Neue Kraftstoffe, neue Antriebe: Wie die Schifffahrt klimaneutral werden kann

Der Schiffsverkehr ist immer noch einer der ganz großen Klimakiller. Innovative Konzepte müssen her für die behäbige Branche.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 36 Kommentare lesen

Es braucht mehr Innovationen in der Schifffahrt wie die "Oceanbird", die von fünf auf 80 Metern Höhe ausfahrbaren, festen Segeln angetrieben wird, die Flugzeugflügeln nachempfunden sind.

(Bild: Oceanbird)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Weltweit bläst der Schiffsverkehr jedes Jahr mehr als eine Milliarde Tonnen Klimagase in die Atmosphäre, knapp drei Prozent aller Treibhausgas-Emissionen. Allerdings transportieren Schiffe auch 90 Prozent der international gehandelten Waren.

Für die EU ist die Bilanz genauso schlimm. Laut einem Bericht der Europäischen Agenturen für Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) und für Umwelt (EEA) ist der innereuropäische Seeverkehr für satte 13,5 Prozent der gesamten verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen innerhalb der EU verantwortlich.

Die Abgase der Schiffe lassen sich leider keinem einzelnen Staat zuordnen, der ihnen Ausstiegspfade oder Restriktionen auferlegen könnte. Einziger Regulator sind die Vereinten Nationen mit ihrer Internationalen Maritimen Organisation (IMO). Nach langen Verhandlungen konnte sie den Seefahrtsnationen wenigstens einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz abhandeln. Bis 2030 sollen die Treibhausgase der Branche gegenüber 2008 um 40 Prozent sinken, bis 2050 um weitere 50 Prozent. Völlige Klimaneutralität ist erst für die zweite Jahrhunderthälfte angepeilt.

Dennoch fühlt sich die Branche unter Druck. Reeder und Schiffseigner sind traditionell nämlich ziemlich konservativ: Wer sich zuerst bewegt, hat schon verloren. Aber vor einem Jahr wagte die weltgrößte Reederei, die dänische Maersk, dann doch den großen Schritt und bestellte acht Containerriesen mit einem Fassungsvermögen von je 16.000 Standardcontainern (TEU), die mit dem Hoffnungsträger Methanol fahren werden. Ein kleineres Methanol-Motorschiff für 2.100 TEU, ein so genanntes Feeder-Schiff, wird bereits ab kommendem Jahr Ostseerouten befahren und die schwedische Stena-Line pendelt mit der 240 Meter langen, weltweit ersten Methanol-Fähre "Stena Germanica" seit 2015 zwischen Kiel und Göteborg. Als erstes deutsches Methanolschiff wird der neue, 35 Meter lange Forschungskutter "Uthörn II" des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Oktober seinen Stapellauf haben.

Mit dem Einstieg der weltgrößten Reederei in den Methanolantrieb scheint der Pfad vorgegeben, auch wenn konkurrierende Treibstoffe noch nicht vom Tisch sind.

Für schnelle Lösungen, die jetzt nötig wären, sind sie und die dafür benötigten Motoren noch nicht ausgereift. Martin Cames, Leiter des Bereichs Energie und Klimaschutz des Öko-Instituts in Berlin sagte gegenüber dem Science Media Center (SMC): "Wasserstoff und Strom kommen für lange Distanzen im Zeitraum bis 2050 praktisch nicht in Frage, allenfalls in Nischen, wie Fähren oder der Küstenschifffahrt. Die besten Aussichten haben Ammoniak und Methanol."

Während Methanol doch wieder CO2 freisetzt, ist das bei Ammoniak – chemische Formel NH3 – nicht der Fall. Ammoniak kann darüber hinaus auch in speziellen Brennstoffzellen zur Stromerzeugung genutzt werden. Sogar der NABU gibt dem Treibstoff seinen Segen – unter der Voraussetzung, dass das klimaschädliche Lachgas, das bei der Verbrennung entsteht, durch eine Abgasreinigung vermieden wird. Der Nachteil: Ammoniak ist hochgiftig, so dass sein Transport im Schiffsbunker besondere technische Vorsichtsmaßnahmen nötig macht.

Kompliziert ist auch Wasserstoff. Eigentlich ist er ein optimaler Treibstoff, weil er nur zu Wasser verbrennt. Doch muss das Gas in Drucktanks von 600 bis 700 Bar mitgeführt werden, was den Laderaum enorm verkleinert.

Welcher Treibstoff sich auch durchsetzen wird, für die Reeder dürfte die Umstellung teuer werden, wie eine aktuelle Studie der ETH Zürich zeigt. Die Wissenschaftler um Boris Stolz untersuchten die Auswirkungen von Emissionsminderungen auf die europäische Schifffahrt. Der Betrieb mit klimaneutralen Treibstoffen schränkt die Ladekapazität nämlich um drei Prozent ein, weil größere Treibstofftanks und zum Teil eine umfangreichere Motorentechnik nötig sind. Die Betriebskosten wären sogar zwei- bis sechsmal höher – eine enorme wirtschaftlicher Herausforderung für die Reeder.

Doch Johann Köhler vom Competence Center Nachhaltigkeit und Infrastruktursysteme des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung sieht die Studie kritisch. In einer Stellungnahme für das SMC wies er darauf hin, dass Schiffe ja auch mit der Hälfte der derzeitigen Geschwindigkeit ans Ziel kommen könnten, was enorm viel Treibstoff spart. Es sei ja nur wichtig, wann ein Frachter ankommt, nicht wie schnell er unterwegs ist. Obendrein bemängelte Köhler, dass Windantriebe überhaupt nicht berücksichtigt wurden. Denn die könnten bis zu 30 Prozent der Betriebskosten einsparen.

Dabei sind in kommerziellen Nischen schon seit Jahren Großsegler erfolgreich unterwegs. Eine Reihe kleinerer Frachtsegler reist vor allem auf Atlantikrouten, wie die deutsche "Avontuur", die italienische "Brigantes" oder die französische "Galant". Sie bringen Kaffee, Kakao oder Rum aus Lateinamerika und verdienen sich ein Zubrot durch zahlende Mitsegler.

Unter Luxuskreuzfahrern bekannt ist die Reederei Sea Cloud Cruises, die seit 1979 mit Rahseglern erfolgreich unterwegs ist. Der jüngste ist die 125 Meter lange "Sea Cloud Spirit" für 136 Passagiere, die im vergangenen Jahr in See stach.

Ab 2007 ließ die inzwischen in Konkurs gegangene Beluga-Reederei eines ihrer Spezialfrachter mit einem hoch fliegenden Zugdrachen der Firma Skysails ziehen und konnte damals immerhin eine Treibstoffeinsparung von 5 Prozent erreichen.

Doch jetzt scheint sich auch für richtig große Schiffe der Wind zu drehen. In Norwegen werden die beiden 200 Meter langen Schiffe "Oceanbird" der Wallenius-Reederei und das "Vindskip" schon bald gebaut. Die "Oceanbird", als Autotransporter geplant, wird von fünf auf 80 Metern Höhe ausfahrbaren, festen Segeln angetrieben, die Flugzeugflügeln nachempfunden sind. Die "Vindskip" ist selbst als Segel geformt. Sie wird in den nächsten neun Monaten ihr Klassenzertifikat erhalten und 2024 auf Kiel gelegt.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externes YouTube-Video (Google Ireland Limited) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Google Ireland Limited) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

(jle)