So treibt Japan die Entwicklung autonomer Züge voran

Arbeitskräftemangel und Bevölkerungsschwund auf dem Land zwingt Japans Bahnen zur Automatisierung des Zugverkehrs. Selbst der Shinkansen wird fahrerlos.

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(Bild: henry perks / Unsplash)

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Von
  • Martin Kölling

Japans Bahngesellschaften begegnen Arbeitskräftemangel mit neuen Initiativen für führerlose Züge. Im November stellte die Bahngesellschaft JR East die Fähigkeiten eines autonomen Superschnellzugs Shinkansen vor. Mit einer Genauigkeit von acht Zentimetern stoppte der Zug der doppelstöckigen E7-Serie, der zwischen Tokio und der Skiregion Niigata verkehrt, an der Plattform.

Damit hat der automatisierte Zugbetrieb in Japan eine wichtige Hürde überwunden. Seit der Einführung der ersten vollautomatisierten Linie im Jahr 1981 wurden bereits sieben weitere Zugverbindungen mit dem GoA4 (Grade of Automation 4) eingerichtet, dem höchsten Niveau für autonome Züge. Dies bedeutet, dass die Züge nicht nur führerlos sind, sondern auch ohne Begleitpersonal fahren.

Aber bei diesen Linien handelte es sich um relativ kurze Verbindungen im Nahverkehr. Doch weil in der schnell alternden Gesellschaft der Arbeitskräftemangel immer größer wird, planen immer mehr Bahngesellschaften, auch wichtige Hauptstrecken im Nah- und Fernverkehr ohne menschliches Personal zu betreiben. Die künftige Magnetzuglinie zwischen Tokio und Osaka wird von vornherein fahrerlos mit Fernbedienung geplant.

Die einst staatliche Bahngesellschaft JR East, die in Tokio und dem Ostteil der Hauptinsel Honshu Shinkansen-, Fern- und Nahverkehrsstrecken unterhält, hatte sich bereits 2018 vorgenommen, in den kommenden zehn Jahren Shinkansenzüge zu automatisieren. Doch die Japaner lassen sich Zeit, denn die Anforderungen an Sicherheit und Genauigkeit sind hoch.

Denn die Shinkansen-Züge der verschiedenen JR-Regionalgesellschaften blicken zum einen auf Jahrzehnte ohne tödliche Unfälle zurück. Zugleich sind die menschlichen Fahrer darauf gedrillt, nahezu punktgenau die Züge zu stoppen, damit die Wagontüren auch entlang der Schiebetüren in den Absperrungen halten, die die Plattform vom Gleiskörper trennen. Die Toleranz beträgt 50 Zentimeter. Die Zugsteuerung ist damit bereits akkurater als gewünscht.

JR East ist nicht die einzige Linie, die derzeit ihre Tests verstärkt. Die Bahngesellschaft JR West testet bereits seit vorigem Jahr automatisierte Züge auf der Ringlinie in der Millionenmetropole Osaka, eine der Hauptverkehrsadern der Stadt. Auch die Bahnlinie Tobu hat bereits für kommendes Jahr erste Tests angekündigt, um "einen nachhaltigen Bahnbetrieb zu gewährleisten." Allerdings zielt sie vorerst auf GoA3 ab, also den Betrieb mit Schaffnern.

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Die Bahngesellschaft, die Tokio mit einigen ländlichen Vororten verbindet, will durch die Einsparung menschlicher Fahrer die Kosten senken, um auch angesichts des Rückgangs der Bevölkerung und der Erwerbstätigen entlang seiner Strecken weiterhin ein "sicheres und bequemes Verkehrsangebot" aufrechterhalten zu können.

Zuerst wird die Technik allerdings nur nachts auf einem ein Kilometer langen Streckenabschnitt verifiziert. "Auf der Grundlage der Ergebnisse wollen wir dann automatisiertes Fahren einführen", teilte die Bahngesellschaft im April mit. Viele Bahnhöfe in der Hauptstadtregion wurden bereits jetzt mit einer wichtigen technischen Voraussetzung für Roboterzüge nachgerüstet: Plattformabsperrungen mit Schiebetüren. Schon jetzt dienen sie dazu, Stürze und Sprünge auf die Gleise zu erschweren und damit Behinderungen im Zugverkehr zu verringern.

(bsc)