Whistleblowerin Frances Haugen: Facebook wäre ohne Mark Zuckerberg besser dran

Zur Eröffnung des Web Summit 2021 skizziert die Whistleblowerin, wie ein besseres und sicheres Facebook aussehen könnte – etwa mit einem neuen CEO.

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Frances Haugen spricht zum Auftakt des Web Summit 2021.

(Bild: Web Summit/Screenshot)

Lesezeit: 5 Min.
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Whistleblowerin Frances Haugen glaubt, dass Facebook ohne Gründer Mark Zuckerberg an der Spitze besser dran wäre. "Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich das Unternehmen mit ihm als CEO ändert", sagte Haugen zum Auftakt des Web Summit 2021 am Montagabend in Lissabon. Dennoch hält sie es nicht für ausgeschlossen, dass Facebook sich zum Besseren wandeln kann.

Der inzwischen in Meta umbenannte Konzern setze die falschen Prioritäten, meint Haugen. Es werden Tausende für die Spieleentwicklung angeheuert, aber in die Sicherheit des Unternehmens würde nicht investiert. Facebook könnte stärker sein mit jemandem, dessen Priorität die Sicherheit der Nutzer ist, sagte die Whistleblowerin. Facebooks auf Engagement basierende Priorisierung der Inhalte sei gefährlich, weil polarisierende und extreme Inhalte die meiste Reichweite erhielten.

Die Whistleblowerin hatte zunächst nicht den Plan, an die Öffentlichkeit zu gehen, jedoch habe sie mit ihrem Wissen nicht länger bei Facebook arbeiten können. "Facebook war nicht das erste soziale Netzwerk, bei dem ich gearbeitet habe, es war das vierte soziale Netzwerk", sagte Haugen. "Was ich bei Facebook gesehen habe, war so viel schlimmer als alles, was ich vorher gesehen hatte."

Die ehemalige Facebook-Angestellte hatte zuerst dem Wall Street Journal umfangreiche interne Dokumente zur Verfügung gestellt, die unter anderem zeigten, dass Facebook einige prominente Nutzer bevorzugt behandelt und sich über die Risiken seiner Plattformen für junge Menschen voll im Klaren ist. Später hatte sie sich offen als Quelle der Berichterstattung bekannt und vor dem US-Kongress ausgesagt. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hatte die Darstellung als falsch zurückgewiesen.

Nachdem der Web Summit 2020 wegen der Coronavirus-Pandemie nur virtuell stattfinden konnte, wagt das Team um Gründer Paddy Cosgrave in Abstimmung mit den portugiesischen Behörden nun einen Neustart mit angezogener Handbremse. Die Teilnehmerzahl wurde auf 40.000 begrenzt. Es gilt 3G: Wer in Lissabon dabei sein will, muss ein digitales EU-Covid-Zertifikat oder etwas Vergleichbares beziehungsweise einen aktuellen Test vorweisen. In den Hallen herrscht Maskenpflicht für alle Besucherinnen und Besucher.

Der Web Summit ist für die Stadt und das Land ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Portugal hat viel investiert, um die Veranstaltung noch länger in der Stadt zu halten. Die Regierung setzt auf junge Unternehmen und die Digitalisierung, um die Wirtschaft anzukurbeln. "Erzählt euren Freunden, dass Lissabon und Portugal ein Ort sind, wo sie ein Unternehmen gründen und investieren können", forderte der Staatssekretär für Digitales, Pedro Siza Vieira, die Besucher auf. "Lissabon ist der richtige Ort für euch", warb auch Bürgermeister Carlos Moedas für seine Stadt als Startup-Standort.

Wie andere Großveranstaltungen auch war der Web Summit wegen der Coronavirus-Pandemie im vergangenen Jahr ins Netz ausgewichen. Lange hatten die Veranstalter an der Möglichkeit festgehalten, zumindest einen Teil der Konferenz vor Ort in Lissabon abhalten zu können. Doch die portugiesischen Behörden hatten das letzte Wort. Für den virtuellen Web Summit 2020 hatten sich schließlich über 100.000 Teilnehmer angemeldet.

Die App, die der Web Summit für Android und iOS herausgibt, ist seit Jahren ein zentrales Werkzeug für Networking und Kommunikation der tausenden Teilnehmerinnen. Auf Grundlage dieser Erfahrungen hat das Team um Cosgrave eine Softwareplattform für virtuelle und hybride Veranstaltungen programmiert – und damit einen neuen Geschäftszweig erschlossen. Die Plattform verkauft der Web Summit nun auch an andere Veranstalter. Denn die Branche ist sich einig: Virtuelle oder hybride Events wird es weiter geben.

"Wir haben unsere Software 'Summit Engine' über fast zehn Jahre in aller Stille entwickelt, um unsere Veranstaltungen zu unterstützen. Deshalb war es während der Pandemie leicht für uns, die Events vollständig online zu bringen", erklärte Cosgrave. "Wir wissen, was große und komplexe Veranstaltungen für Herausforderungen sind." Als erster Kunde hatten die Vereinten Nationen die Software im März für eine Konferenz des UN-Entwicklungsprogramms genutzt.

Kurz vor dem Auftakt zum Web Summit hatte dann der US-Verband der Elektronikbranche die Summit Engine für seine Leitmesse CES eingekauft. Nach der rein virtuellen CES in diesem Jahr soll die Elektronikmesse im Januar 2022 wieder in Las Vegas stattfinden, aber als Hybrid-Event. "Für die CES 2022 haben wir eine Plattform gesucht, von der sowohl virtuelle Teilnehmer als auch die vor Ort profitieren", erklärte CTA-Kommunikationschefin Jean Foster. Microsoft, das die Plattform für die virtuelle CES 2021 lieferte, kommt damit nicht mehr zum Zug.

"Wir haben als kleines Unternehmen angefangen und für uns ist das eine große Sache", sagte Cosgrave. 2009 hatte er den Web Summit mit zwei Mitstreitern als Treffen für die irische Web-Entwicklerszene in Dublin gegründet. Zum ersten Web Summit kamen rund 400 Menschen. Innerhalb von wenigen Jahren hat Cosgrave sein kleines Entwicklertreffen zu einem der größten Tech-Events der Welt ausgebaut. Seit 2016 findet der Web Summit nicht mehr in Dublin statt und ist nach Lissabon umgezogen. Dort nahmen zuletzt über 70.000 Menschen teil.

(mack)