Neue Computermodelle: Pariser Klimaziel scheint nicht mehr erreichbar​

Selbst wenn alle Länder ihre Klimaziele für 2030 erfüllen, dürfte die durchschnittliche Erderwärmung bis 2100 über 2 Grad betragen.

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(Bild: jaroslava V/Shutterstock)

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Eine Forschergruppe hat mit computergestützten Bewertungsmodellen die Entwicklung der globalen CO2-Emissionen im Energiebereich neu berechnet. Als Basis hat sie die kurzfristigen Eindämmungsbemühungen herangezogen und zwei Annahmen darüber, wie diese nach 2030 fortgesetzt werden. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass weder das 1,6- noch das 2-Grad-Ziel des Pariser Abkommens erreichbar seien, selbst wenn alle Staaten ihre Klimaziele in den nächsten neun Jahren einhalten.

Trotz der großen Bandbreite an Emissionen bis 2050 ergebe sich zwar für fast alle Szenarien zumindest keine mittlere Erwärmung von über 3 Grad im Jahr 2100 gegenüber dem vorindustriellen Niveau, schreibt das Team in seiner am Montag im Fachjournal "Nature Climate Change" veröffentlichten Studie. Allerdings reiche auch die optimistischste Situationsbeschreibung nicht aus, um die globale Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. Wahrscheinlicher sei eine durchschnittliche Erderwärmung von 2,2 bis 2,9 Grad bis dahin. Das genaue Resultat sei abhängig von den Annahmen, die in das Computermodell eingehen.

Der Großteil der bisherigen Literatur zu integrierten Bewertungsmodellen konzentriert sich auf kosteneffiziente Pfade, um bestimmte Temperaturziele zu erreichen. Bekannte Modellierungen gehen so meist von einem gesetzten Temperaturziel aus und bestimmten Emissionsverläufen, die damit kompatibel sind. Der Ansatz der Autoren der aktuellen Studie läuft andersherum: Basierend auf heutiger Klimapolitik berechnen sie den wahrscheinlichsten Emissionsverlauf bis 2100. Dazu vergleichen sie sieben verschiedene "Integrated Assessment Models". Diese simulieren, wie sich Energiewirtschaft und Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten entwickeln werden.

Jedes dieser Modelle arbeitet mit unterschiedlichen Annahmen. Dabei geht es etwa darum, wie schnell der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangeht, welchen Anteil Wasserstoff im Energiemix haben wird und in welchem Ausmaß CO2 aus der Atmosphäre abgeschieden und gespeichert werden kann. Auch die Bevölkerungsentwicklung in einzelnen Regionen wird herangezogen. Die Forscher kombinieren die Modelle dann mit Szenarien, wie sich klimapolitische Maßnahmen bis 2030 und darüber hinaus weltweit entwickeln könnten. Einige davon beruhen ausschließlich auf Daten zu aktueller regionaler Klimapolitik. Andere nehmen zusätzlich an, dass alle Länder ihre Klimaziele bis 2030 einhalten. Langfristige Netto-Null-Versprechen für die Klimaneutralität berücksichtigten die Verfasser nicht.

Laut der Untersuchung hat die Wahl des Modells großen Einfluss darauf, wie stark der jeweilige Temperaturanstieg ausfällt. Ob Länder ihre Klimaziele bis 2030 vollständig erfüllen, spielt dagegen eine untergeordnete Rolle für die Vorhersage. Die Autoren betonen, dass sich Prognosen für die Erderwärmung kaum auf eine einzelne Zahl komprimieren lassen, da den Annahmen, die in die Modelle eingehen, große Unsicherheiten anhafteten.

Die Daten, auf denen die Studie basiert, wurden im September 2021 veröffentlicht. Somit sind die Beschlüsse und nachgeschärften Klimaziele der UN-Klimakonferenz COP26 im November in Glasgow nicht berücksichtigt. Parallel dazu publizierte Berichte verschiedener Organisationen decken sich aber grob mit den Resultaten der Analyse, auch wenn sie damit nur begrenzt vergleichbar sind. Die Rede ist darin von einer durchschnittlichen globale Erwärmung von rund 2,7 Grad auf Basis der aktuellen Klimapolitik und ein Temperaturplus von rund 2,4 Grad, falls alle Staaten ihre Klimaziele erreichen. 1,8 Grad seien allenfalls realistisch, wenn sämtliche Netto-Null-Zusagen eingehalten würden.

(vbr)