Der automobile Jahresrückblick 2021: Was uns bewegt hat – Teil 1

2021 war fraglos ein ereignisreiches Jahr, das an vielen Stellen die Hoffnungen nicht erfüllt hat. Für die Autoindustrie kam zu Corona ein weiterer Tiefschlag.

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BMW iX

(Bild: BMW)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

Das Jahr 2021 liegt nahezu hinter uns und die Pandemie dominiert noch immer an vielen Stellen das gesellschaftliche Miteinander. Die Fallzahlen sind höher, die Schockwellen darüber allerdings bedeutend niedriger als in der ersten Welle. Leidtragende sind unverändert nicht nur die Patienten, sondern auch jene, die die Lasten im Gesundheitssystem abfangen müssen. Ihre Hilferufe müssten mit jeder Welle mehr Aufmerksamkeit bekommen, doch auf Bundesebene scheint das bislang kaum tatsächlich angekommen zu sein. So gibt es noch immer politisch Verantwortliche, die sich in Talkshows vom Ausmaß der vierten Welle "vollkommen überrascht" zeigen – obwohl ihnen Experten den zeitlichen Verlauf und die Höhe der Fallzahlen vor Monaten geradezu erstaunlich exakt vorausgesagt haben. Vielleicht kommt mit der neuen Bundesregierung diesbezüglich frischer Schwung in die Bewältigung der Pandemie.

Wirtschaftlich hat dieses Jahr zusätzlich ein zweites Desaster tief geprägt. Der Mangel an Chips hat viele Industriezweige getroffen, ganz besonders schwer aber die Autohersteller. Sie können derzeit schlicht nicht so viele Fahrzeuge bauen, wie sie ausliefern könnten. Das hat mehrere Folgen: Die Kunden müssen in vielen Fällen erheblich längere Wartezeiten akzeptieren als in der Vergangenheit. Die Autohersteller reagieren ihrerseits unterschiedlich auf den Mangel: Vielfach sind bestimmte Ausstattungsmerkmale gar nicht oder nur für teure Modelle zu haben – was nebenbei der Marge pro Auto guttut. Einige Hersteller produzieren Fahrzeuge auf Halde so weit vor, wie es die Verfügbarkeit von Bauteilen eben zulässt. Ein Ende dieser Misere wird von Optimisten für das kommende Jahr vorhergesagt, wobei es zum zeitlichen Verlauf unterschiedliche Ansichten gibt.

Für die Autohersteller bedeutet der Mangel an Chips eine mittelschwere Katastrophe. Nach einem gewiss nicht glänzend verlaufenden Jahr 2020 waren die Aussichten für 2021 eigentlich durchweg optimistisch. Die Branche hoffte auf Nachholeffekte und muss das zurückliegende Jahr mit erheblichen Umsatzrückgängen verbuchen. Bis Ende November lag der Rückgang bei den Neuzulassungen bei Minus 32 Prozent. Was bleibt, ist ein Hoffen auf ein besseres Jahr 2022: Ein Abflauen der Chip-Krise ist wahrscheinlich, die neue Bundesregierung hat die Subventionen für Plug-in-Hybride und Elektroautos nicht angetastet.

Während diese Zeilen entstehen, ist die Ampel-Koalition noch frisch und voller nach außen vorgetragenem Elan. Im Verkehrssektor werden viele enttäuscht sein, dass die kleinste Partei sich mit dem ausgebliebenen Tempolimit durchgesetzt hat. Möglicherweise war das aber von SPD und Grünen schlau, denn einerseits bedeutet eine Geschwindigkeitsbegrenzung zwar einen Sprit-Spar-Effekt, über dessen Umfang auch in diesem Jahr zum Teil erbittert debattiert wurde. Die unverändert stets dramabetonende DUH beziffert ihn auf acht Millionen Tonnen CO2. Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen dagegen kommt zu dem Schluss, dass nur ein Bruchteil der Autofahrer von der Möglichkeit Gebrauch macht, sehr schnell fahren zu dürfen, der Einspareffekt also voraussichtlich ziemlich gering wäre.

Rückblick 2021, Bilderstrecke 1 (10 Bilder)

Erst die Pandemie mit den daraus resultierenden Fehlkalkulationen, dann die querstehende Ever Given. Der Kanal war in vielerlei Hinsicht voll, Halbleiter nicht lieferbar. Damit kam die Automobilindustrie in einen Krisenturbo. Zwar waren einerseits die Bestellrückgänge durch eine pandemiebedingte Wirtschaftskrise nicht so verheerend wie erwartet. Aber leider konnten die Fahrzeuge nicht mehr produziert und geliefert werden. Opel hat sein Werk Eisenach deshalb bis zum Jahresende geschlossen – und war mit Entscheidungen dieser Art nicht allein.
(Bild: Volkswagen
)

Andererseits hat die Durchsetzung von einer Vorstellung in einem Koalitionsvertrag ihren Preis. Der neue Verkehrsminister kommt zwar von der FDP, doch die Pläne der neuen Regierung sehen durchaus spürbare Veränderungen im Verkehrssektor vor. Die Bahn soll gestärkt werden, der Fokus bei Investitionen in das Straßennetz von Neubau auf Sanierung verschoben werden. Vorgenommen haben sich das schon viele Regierungen, vielleicht gelingt dieser nötige wie richtige Schritt dem Bundesverkehrsminister Wissing. Den kraftvoll tönenden Vorgänger inhaltlich zu überstrahlen, sollte keine allzu hohe Hürde sein.

Für den Verbraucher gab es in den zurückliegenden Monaten einen ersten Vorgeschmack darauf, was ihn perspektivisch an der Tankstelle erwartet. Die Spritpreise erreichten ein Niveau, was bei manch einem Autofahrer die Fahrweise beruhigt haben dürfte. Es wird auch dazu beitragen, dass in den kommenden Jahren der Druck zunimmt, beim Neuwagen dem Verbrennungsmotor "Lebe Wohl" zu sagen. Zwar wird es noch geraume Zeit flüssigen Kraftstoff zu kaufen geben, doch es ist keine kühne Vorhersage, dass die Nutzung nochmals spürbar teurer wird.

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Tesla war am 26. Oktober erstmals mehr als eine Billion US-Dollar wert und am selben Tag wurde das Model 3 zum meistverkauften Fahrzeug in Europa. Im Februar hatte Volkswagen (Börsenwert 140 Milliarden US-Dollar) noch mehr Elektroautos als Tesla verkauft. (Bild: Tesla)

Das Interesse an Autos mit elektrifiziertem Antrieb dürfte auch deshalb weiterhin steigen. Im September war das Model 3 von Tesla Deutschlands am häufigsten zugelassener Neuwagen, im November der Opel Corsa, zu dessen Erfolg nicht zuletzt das Angebot eines elektrischen Antriebs beigetragen hat.

Abgesehen von den Vorzügen unterwegs verbreitert sich stetig das Angebot an batterieelektrischen Neuwagen, die immer besser in unterschiedliche Nutzungsprofile passen – und bei den Gesamtkosten unter einem vergleichbaren Verbrenner liegen. Und das trotz hoher Preise für neue E-Autos und EU-weit höchster Stromkosten.

Strom vs. Sprit: Wer fährt günstiger?

Letzteres wird früher oder später dazu führen, auch den Stromverbrauch von Autos stärker zu hinterfragen. Bei Elektroautos ist das zunehmend der Fall. Bei der Bilanzierung der Energiekosten von Plug-in-Hybriden erleben wir dagegen sehr oft, dass der elektrische Streckenanteil einfach ausgeblendet wird. Dabei liegt der Stromverbrauch fast immer eklatant über dem von batterieelektrischen Autos.

(mfz)