Missing Link: OLPC-Projekt – ein Laptop für jedes Kind

Vor 15 Jahren sorgte ein kleiner grüner Rechner für Aufsehen. Die Beta 2-Version des XO begeisterte Entwickler weltweit.

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XO, Children's Machine, OLPC, $100 laptop/ Beta 1

(Bild: "Mike McGregor"; upload to OLPC-Wiki: OLPC user "Walter", CC BY 2.5, via Wikimedia Commons)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Detlef Borchers
Inhaltsverzeichnis

Anfang Februar 2007 produzierte der taiwanesische Auftragsfertiger rund 900 Exemplare eines Rechners, der speziell für Kinder in Entwicklungsländern konzipiert war. Das "One Laptop per Child"-Projekt (OLPC) bekam damit seine ersten XO genannten Rechner und konnte nicht nur unter den Programmierern für Unterstützung werben, sondern auch interessierten Regierungen Geräte testen lassen. Mit der Geschichte des OLPC-Projektes sind einige Erfolge verbunden, aber auch spektakuläre Misserfolge.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Die erste Meldung von heise online Anfang Februar 2007 war unspektakulär. Rund 900 Vorserienmodelle des OLPC-Laptops waren fertig. Noch gab es Probleme mit der Grafik und dem Touchpad, aber bis zur Fertigung von 4 Millionen bereits bestellten Rechnern sollte das behoben sein. Zwar redete niemand mehr vom "100 Dollar Laptop", den Quanta da für rund 200 Dollar produzierte, doch nun gab es endlich ein konkretes Produkt zu einem Projekt, das 2005 auf dem "Weltgipfel der Informationsgesellschaft" (WSIS) von dem MIT-Vordenker Nicolas Negroponte und dem UN-Generalsekretär Kofi Annan vorgestellt worden war. Ein internetfähiger Rechner speziell für 1,5 Milliarden Kinder in den Entwicklungsländern, der wenig Strom benötigte und mit einer Handkurbel geladen werden konnte, das begeisterte Kofi Annan so sehr, dass er dem Prototyp bei der Präsentation auf dem WSIS-Kongress Access2Democracy im November 2005 den Tragegriff abbrach.

2007 waren der Tragegriff und die Idee des Kurbel-Dynamos verschwunden, dafür stieg die Begeisterung an. Auf der Entwicklerkonferenz FOSDEM in Brüssel erntete die OLPC-Präsentation von Entwicklungschef Jim Gettys stehenden Applaus. Zahlreiche Programmierer sagten ihre Mitarbeit zu, neben OLPC Europe wurden 2008 OLPC Austria und OLPC Deutschland gegründet. War mit dem Vorserienmodell die Entwicklung der Hardware durch eine Truppe von nur 20 Ingenieurinnen und Ingenieuren weitgehend abgeschlossen, so gab es bei der Software genug zu tun, von der Anpassung an die Sugar genannte Oberfläche von Michael Gericke bis zur Lokalisierung in Dutzende sehr unterschiedliche Sprachfamilien. So unterschiedliche Länder wie Brasilien und Ruanda hatten bereits 2006 signalisiert, dass sie OLPC in die Schulen bringen wollen.

Neben der aktuellen Hardware der XO-Laptops, die nach damaliger Verfügbarkeit mit dem Auftragsfertiger Quanta vereinbart wurden (AMD Geode GX2, 128 MB RAM, 512 MB Flash-Speicher, drei USB-Anschlüsse, ein Einschub für SD-Cards), wurde der OLPC am MIT konzipiert. Dabei wurden einige grundlegende Entscheidungen für OLPC getroffen, die sich aus der dort existierenden Hackerkultur ableiteten. So sollte der Schul-Laptop zwar in der Schule genutzt werden, aber den Schülern mitgegeben werden. Entsprechend robust und staubgeschützt musste das Gehäuse ausfallen.

Jedes Gerät sollte mit einer ID personalisiert werden und musste sich einmal im Monat am Schulserver anmelden. Ansonsten galt der Laptop als gestohlen. Auch wenn der XO ausgeschaltet war, sollte er bei geringem Stromverbrauch als Router in einem Mesh-Netzwerk für andere XO funktionieren. Das wiederum hatte zur Folge, dass er nach Möglichkeit mit dem Stromadapter betrieben werden sollte, auch wenn er etwa bei dem von Mary Lou Jepsen konstruierten 7,5 Zoll-Bildschirm mit einer Auflösung von 1200 × 900 Pixeln extrem wenig Strom verbrauchte.

Bezüglich der Hardware hatten die Konstrukteure am MIT sehr eigene Vorstellungen. "Ich mache mir darüber keine Gedanken. Die Kinder werden ihre Laptops so lieben, dass sie mit ihren Rechnern schlafen gehen", erklärte Projektleiter Nicholas Negroponte auf der ersten OLPC-Konferenz für Investoren und Analysten. "Ich denke, sie werden es nicht zulassen, dass ihre Rechner kaputtgehen. Mary Lou Jepsen und ihr Team haben fantastische Arbeit geleistet und den Rechner sehr reparaturfreundlich gemacht. 95 Prozent der nötigen Wartung wird durch die Kids erfolgen."

Während die Vorserienmodelle mit einem VGA-Ausgang kamen, entfiel dieser bei den schließlich produzierten Endgeräten. Für den Entwickler Ethan Zuckerman war das ein cooles Feature zum Lernen, wie man lötet, wie er in seinem Blog erklärte: "Möchtest du einen Laptop, den man mit einem externen Monitor betreiben kann? Löte ihn an." Besonders stolz sind die Entwickler auf den Source-Key. Wird diese Funktionstaste gedrückt, wird der Source-Code des laufenden Programmes angezeigt. Spielerisch solle so die Kinder erfahren, wie Software funktioniert und mit dem erworbenen Wissen irgendwann einmal selbst Programme verändern.