Verbandschef der Luftfahrtindustrie: Es geht wieder aufwärts

Nach Arbeitsplatzabbau und Auftragsstornierungen fordert der Verband nun den Einsatz nachhaltiger Flugzeugkraftstoffe und eigene Fernmeldesatelliten für Europa.

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(Bild: aapsky/Shutterstock.com)

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Nach der schwersten Krise des Luftverkehrs seit dem Zweiten Weltkrieg sieht sich der Flugzeugbau in Deutschland auf Erholungskurs. "Die Talsohle ist jetzt durchschritten", sagte Michael Schöllhorn, der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, der Deutschen Presse-Agentur. "Wir fangen wieder an, die Produktion zu steigern, wieder Menschen einzustellen."

Die Branche hatte 2020 zehn Milliarden Euro an Umsatz eingebüßt und ihre Beschäftigtenzahl um gut 8000 auf 73.000 gesenkt. 2021 sei zwar auch noch ein schwieriges Jahr, sagte Schöllhorn. Erst an diesem Wochenende bekam die Luftfahrtbranche wieder die Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen in der Corona-Pandemie zu spüren: Aus Sorge vor einer neuen Coronavirus-Variante schränkten Deutschland und andere Staaten den Flugverkehr aus Südafrika ein.

Die Unternehmen der Branche hatten sich laut Schöllhorn in der Krise aber generell resilienter gezeigt als gedacht. "Wir hatten immer ein gutes Auftragspolster. Die Airlines haben fast nichts storniert, sondern verschoben." 2021 werde Umsatz auf dem Niveau von 2020 liegen oder etwas darüber. "Bis wir den Stand des Vor-Krisen-Niveaus haben, wird es bis mindestens Ende 2023 dauern."

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP sieht die Branche viel Gutes für sich. "Wir werden als Schlüsselbranche bezeichnet, es gibt konkrete Aussagen zur Förderung von Technologien, was die Dekarbonisierung angeht, bis hin zu geplanten Demonstratorprogrammen." Zudem gebe es klare Aussagen, die Raumfahrt und die Rolle der Bundeswehr zu stärken, sagte Schöllhorn, der bei Airbus die Verteidigungs- und Raumfahrtsparte leitet.

Es gibt allerdings auch andere Stimmen, die im Hinblick auf die Klimakrise etwa den Ersatz von Kurzstreckenflügen durch Bahnverbindungen diskutieren. So hatte eine Studie des Thinktanks OBC Transeuropa jüngst ergeben, dass es für 34 Prozent der 150 verkehrsreichsten Flugrouten innerhalb der EU eine alternative Eisenbahnverbindung gibt.

Eine Studie des Thinktanks OBC Transeuropa hatte jüngst ergeben, dass es für 34 Prozent der 150 verkehrsreichsten Flugrouten innerhalb der EU eine Eisenbahnverbindung gibt, die weniger als sechs Stunden dauert.

(Bild: OBC Transeuropa, CC BY 4.0)

Schöllhorn forderte, die Produktion nachhaltiger Flugzeugkraftstoffe schneller auszubauen. Diese werden ohne Erdöl etwa aus Pflanzen oder Abfällen gewonnen. "Wir könnten aufgrund der Triebwerkstechnologie sofort auf 50 Prozent Sustainable Aviation Fuels hochgehen." Damit die Energiewirtschaft die Produktion hochfahre, seien Förderung und Anreize erforderlich.

Feldversuche des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der NASA hatten ergeben, dass durch die Beimischung von nachhaltigem Kraftstoff zum Kerosin der Beitrag der Luftfahrt zur Klimaerwärmung nicht nur langfristig, sondern vor allem auch kurzfristig deutlich gesenkt werden könnte. Die klimaerwärmende Wirkung der Kondensstreifen-Bewölkung könnte um 20 bis 30 Prozent gesenkt werden, hatte Prof. Christiane Voigt vom DLR erklärt.

Zudem müsse laut Verbandspräsident Schöllhorn die Frage beantwortet werden, woher künftig die großen Mengen an Strom für das Fliegen mit Hilfe von Wasserstoff kommen können. "Es ist der richtige Schritt, den Kohleausstieg vorzuziehen. Aber was stattdessen? Wenn wir dann den Atomstrom aus Frankreich oder Tschechien importieren, ist das auch keine runde Antwort."

Nichtstaatliche Unternehmen waren zwischen Januar und September 2021 für mehr als die Hälfte aller weltweiten Raketenstarts verantwortlich. Führend blieb zwar der chinesische Staatskonzern, SpaceX folgt mit 23 Raketenstarts aber auf Platz 2.

Der Branchenverband fordert außerdem mehr Anstrengungen Europas für eigene Fernmeldesatelliten in niedriger Umlaufbahn. "Das ist etwas, wo Europa sich sehr schnell orientieren muss, um nicht abgehängt zu werden." Betreiber wie Space X des Unternehmers Elon Musk hätten stark vorgelegt. Wenn Europa zu lange warte, seien die Frequenzen vergeben und dieser Teil des Orbits werde amerikanisch, chinesisch und britisch-indisch beherrscht. (uk)