EU-Staatschefs wollen demokratische Werte online wie offline verteidigen

Der Europäische Rat beklagt eine "deutliche Zunahme böswilliger Cyberaktivitäten", mit denen zentrale soziale Funktionen untergraben werden könnten.

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(Bild: Outflow_Designs / Shutterstock.com)

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Die Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten zeigen sich besorgt über eine "deutliche Zunahme böswilliger Cyberaktivitäten", die darauf abzielten, etwa "die Sicherheit der zentralen Funktionen unserer Gesellschaften zu untergraben". Sie bekräftigen daher in den Schlussfolgerungen ihres am Freitag zu Ende gegangenen Gipfeltreffens ihre "unerschütterliche Entschlossenheit, die demokratischen Werte zu verteidigen, und zwar sowohl online als auch offline".

Die Stoßrichtung der Ansage ist vor allem außenpolitisch. Im Inneren beklagen Kritiker wie Bürgerrechtler und Datenschützer immer wieder, dass die Regierungsvertreter der EU-Länder unter anderem Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufweichen und die Vorratsdatenspeicherung wieder einführen wollen. Dabei ist von den Befürwortern solcher tief in die Grundrechte einschneidender Maßnahmen oft zu hören, dass es keinen "rechtsfreien Raum" im Internet geben dürfe. Dies müsse auch für den Grundrechtsschutz gelten, erwidern die Gegner.

Der Europäische Rat betont nun allgemein in dem Abschlussdokument der Tagung "das Eintreten der EU für einen offenen, freien, stabilen und sicheren Cyberraum". Er fordert die Länder in der ganzen Welt nachdrücklich auf, "diese Normen einzuhalten und durchzusetzen". An die EU-Gremien appelliert er, die Arbeiten an dem Vorschlag für eine Reform der Richtlinie zur Netz- und Informationssicherheit, den geplanten Maßnahmen zur Resilienz kritischer Infrastrukturen und der "Cyber Diplomacy Toolbox" voranzubringen.

Die Staatschefs betonen ferner, "dass angesichts der Cyberbedrohungen eine wirksame Koordinierung und Vorsorge erforderlich sind". Daher müsse der europäische Rahmen für das Krisenmanagement im Bereich der Cybersicherheit und eine wirksame Reaktion auf EU-Ebene auf große einschlägige Vorfälle und -krisen weiterentwickelt werden. Dazu könnten etwa mehr Übungen dienen. Auch das Potenzial einer gemeinsamen Cybereinheit solle ausgelotet werden. Der Kampf gegen Cyberkriminalität – insbesondere gegen Ransomware-Angriffe – und die Zusammenarbeit mit Partnerländern in diesem Bereich müssten verstärkt werden.

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Der Rat hat nach eigenen Angaben auch die Fortschritte bei der digitalen Agenda und wichtigen zugehörigen Gesetzgebungsdossiers überprüft. Er ermutigt die zuständigen Organe, bis zum Jahresende zu einer Einigung über die Verordnung zum freien Roaming im Mobilfunk zu gelangen. Die Gremien sollen zudem ihre Arbeit an den Gesetzentwürfen über digitale Dienste und Märkte (Digital Services beziehungsweise Markets Act) zur Plattformregulierung fortsetzen, um so bald wie möglich eine "ehrgeizige Einigung" zu erzielen.

Die Regierungschefs plädieren zudem dafür, ein "hochmodernes europäisches Mikrochip-Ökosystem entlang der gesamten Wertschöpfungskette" zu fördern und die Resilienz im Halbleitersektor – einschließlich in Bezug auf Rohstoffe – weiter zu stärken. Dies sei von entscheidender Bedeutung, "um Engpässe, die unseren digitalen Wandel behindern, zu vermeiden". Man sehe daher dem von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) angekündigten Vorschlag für ein europäisches Mikrochip-Gesetz erwartungsvoll entgegen.

Das Datenpotenzial in Europa müsse ausgeschöpft werden, verlangt der Rat. Gefragt sei dafür ein umfassender Regelungsrahmen, "der innovationsfreundlich ist, eine bessere Datenübertragbarkeit und einen fairen Zugang zu Daten ermöglicht sowie Interoperabilität gewährleistet". Noch ausstehende Maßnahmen aus der europäischen Datenstrategie müssten zeitnah umgesetzt werden, um gemeinsame Räume zum Teilen von Messwerten und Informationen zu schaffen.

Die Regierungsspitzen machen sich ferner für einen "innovationsfreundlichen Rechtsrahmen" für Künstliche Intelligenz (KI) stark. Es gelte, "die Einführung dieser Technologie sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor zu beschleunigen und gleichzeitig die Sicherheit und die uneingeschränkte Achtung der Grundrechte zu gewährleisten". Zum Streitpunkt eines Verbots biometrischer Massenüberwachung äußert sich der Rat nicht. Er ruft indes noch nach einem europäischen Rahmen für eine digitale Identität (EUid) und einem koordinierten Ansatz dafür. Desinformation über Corona-Impfungen müsse vor allem auf sozialen Medien besser bekämpft werden.

(tiw)