Rückschlag für Julian Assange: US-Berufung im Auslieferungsverfahren erfolgreich

Der Londoner High Court hat der Berufung der US-Regierung gegen das verhängte Auslieferungsverbot stattgegeben. Nun muss ein anderes Gericht erneut entscheiden.

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(Bild: Londisland/Shutterstock.com)

Update
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Der Whistleblower und Journalist Julian Assange muss damit rechnen, doch noch an die USA ausgeliefert zu werden. Ein britisches Gericht hat am Freitag der Berufung der US-Regierung entsprochen und den Fall zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz verwiesen. Diese hatte eine Auslieferung im Januar unter Hinweis auf die psychische und physische Gesundheit des Beschuldigten untersagt.

Update 12:10 Uhr: Der Fall werde nun an das erstinstanzliche Gericht zurückgegeben mit der Weisung, die Entscheidung über die Auslieferung der Innenministerin zu überlassen, erklärte der Richter am Freitag in London. Die Vorinstanz habe ihre Entscheidung unter anderem darauf gestützt, dass Assange in den USA eine verschärfte Einzelhaft drohe. Die von den USA in der Zwischenzeit gegebenen Zusicherungen seien ausreichend, um die Sorgen wegen Assanges Gesundheit auszuräumen (Urteil: CO/150/2021).

Update 12:30 Uhr: Die US-Regierung hatte versichert, dass Assange nicht in Einzelhaft genommen und nicht ein Hochsicherheitsgefängnis eingewiesen werde. Zudem hatten sie in Aussicht gestellt, dass Assange eine mögliche Haftstrafe auch in Australien verbüßen könne. Damit seien die von der Vorinstanz befürchteten Risiken für die Gesundheit des Beschuldigten ausgeschlossen, meint der Richter des High Court. Er gehe davon aus, dass die Vorinstanz angesichts dieser Versicherungen anders geurteilt hätte.

Zur Stunde ist noch offen, wie das Verfahren weitergeht. Eine erneute Berufung der Anwälte von Assange vor dem britischen Supreme Court steht im Raum. Der vorsitzende Richter hat laut der BBC bereits angedeutet, dass eine erneute Berufung möglich sei. Nach Ausschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsmittel kann auch noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) angerufen werden.

Um die Auslieferung von Julian Assange an die USA wird seit Jahren vor Gericht gerungen. Die US-Justiz will Assange wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Dem gebürtigen Australier drohen dort bei einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft. Vorgeworfen wird ihm, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben.

Zunächst hatten sich die schwedischen Behörden um eine Auslieferung bemüht, nachdem in Schweden zwei Frauen den Australier sexueller Vergehen beschuldigt hatten. Die Vorwürfe der schwedischen Justiz sind inzwischen vom Tisch. Weil er befürchtete, von den Schweden schließlich an die USA ausgeliefert zu werden, hatte sich Assange jahrelang in der Botschaft Ecuadors in London dem Zugriff der Behörden entzogen. Seit er die Botschaft 2019 verlassen musste, sitzt er in einem britischen Gefängnis in Einzelhaft.

Assange ist Mitgründer der Whistleblower-Plattform Wikileaks und hatte dort das von Manning erhaltene Material veröffentlicht, darunter das Video eines Angriffs von US-Soldaten in Bagdad, bei dem Zivilisten getötet wurden. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, Journalistenvertreter und Politiker fordern die Freilassung Assanges. Kritiker werfen der US-Regierung einen Angriff auf die Pressefreiheit vor.

Update 14:00 Uhr: "Wir werden gegen diese Entscheidung so bald wie möglich Berufung einlegen", sagte Rechtsanwältin Stella Morris. Das Urteil des High Court sei "gefährlich und fehlgeleitet" sowie ein "schwerer Justizirrtum". Morris führt mit Assange seit seiner Zeit in der Botschaft Ecuadors eine Beziehung. Das Paar hat zwei Kinder, die britische Staatsbürger sind, und will demnächst heiraten.

"Wie kann es fair sein, wie kann es richtig sein, wie kann es möglich sein, Julian in genau das Land auszuliefern, das geplant hat, ihn zu töten", sagte Morris nach dem Urteil. Im Herbst hatte Yahoo News berichtet, dass der US-Geheimdienst CIA 2017 verschiedene Szenarien für die damalige US-Regierung unter Präsident Donald Trump ausgearbeitet hatte. Dabei sei auch die Möglichkeit erörtert worden, Assange zu entführen oder sogar zu töten.

Der unabhängige Berichterstatter der Vereinten Nationen für Folter hat das Urteil scharf kritisiert. "Dies ist ein Armutszeugnis für die britische Justiz", sagte Nils Melzer am Freitag der dpa und sprach von einem "politisch motivierten Urteil". Der Fall Assange solle abschrecken. "Man will ein Exempel an ihm statuieren", sagte Melzer und kritisierte die "westliche Sicherheitskoalition", zu der er auch Deutschland zählt. "Sie alle wollen Assange nicht auf freiem Fuß sehen, weil sie das Business-Modell der Geheimhaltung schützen wollen."

Zahlreiche Journalistenorganisationen kritisierten das Urteil des High Court scharf. Als "Schande für die Pressefreiheit" bezeichnet der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) das Urteil, das eine "verheerende Signalwirkung auf alle Whistleblower" habe. "Es ist ein brandgefährliches Signal an jede Journalistin, jeden Verleger und jede Quelle weltweit", erklärte die Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG).

(vbr)