Metaversum ohne Meta: Wie kann es mit dem Facebook-Konzern weitergehen?

Nach brutalem Absturz an der Börse stellt sich die Frage, wie es mit dem Facebook-Konzern Meta weitergeht. Es sieht nicht gut aus.

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In digitalen Arbeitsräumen von Metas App "Horizon Workrooms" können Kolleginnen und Kollegen als Avatare in der virtuellen Realität miteinander interagieren.

(Bild: Webpräsenz Oculus)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Enno Park
Inhaltsverzeichnis

Ausgerechnet der erste Quartalsbericht nach der Umbenennung von Facebook in Meta löste einen Kursrutsch aus. Mit mehr als 250 Milliarden US-Dollar verlor Meta rund ein Viertel seines Börsenwertes. Dem vorangegangen war die Meldung, dass Facebook zum ersten Mal in seiner Geschichte Nutzer verloren hatte, statt welche hinzuzugewinnen. In den von Facebook als "rest of the world" bezeichneten Regionen Südamerika und Afrika ging die Zahl der Facebook-Nutzer um etwa zehn Millionen zurück.

Doch natürlich kann ein leichter Rückgang von 1,93 Milliarden auf 1,929 Milliarden Nutzer nicht wirklich einen so gewaltigen Absturz an der Börse erklären. Schließlich war klar, dass auch Facebook nicht ewig würde wachsen können. Die Zahlen wirken relativ solide: Der Umsatz stieg nochmals um 20 Prozent, der Gewinn sank um 8 Prozent, beträgt aber immer noch satte acht Milliarden US-Dollar.

Zahlen, von denen normale – und durchaus profitable – Unternehmen nur träumen können. Wenn eine solche Normalisierung einen derart heftigen Kursrutsch nach sich zieht, dann scheint da eher eine Überbewertung korrigiert zu sein. Erholt hat sich der Kurs jedenfalls nicht, sondern ist noch weiter gefallen. Die Ursachen für diese Wertberichtigung sind vielfältig.

Meta ist (ähnlich wie Alphabet) fast vollständig von Werbeeinnahmen abhängig, die darauf basieren, dass der Konzern das Verhalten seine Nutzer aufzeichnet und analysiert. Dieses Geschäftsmodell verliert aber zusehends an Akzeptanz. In der EU erhobene personenbezogene Daten dürfen offiziell nicht mehr in die USA transferiert werden, seitdem der Europäische Gerichtshof das "Privacy Shield"-Abkommen kippte, das diesen Transfer erlaubte.

Streng genommen müsste Meta also dafür sorgen, dass die Daten, die Facebook, Instagram und WhatsApp in der EU erheben, die EU nicht verlassen und nicht mit den übrigen Daten verbunden werden können. Jedenfalls, solange es kein Nachfolge-Abkommen für "Privacy Shield" gibt. Sich deshalb aus der EU zurückziehen zu müssen, führte Meta im Börsenbericht als potenzielles Geschäftsrisiko auf. Das hatte zahlreiche Schlagzeilen zur Folge, wonach Meta mit einem Rückzug aus Europa drohe, was Meta wiederum schnell dementierte. Den Aktienkurs wird das eher nicht gestützt haben.

Dabei ist der Streit übers "Privacy Shield" längst nicht das einzige Problem, das Meta in Europa hat. Der "Digital Services Act" (DSA) der EU wird insbesondere für die großen sozialen Netzwerke strengere Regeln zur Moderation von Hass und Propaganda beinhalten und verhaltensbasiertes Werbe-Targeting einschränken. Zumindest besonders sensitive Nutzerdaten sollen dann nicht mehr als Grundlage für Targeting herangezogen werden dürfen.

Apple wiederum lässt Meta mit neuen Datenschutz-Features seine Marktmacht spüren. iPhone- und iPad-Nutzer können das Tracking durch Apps künftig unterbinden. Vielen Menschen ist wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass sich in zahlreichen Apps, die äußerlich nichts mit Facebook und Meta zu tun haben, deren Werbetracker befinden. Meta erwartet allein deshalb Umsatzeinbußen von rund zehn Milliarden US-Dollar im laufenden Geschäftsjahr. Und will seine Tracking-Infrastruktur umbauen, ohne bisher zu sagen, wie.

Das Werbegeschäft wird also stagnieren oder schrumpfen. Und diesen schrumpfenden Kuchen muss Meta sich mit neuen Konkurrenten wie Tiktok teilen. Dabei sind Metas Handlungsoptionen beschränkt. Einfach – wie in der Vergangenheit mit WhatsApp und Instagram – die Konkurrenz aufzukaufen, dürfte in den nächsten Jahren nur schwer möglich sein, da Facebook als marktbeherrschend gilt und eine Übernahme beispielsweise von Tiktok wahrscheinlich nicht von den Aufsichtsbehörden genehmigt würde. Also muss ohne Zukäufe in neue Geschäftsbereiche ausgewichen werden, was Facebook schon länger versucht. So ist mit Libra der Versuch krachend gescheitert, eine Blockchain-basierte Stablecoin zu etablieren. Dieses Scheitern hängt auch mit dem toxischen Ruf zusammen, den Facebook sich mit endlosen Skandalen wie Cambridge Analytica über die Jahre erworben hat. Die Vorstellung, dass ausgerechnet dieser Konzern eine Währung kontrolliert, die alle nutzen, gefiel einfach zu vielen Menschen überhaupt nicht.

In diesem Kontext ist auch die Namensänderung zu sehen. Facebook soll künftig nur noch für das soziale Netzwerk stehen. Der Konzern hingegen heißt jetzt Meta, will sich aufs mutmaßlich kommende Metaverse spezialisieren und dabei so wenig Assoziationen wie möglich mit dem alten Facebook produzieren. Dabei sollte das Metaverse keinesfalls mit virtuellen Welten der Sorte "Second Life" verwechselt werden, auch wenn Meta diese in den Vordergrund stellt, um Virtual-Reality-Brillen zu verkaufen. Das Metaverse ist vor allem eine Strategie, virtuelle Assets rund um Geschichten und Franchises herum vermarkten zu können, die auf vielen verschiedenen Plattformen zugleich stattfinden können. Vorbild ist die Gaming-Industrie, die erfolgreich magische Schwerter, krasse Outfits und sogar virtuelle Immobilien für die Spiel-Avatare vermarktet. Dabei ist letztlich egal, ob per Virtual Reality, Gaming-PC, Smartphone-App oder auch ganz altmodischem Kinobesuch die jeweilige Welt besucht wird.

Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern das Metaverse als das nächste große Ding zu betrachten, ist wahrscheinlich keine schlechte Wette. Die Frage ist trotzdem, ob es Meta gelingen kann, eine dominante Rolle darin zu spielen. Der Konzern verfügt zwar über jede Menge Erfahrung
damit, wie man Menschen und ihr Sozialverhalten Plattformen bindet, und hat einen Hersteller für Virtual-Reality-Brillen eingekauft, aber es ist fraglich, ob das ausreicht. Denn die Welten des Metaverse, in denen die Menschen sich tummeln und Geld ausgeben, werden woanders gebaut: in
Hollywood, bei den Streaming-Anbietern und ganz besonders in der Gaming-Industrie. Da ist es wahrscheinlicher, dass der nächste Platzhirsch "Valve" heißt und nicht "Meta". Aber auch wenn die Strategie scheitert, ist nicht mit einem schnellen Ende von Meta zu rechnen. Dafür ist die Kriegskasse des Konzerns zu gut gefüllt.

(jle)