Zahlen, bitte! – Antonow 225: Schwertransporter der Lüfte mit 242 Weltrekorden
Die An-225 war nicht nur das größte Frachtflugzeug, sondern erlebte auch eine bewegte Geschichte: vom Raumfährenluftfrachter zum Schwertransporter der Lüfte.
Sie war das weltweit größte Flugzeug. Die An-225, war noch ein Relikt aus sowjetischen Raumfahrtzeiten. Ihr Spitzname: "Mrija" (ukrainisch für "Traum"). Ursprünglich wurde sie von dem in der Ukraine ansässigen Hersteller Antonow entwickelt, um die Buran, das sowjetische Space Shuttle zu transportieren. Nach dem Ende der Sowjetunion wurde die An-225 zum internationalen Schwertransporter mit einmaligen Eigenschaften.
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Nach dem Ende des sowjetischen Mondflugprogramms wurde 1974 das Raumfahrtprogramm neu strukturiert. Als Antwort auf das gleichzeitig angekündigte US-amerikanische Space-Shuttle-Programm begann Russland mit der Entwicklung der Raumfähre Buran. Für solch ein Projekt wurde ein Transportsystem fällig. Einerseits musste die Raumfähre vom Werk in Moskau zur Startrampe in Baikonur transportiert werden. Andererseits mussten die Bestandteile der Energija-Trägerrakete ebenfalls dorthin gebracht werden.
In der Anfangszeit wurde die Raumfähre auf der Mjassischtschew WM-T, einem umgebauten Langstreckenbomber, zwischen Moskau und Baikonur transportiert. Das war allerdings nur teilmontiert möglich, da Gewicht gespart werden musste. Mit der Mrija hingegen ließ sich die Raumfähre komplett zu verfrachten.
Größer und breiter als die stattliche An-124
Aus einer Weiterentwicklung der bereits nicht gerade zierlichen An-124 Ruslan entstand die Antonow 225. Sie wurde gegenüber dem Serienmodell jeweils um 15 Meter verlängert und verbreitert. Statt vier erhielt sie sechs Triebwerke. Der Rumpf wurde verstärkt, um die Buran-Raumfähre tragen zu können. Der Querschnitt hingegen blieb von den Dimensionen her gleich. Geändert wurde zudem das Seitenleitwerk, welches doppelt an Enden eines verbreiterten Höhenleitwerks angebracht wurde. Das wurde notwendig, weil die umströmende Luft des Buran-Shuttles ein mittleres Leitwerk nicht mehr umfließen würde. Dafür fiel die hintere Laderampe der An-124 weg.
Das fertige Flugzeug war wahrlich ein Gigant der Lüfte: Ein paar Zahlen: Länge 84 Meter, Flügelspannweite 88,4 Meter. Höhe 18,1 Meter. Der nutzbare Frachtraum war 43,3 Meter lang, 6,4 Meter breit und 4,4 Meter hoch. Wenn man nicht gerade SUVs nehmen würde, hätten dort bis zu 80 Autos Platz gefunden. Die Leermasse betrug circa 175 Tonnen. Huckepack konnte die Mrija 110 Tonnen tragen; innen im Rumpf waren bis zu 250 Tonnen Zuladung zulässig. Die maximale Startmasse betrug mit Fracht und Treibstoff bis zu 640 Tonnen. Möglich machten dies der Schub von sechs Mantelstrom-Triebwerken vom Typ Lotarjow D-18. Sie erreichten jeweils eine maximale Schubkraft von 229,85 kN. Beladen sank die Reichweite von 15.000 Kilometern (ohne Fracht) auf etwa 2500 Kilometer (mit maximaler Auslastung).
Im Jahr 1988 war es für die Mrija so weit: Am 30. November war der Rollout und am 21. Dezember der Erstflug. In den nächsten Monaten wurde die AN-225 ausgiebig getestet und insgesamt 106 Strecken-, Höhen- und Gewichtsrekorde aufgestellt. Dem Westen wurde die AN-225 mit der Buran-Raumfähre auf der Pariser Luftfahrtschau im Juni 1989 gezeigt.
Nach Glasnost im Hangar geparkt
Das Problem war: Die Buran hatte ihren Erstflug bereits im Jahr 1988 hinter sich gebracht. Und aus Kostengründen kamen keine weiteren Flüge hinzu und das Programm wurde 1993 gestoppt. Das hatte auch Folgen für die AN-225 Entwicklung: Eigentlich war der Bau von drei Exemplaren geplant. Der Weiterbau eines zweiten Exemplars wurde nach dem Wegfall des Hauptzwecks gestoppt. Ein zweiter Rumpf im frühen Baustadium ist mit einigen Teilen bis heute im Werk Swjatoschyn, westlich der ukrainischen Hauptstadt Kyjiv eingelagert. Und bis auf ein paar Einsätze in Flugschauen kam die Mrija selbst nicht mehr zum Einsatz und wurde 1994 ebenfalls eingemottet.
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Im Zuge der Unabhängigkeit der Ukraine und Privatisierungen wurde die An-225 um die Jahrtausendwende reaktiviert und flugtauglich gemacht. Am 7. Mai 2001 begann mit einem erneuten Testflug das zweite Leben des einstigen Raumfähren-Transporters. Nun war sie als Schwertransport der Lüfte rund um den Globus im Einsatz. Wenn besonders viele oder sperrige Lasten transportiert werden mussten, kam die An-225 zum Einsatz.
Weltweit verschiedenste Transportszenarien
Neben schweren Einzelstücken wie Generatoren wurde auch Equipment wie Spezialkräne oder medizinisches Material transportiert. 187,6 Tonnen wog ein Generator für ein Kraftwerk, welcher als schwerstes per Flug transportiertes Einzelstück bis ins Guinnessbuch der Rekorde schaffte. Er ging im Jahr 2011 von Frankfurt Hahn bis nach Eriwan in Armenien. Im selben Jahr gelang ein weiterer Rekord ins Buch: Ein Transport der längsten Einzelstücke: Mit 42,1 Meter passten die Windrad-Flügel, die von China nach Dänemark transportiert wurden, grade so in den 43,3 Meter langen Innenraum. Günstig ist so ein Transport nicht: Die Kosten für eine Flugstunde lag im Jahr 2020 bei rund 25.000 €.
Mirja konnte somit problemlos Frachten ausfliegen, die einem manchmal nachts auf der Autobahn als kaum zu überholender Schwertransport begegnen. Ein weiterer Guinnessbuch-Rekord: das Flugzeug mit der größten Startmasse. Die Firma Antonow gibt auf ihrer Website insgesamt 242 Weltrekorde verschiedener Art an.
Mit der Krim-Annexion durch Russland 2014 und damit verbundenen kriegerischen Handlungen verschlechterte sich das Verhältnis zum einstigen Sowjetpartner massiv. Russland erhielt keine Ersatzteile für die noch aktiven Antonow-Modelle. Die An-225 musste für eine Zeit am Boden bleiben, weil sie im Gegenzug keine Ersatzteile für Baugruppen russischer Herstellern bekam.
Zerstört im Angriffskrieg auf die Ukraine 2022
Im Jahr 2020 wurde sie generalüberholt und blieb somit für 18 Monate im Heimatflughafen Hostomel. Eigentlich war ihre Einsatzzeit bis 2033 geplant worden. Nachdem sie wieder einsatzbereit war, flog sie insbesondere in der Coronazeit mehrere Einsätze, in denen sie medizinische Fracht transportierte.
Bis ins Jahr 2022. Im Zuge des Angriffs der russischen Armee kam es am 27. Februar zu Kampfhandlungen um den Flughafen. Die Maschine konnte nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden, da ein Triebwerk zur Wartung ausgebaut war. Schwerer Beschuss traf auch den Hangar und schlug in die Mirja ein. Dass sie sehr schwer und womöglich irreparabel beschädigt wurde, zeigte einige Tage später ein russisches Fernsehteam.
Auch wenn es ein absoluter Nebenaspekt ist, angesichts des Leids, das viele Menschen in dem Angriffskrieg erleiden müssen, so ist die Antonow 225 doch ein Symbol dafür, wie sinnlos ein Krieg vernichtet. Und durch die Zerstörung dieses einzigartigen Flugzeugs fehlt nun weltweit eine Option, schwere Lasten schnell zu transportieren. Der ukrainische Präsident Zelenskyy kündigte bereits an, sie wieder aufbauen zu wollen. Das würde geschätzt drei Milliarden Dollar kosten.
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(mawi)