Mobilitätskongress ITS: Erschreckend rückwärtsgewandt

Um "intelligente Transportsysteme" geht es beim ITS in Hamburg. Fußgänger sind da bloß Vulnerable Road Users. Immerhin wird eine autonome Fahrradbremse gezeigt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 35 Kommentare lesen
Lidar-Präsentation auf einem Messestand: Autoatrappe, darauf ein Lidar - auf einem Bildschirm sind die vom Lidar erfassten Punkte der Umgebung zu sehen

Ein halbes Auto samt Lidar.

(Bild: heise online / Hans-Arthuer Marsiske)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske

"Erlebe die Zukunft der Mobilität" lautet das Thema des 27. ITS World Congress, der diese Woche in Hamburg stattfindet. Mehr als 400 Aussteller zeigen, wie sie sich die zukünftige Fortbewegung vorstellen. Am Donnerstag ist die Ausstellung auch für die Öffentlichkeit geöffnet, der Eintritt ist frei.

Wer durch die Messehallen schlendert und sich den einen oder anderen Vortrag anhört, begreift schnell, was hier unter intelligenten Transportsystemen (wofür die Abkürzung ITS steht) vorrangig verstanden wird: Mehr Verkehr, schnellerer Verkehr. Das alles natürlich motorisiert und digital vernetzt.

Fußgänger kommen in diesen Konzepten nur als VRUs (Vulnerable Road Users) vor, also als verletzliche Verkehrsteilnehmer. Deutlicher gesagt als Störfaktor. Einen Stand der Fußgängerlobby Fuss e.V. sucht man hier ebenso vergeblich wie einen der Radlerlobby ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club). Der Hamburger ADFC-Landesverband hat vor der Veranstaltung kritisch angemerkt, dass autolose Fahrer gegenüber fahrerlosen Autos zu bevorzugen seien.

Aber Fußgänger sind wirtschaftlich uninteressant; ebenso Ideen, den motorisierten Verkehr generell zu reduzieren, statt ihn weiter zu beschleunigen. Radfahrer werden schon eher akzeptiert, insbesondere wenn sie E-Bikes benutzen und sich in das Kommunikationsnetz einklinken, das den Verkehr effizienter und sicherer machen soll. Am Lenker befestigt zeigt das Smartphone, wo‘s langgeht, warnt vor sich nähernden Fahrzeugen – und betätigt automatisch den Notruf, wenn es trotz V2X-Kommunikation doch zum Crash gekommen ist.

ITS World Congress 2021 (8 Bilder)

Autos auf dem ITS World Congress 2021

Autos dominieren den ITS Kongress…



(Bild: Hans-Arthur Marsiske
)

Insbesondere der neue Mobilfunkstandard 5G soll für präzisere und schnellere Selbstlokalisierung sorgen, wie bei einem Messerundgang der 5G Automotive Association zu erfahren war. Zukünftig sei denkbar, dass ein E-Bike bei einem drohenden Zusammenstoß automatisch die Bremsen aktiviere, sagte Andreas Schaller von der Firma Bosch bei dieser Gelegenheit.

Im Vordergrund der Veranstaltung stehen natürlich Autos aller Größenklassen, Schienenfahrzeuge und Drohnen, Drohnen, Drohnen. Eine Schwerlastdrohne des Herstellers Volocopter absolvierte hier ihren ersten öffentlichen Testflug.

Andreas Perotti vom chinesischen Konkurrenten eHang erklärte in einem Vortrag, dass bereits mehr als 100 Flugtaxis des Typs eHang 216 in Betrieb seien. Die Firma rechnet mit einer allgemeinen Zulassung für den chinesischen Luftraum in sechs bis acht Monaten. Matthias Gronstedt von der Hamburger Hafen und Logistik AG berichtete über die Entwicklung eines Drone Control Centers, von dem aus Flugroboter für Anlageninspektionen, Intralogistik und Überwachungsaufgaben gesteuert werden sollen.

Das alles soll den Verkehr effizienter und flüssiger machen. Dass er insgesamt zunimmt, gilt dabei als gesetzt, unvermeidlich und offenbar sogar erwünscht. Es ist vor allem diese ungebrochene Orientierung auf grenzenloses Wachstum, die den ITS World Congress alles andere als zukunftsfähig erscheinen lässt. Im Gegenteil, die meisten der hier vorgestellten Konzepte wirken auf geradezu erschreckende Weise rückwärtsgewandt.

(ds)