Kommentar: Facebook und Whatsapp raus aus Europa – warum nicht?

Meta warnt, es könne vielleicht demnächst in Europa nicht mehr so weiterwurschteln wie bisher. Es zeigt auch, dass bisher einiges falsch gelaufen ist.

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(Bild: dolphfyn/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Meta mitsamt Facebook und Instagram, womöglich gar Whatsapp verschwinden aus Europa? Das erregt natürlich viele Gemüter, schließlich soll es in Deutschland gut 30 Millionen Facebook-Nutzer geben. Und 93 Prozent derjenigen hierzulande, die einen Messenger nutzen, haben Whatsapp auf ihrem Smartphone.

Was ist passiert? Zunächst einmal erging jetzt aus dem Hause Meta nur ein gewöhnlicher Hinweis auf ein Investmentrisiko, wie ihn alle Unternehmen, die in den USA an der Börse notiert sind, in ihren Berichten an die dortige Börsenaufsicht anbringen müssen. Solcherlei – hier immerhin 430.000 Zeichen – studieren hauptsächlich Profi-Anleger und Analysten. Es ist auch nicht wirklich neu, was Meta nun in seinem jüngsten 10-K genannten Jahresbericht an die Securities and Exchange Commission unter Abschnitt 1A schreibt.

Andreas Wilkens

kommt aus den Kulturwissenschaften, wurde frühzeitig in seinem Studium mit Computern konfrontiert – als Arbeitsmittel und Verdienstmöglichkeit. Er kümmert sich im Newsroom von heise online um die Nachrichten aus der IT-Welt.

Metas Jahresbericht birgt aber Sprengstoff, zumal das Unternehmen vorige Woche die Anlegererwartungen arg enttäuscht hatte und daher nicht wenige Lauscher darauf gerichtet sind. Er deckt auf, dass das Geschäft mit unseren Daten bisher sehr lukrativ sein konnte, aber auch deshalb, weil die zuständigen Institutionen nicht ausreichend auf unsere Daten aufgepasst haben. Und nun scheint das Geschäft auf sehr wackeligen virtuellen Beinen zu stehen.

Sein Kernproblem verdeutlicht Meta in dem Jahresbericht so: "Wenn wir nicht in der Lage sind, Daten zwischen Ländern und Regionen, in denen wir tätig sind, zu übertragen, oder wenn wir daran gehindert sind, Daten zwischen unseren Produkten und Dienstleistungen weiterzugeben, könnte dies unsere Fähigkeit, unsere Dienstleistungen zu erbringen, die Art und Weise, wie wir unsere Dienstleistungen erbringen, oder unsere Möglichkeiten, Anzeigen zu schalten, beeinträchtigen."

Facebook hatte schon im September 2020, als es noch nicht Meta war, damit gedroht, sich aus Europa zurückzuziehen. Der Europäische Gerichtshof hatte nämlich das Privacy-Shield-Abkommen für ungültig erklärt, das bis dahin den Transfer von personenbezogenen Nutzerdaten in die USA regelte. Nun rückt der Tag der Wahrheit näher, Meta schreibt in seinem Jahresbericht, es erwarte noch in dieser Jahreshälfte eine EU-Entscheidung darüber, ob es sich bei diesem Datentransfer auf die von der EU-Kommission dafür definierten Standardvertragsklauseln berufen kann. Einen Vorgeschmack lieferte die irische Datenschutzaufsicht, die Meta im August 2020 einen Schuss vor den Bug versetzte. Sie befand, dass Metas Gehabe nicht der Datenschutzgrundverordnung entspreche und schlug vor, dass die Übertragung von Benutzerdaten aus der EU in die USA ausgesetzt wird.

Das bedeutet, Meta konnte bisher schalten und walten, wie es ihm beliebt. Im Grunde aber heißt es auch, wir selbst haben nicht ausreichend auf unsere Daten aufgepasst. So können davon Meta, Google, Amazon, Microsoft, Apple und wie sie alle heißen, bisher leben wie Krösus. Facebook und Twitter und andere Soziale Netzwerke, allesamt Privatunternehmen, wurden gar zu Gatekeepern dessen, was Milliarden Menschen sagen dürfen und was nicht.

Dahinter stecken Sorglosigkeit und Gewohnheitsdenken von uns Nutzern und Nutzerinnen. Jüngst vermutete die Bundesnetzagentur nach einer Erhebung der Kommunikationsgewohnheiten der Bundesbürger – salopp ausgedrückt: "Wozu Interoperabilität? Ich hab' doch wie alle anderen Whatsapp!" Dahinter steckt auch, dass sich die meisten von uns nicht oder nicht mehr daran erinnern können, wie ein nicht-kommerzialisiertes Internet aussieht.

Wenn Meta seine Neuauflage von "Second Life" durchdrückt und sich dort alle tummeln, könnte die Firma endlich ihre VR-Brille verkloppen – während es im Metaverse zugeht wie im richtigen Leben. Sofern wir weiter mitmachen wie bisher.

(anw)