Grün gegründet (Teil 6): Neustark hat Hoffnung für klimapositiven Beton

Gegen den Klimawandel lässt sich an ganz verschiedenen Stellen vorgehen. Jeden Dienstag stellen wir hier ein Greentech-Start-up mit seiner Geschäftsidee vor.

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(Bild: Linda Yuan / Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Steffen Ermisch

Mitgründer: Johannes Tiefenthaler

Start-up: Neustark

Gründung: 2019

Mitarbeiter: 10

Geschäftsmodell: Bau von Anlagen zur Speicherung von CO2 in Betongranulat sowie Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur. Das Spin-off der ETH Zürich will Betonherstellern so zu CO2-neutralen Produkten verhelfen.

Warum befassen Sie sich ausgerechnet damit, wie man Beton klimafreundlicher machen kann?

Kein anderer Baustoff wird so viel genutzt wie Beton – dadurch entstehen immense Treibhausgasemissionen. Die Branche emittiert weltweit etwa doppelt so viel CO2 wie der Flugverkehr. Dabei gibt es Möglichkeiten, um die Emissionen bilanziell Richtung null zu senken. Genau das treiben wir voran. Und zwar nicht irgendwann in ferner Zukunft, sondern mit einer Lösung, die schon heute wirtschaftlich ist.

Johannes Tiefenthaler, Neustark

(Bild: Neustark AG)

Wie stellen Sie das an?

Das Schöne an Beton ist, dass er in seinen Poren Kohlendioxid bindet. Das passiert bei jeder Betonkonstruktion auf natürliche Art – aber extrem langsam. Wir beschleunigen den Mineralisierungsprozess, der normalerweise mehr als tausend Jahre dauert, auf wenige Stunden. Dazu nutzen wir Betonabbruch, der zu Betongranulat recycelt wird.

Grün gegründet: Sechs Start-up-Ideen für die Zukunft

Technology Review präsentiert seine aktuelle Klima-Ausgabe (seit dem 30.09.2021 im Handel sowie direkt im heise shop erhältlich). Darin stellen wir sechs Start-ups mit ihren Ideen für eine grüne Zukunft vor. Jeden Dienstag veröffentlichen wir an dieser Stelle ein Interview aus dem Heft.

Aber Betonrecycling ist doch ein alter Hut?

Im bisherigen Prozess wird das Potenzial der CO2-Speicherung nicht beachtet. Der Betonabbruch reagiert aktuell mehr oder weniger zufällig mit CO2 der Umgebungsluft. Wir führen dem Granulat dagegen hoch konzentriertes CO2 zu. Das so behandelte Material hat einen weiteren Vorteil: Man benötigt bis zu zehn Prozent weniger Zement, um daraus frischen Beton herzustellen. Im Ergebnis verbessern wir so die Klimabilanz schon jetzt um rund zehn Prozent.

Und wie wollen Sie Klimaneutralität erreichen?

Wir arbeiten daran, die Speicherkapazitäten des Betongranulats noch weiter auszuschöpfen. Bis 2025 wollen wir in einer Einheit Frischbeton so viel CO2 binden, wie bei der Produktion frei wird. Wenn es dann auch noch gelingt, die Zementproduktion CO2-neutral zu gestalten, könnte die Branche sogar klimapositiv werden – statt den Klimawandel anzuheizen.

Die Physik hinter Ihrem Verfahren ist gut erforscht, dennoch wird es bisher nicht gemacht. Warum?

Dazu benötigt man ein attraktives Geschäftsmodell: Wir versorgen die Betonrecycler mit der Technik und dem Know-how, um CO₂ in Betongranulat zu speichern. Wir kümmern uns zudem um die Logistik und liefern CO₂ an, das zum Beispiel bei Biogasanlagen als Abfallprodukt anfällt oder direkt aus der Luft gewonnen wird. Die Unternehmen können so ohne große eigene Investitionen loslegen.

Trotzdem steigt der Produktionsaufwand. Wie rechnet sich das Ganze eigentlich?

Die Nachfrage nach klimafreundlichen Baustoffen steigt. Zur Wirtschaftlichkeit trägt auch der Markt für Emissionszertifikate bei. Weil wir CO2 aus der Atmosphäre dauerhaft in Betonstrukturen binden, erhalten wir Gutschriften. Diese Zertifikate können andere Unternehmen kaufen, um ihre eigene Klimabilanz zu verbessern. Einen Teil der Einnahmen geben wir an die Betonhersteller weiter, einen Teil behalten wir für uns.

Sie betreiben bereits eine mobile Anlage, die unter anderem schon in Bern und in Berlin in Einsatz war. Was sind die nächsten Schritte?

Wir sind mit vielen Unternehmen im Gespräch, die Betonrecycling betreiben. Darunter sind Branchenriesen wie Holcim, aber auch kleine Familienunternehmen. Wir rechnen damit, dass wir im kommenden Jahr zehn stationäre Anlagen in Betrieb nehmen. Gegenüber der Containerlösung ist der Vorteil, dass wir uns dann nahtlos in den bestehenden Prozess einklinken.

(bsc)