Open Mobility Foundation: Städte sammeln Standortdaten von E-Scooter-Fahrern

Ein Städte- und Firmenkonsortium hilft Kommunen, umfassende Verkehrsdaten zu bekommen. Nutzer werden so aber gläsern. Austin ist aus dem Verbund ausgestiegen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 6 Kommentare lesen

(Bild: Dmytro Zinkevych/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Wer mit einem E-Scooter durch die Stadt gondelt, dessen Daten werden erfasst: Die Verleihfirmen erheben in der Regel die Standortdaten der Nutzer per GPS, um die Fahrten nachvollziehen zu können. Die wertvollen Geodaten aus dem Verkehrssektor gehen in Los Angeles, Minneapolis, San Francisco und knapp 50 anderen Städten weltweit, die sich der Open Mobility Foundation (OMF) angeschlossen haben, aber auch an die Kommunalverwaltungen. Diese können so prinzipiell ebenfalls lückenlose Bewegungsprofile von Nutzern der App-gesteuerten Mobilitätsdienste erstellen.

Aus der EU gehören Ulm, Dublin und die norwegische Stadt Bergen dem Konsortium an. Dieses soll angeschlossenen Städten dabei helfen zu überprüfen, wie Roller-Unternehmen wie Bird, Emmy, Lime, Lyft, Tier und Voi Vorschriften einhalten. Dabei geht es etwa um lokale Vorgaben, einkommensschwache Stadtteile zu bedienen oder Kick-Scooter an Sammelpunkten aufzustellen. Die Gemeinden wollen zudem etwa Hinweise darauf erhalten, wo mehr Fahrradwege gebraucht werden.

Die Kommunalverwaltungen sehen in der Kontrolle solcher Daten den Schlüssel zum Ausgleich der Machtverhältnisse zwischen ihnen und den Mobilitätsanbietern. Durch den Boom von Sharing-Diensten im Verkehrsbereich verfügen Verleiher über riesige Datenmengen. Diese missbrauchten sie teils bereits etwa im Fall des Greyball-Projekts von Uber, um Aufsichtsbehörden zu täuschen. Die OMF will hier gegensteuern.

Die Idee für die Gründung des Zusammenschlusses ging von Los Angeles aus. Seit 2018 erteilt das Los Angeles Department of Transportation (LADOT) Genehmigungen für Rollerverleiher nur unter strengen Auflagen, die die gemeinsame Nutzung von Daten über eine neue Open-Source-Plattform verlangen. Dutzende andere Städte verfolgten bald einen ähnlichen Ansatz.

2019 gab Los Angeles den Startschuss für die Open Mobility Foundation als Forum, in dem lokale Beamte und Firmen bei der gemeinsamen Nutzung von Mobilitätsdaten zusammenarbeiten. Ausgangspunkt ist, dass solche Informationen als öffentliche Ressource betrachtet werden sollten. Den beteiligten Gemeinden soll es leichter fallen, einheitliche Anforderungen aufzustellen, indem die Daten in einem einheitlichen Format erfasst und hochgeladen werden.

Gegner der Initiative schlugen rasch Alarm wegen Datenschutzbedenken. Uber weigerte sich, die LADOT-Vorschriften zur Datenerfassung einzuhalten. Der US-Konzern verklagte die Behörde, weil diese die Lizenz für das Roller-Sharing ausgesetzt hatte. Er ließ die Klage aber fallen, nachdem er seine Fahrrad- und Rollersharing-Abteilung voriges Jahr verkauft hatte.

Parallel zogen die Bürgerrechtsorganisationen American Civil Liberties Union (ACLU) und Electronic Frontier Foundation (EFF) vor Gericht. Sie monieren, dass die Pflicht zur Datenherausgabe eine Form der unverhältnismäßigen Beschlagnahme darstellten. Das LADOT habe "nie eine angemessene oder vernünftige Begründung für die massenhafte Erfassung solch sensibler Standortinformationen vorgebracht". Ein Richter wies die Klage Anfang des Jahres ab, ACLU und EFF sind aber in Berufung gegangen.

Die Praxis ist aber auch innerhalb der OMF umstritten. Dies geht aus E-Mails hervor, die das Magazin Bloomberg Businessweek nach eigenen Angaben auf Anfragen nach dem US-Informationsfreiheitsgesetz erhalten hat. Änderungen am Erhebungsstandard weiteten den Umfang sensibler Daten ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen aus, schrieb demnach John Clary, ein leitender Mitarbeiter der Daten- und Technologiedienste der Stadtverwaltung Austin, im Juli an Robert Spillar, den Direktor der städtischen Verkehrsabteilung.

Austin gilt als wichtiger Markt für Mobilitätsunternehmen. Die Stadt im US-Bundesstaat Texas trat im August laut dem Bericht nun aber still und leise aus der Open Mobility Foundation aus. "Wir wissen, dass die OMF auch um den Schutz der Privatsphäre und Transparenz besorgt ist", schrieb Spillar demnach am 5. August an den Verbund. Dessen einschlägige Vorstellungen wichen aber erheblich von den eigenen ab. Zuvor soll Clary ferner intransparente Verstrickungen zwischen dem LADOT und Auftragnehmern wie dem Beratungshaus Ellis & Associates und dem von diesem aufgekauften Startup Lacuna beklagt haben.

OMF-Geschäftsführer Jascha Franklin-Hodge betonte gegenüber Bloomberg Businessweek, Austin sei die einzige Stadt, die das Konsortium verlassen habe. Dessen Mitgliederzahl sei in diesem Jahr um 30 Prozent gewachsen. Bedenken über Interessenkonflikte wies er zurück.

Los Angeles ist bestrebt, auch Daten von Taxis, Mietwagen, Gehwegrobotern, Drohnen und autonomen Fahrzeugen zu erfassen. Neue Technik und Klimaprobleme veränderten die Fortbewegungsweise in Städten, heißt es beim LADOT. Planer bräuchten daher "uneingeschränkte Messwerte" aus dem Verkehrssektor, um sich mit Fragen wie Sicherheit, Gerechtigkeit und Lebensqualität befassen zu können.

Hierzulande warnen Datenschützer, dass jeder mit E-Scootern zurückgelegte Meter aufgezeichnet werde und die Standortinformationen zu ausgefeilten Profilen zusammengefügt werden könnten. Besondere Vorsicht sei geboten, wenn "Verleiher die Weitergabe von Nutzerdaten an nicht näher eingegrenzte dritte Stellen ohne klare Zweckbestimmung und nur überaus vage in ihren Datenschutzbestimmungen beschreiben".

(olb)