriden Rechnerarchitektur gerechnet werden, auf denen sie am effizientesten gelöst werden können. "Quantum Utility", nennt QuantumBrilliance das – "Quanten-Nützlichkeit“.

Das Argument: Quantencomputer sind nicht immer und auf jeden Fall klassischen Rechnern überlegen. Sie sollten nur da eingesetzt werden, wo Qubits einen Geschwindigkeitsvorteil bieten. "Und wenn das am Ende nur zehn oder zwanzig Prozent sind, dann rechnet sich das auch schon", sagt Mark Mattingley-Scott, seit kurzem Geschäftsführer des deutschen Ablegers von QuantumBrilliance. "Denn unser Vorteil ist: Die ganze Technologie ist nicht bleeding edge. Wir arbeiten zum Beispiel im Moment mit einem roten Laser, aber es ist auch denkbar die Qubits mit einer guten LED auszulesen. Die ganze Interaktion mit den Quantenzuständen ist machbar ohne technologische Klimmzüge".

Zwar hat QuantumBrilliance einen ersten Prototypen an das Pawsey Supercomputing Center im australischen Perth verkauft – experimentelle Ergebnisse damit haben aber bislang weder QuantumBrilliance noch ihre Kunden veröffentlicht. Cornelius Hempel, der an der Universität von Sydney an Ionenfallen-Quantencomputern geforscht hat und mittlerweile eine Arbeitsgruppe am PSI in der Schweiz leitet, zeigt sich dementsprechend skeptisch. Bis jetzt habe das Unternehmen zwar "Talent im Marketing bewiesen", aber noch nicht einmal gezeigt, dass es auch nur zwei Qubits kontrollieren könne. Ähnliche "überambinionierte Ankündigungen" habe es auch schon beim australischen Unternehmen Silicon Quantum gegeben, die aber immer noch "sehr, sehr weit weg" von den Zielen ihrer Roadmap waren.

Tatsächlich ist das Konzept auf den zweiten Blick nicht so leicht umzusetzen, wie es zunächst scheint. Das liegt daran, dass NV-Zentren in Diamanten recht selten sind – die einzelnen Qubits sind atomar betrachtet sehr weit voneinander entfernt. Für wirklich nützliches Quantencomputing muss man ohnehin viele Qubits miteinander koppeln. Das geht entweder optisch – Forschende des Qutech-Instituts in Delft nutzen dieses Konzept für ihre Quanten-Repeater oder man findet einen Weg, gezielt Cluster von NV-Zentren zu erzeugen, die räumlich so dicht gepackt sind, dass sie miteinander Wechselwirken können.

"Das Verfahren, das man heute dazu verwendet, ist ein bisschen wie eine Schrotflinte. Man beschleunigt Stickstoff-Atome, die man auf Diamant schießt, der mit einer Maske abgedeckt ist", sagt Mattingley-Scott. "Das geht besser und wir arbeiten daran, aber über die Methode kann ich nichts sagen", ergänzt er, denn die Patentanträge laufen noch. Dreh- und Angelpunkt des Fortschritts sei daher eine umfassende Kooperation mit deutschen Forschern, die auf diesem Gebiet "ein unglaubliches Know How" entwickelt hätten.

Tatsächlich hat beispielsweise die Arbeitsgruppe um Jörg Wachtrup in Stuttgart bereits 2014 in diesem Bereich Fortschritte erzielt und ein Paper veröffentlicht, das dem Konzept von QuantumBrilliance sehr nah kommt. Möglicherweise kommt also tatsächlich im Bereich Quantencomputer in den kommenden Jahren neben supraleitenden Schleifen und Ionenfallen noch einmal völlig neue Hardware ins Spiel. Das Feld wird nicht langweiliger.

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(wst)