Sailfish OS: Jolla will russischen Investor loswerden

Der finnische Softwarehersteller sucht nach Investoren, die den russischen Telco Rostelekom ablösen können. Hintergrund ist nicht nur der Ukraine-Krieg.

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Jolla auf dem MWC 2017.

(Bild: heise online)

Lesezeit: 3 Min.

Der für sein Smartphonebetriebssystem Sailfish OS bekannte finnische Softwarehersteller Jolla Oy will seinen russischen Anteilseigner Rostelekom loswerden. Zwar suche das Unternehmen schon "seit einiger Zeit" nach Möglichkeiten, die Anteile russischer Eigner zu reduzieren, erklärte der Verwaltungsratsvorsitzende Samuli Simojoki am Montag auf LinkedIn. Doch spätestens angesichts des Kriegs in der Ukraine sei "klar, dass das Unternehmen ohne die vollständige Ablösung russischer Anteile keine Zukunft hat".

Jolla suche verstärkt nach einer Lösung, die das möglich macht, heißt es weiter. Gespräche über einen Umbau der Eigentümerstruktur liefen bereits mit verschiedenen Stellen. Die finnische Regierung und die Internationale Investitionsbank (IIB) unterstützten das Vorhaben. "Einige europäische Länder" hätten zudem bereits Interesse an einer Partnerschaft signalisiert, wenn die Eigentumsverhältnisse geklärt werden können.

Das Problem ist der russische Telekommunikationsriese Rostelekom, der zu einem Großteil dem russischen Staat und vom Staat kontrollierten Banken gehört. Über die Jahre sei Rostelekom indirekt der größte Anteilseigner von Jolla geworden, habe aber keine Mehrheitsbeteiligung, schreibt Simojoki. "Dass man nicht für ein Unternehmen arbeiten möchte, das indirekt zu einem signifikanten Teil dem russischen Staat gehört, liegt auf der Hand."

2018 klang das noch ganz anders. Da haben die Finnen Rostelekom als neuen strategischen Investor willkommen geheißen. Das Interesse an Sailfish OS war groß in Russland, weil es nicht unter dem Einfluss von Google steht. Neben Südamerika war Russland ein wichtiger Markt für Jolla, den Rostelekom mit seinen Kontakten, Entwicklungskapazitäten und Vertriebsstrukturen für Sailfish OS erschließen helfen sollte.

Inzwischen hat Jolla das aktive Geschäft in Russland eingestellt und wendet sich auch anderen Geschäftsfeldern zu. Auf der CES im Januar haben die Finnen "AppSupport" vorgestellt: Eine Softwareschicht, mit der Android-Apps auf Embedded-Linux-Systemen laufen. Ursprünglich entwickelt für Sailfish OS, will Jolla die Software nun unter anderem der Autobranche andienen. Die Autobauer nutzen Linux für ihre Onboard-Systeme und könnten ihren Kunden mit AppSupport ermöglichen, gängige Apps auch ohne Android Auto laufen zu lassen.

"Unser Unternehmen hat einige interessante Geschäftsmöglichkeiten sowohl im Automobilsektor als auch bei Betriebssystemen", schreibt Simojoki. Aber offenbar üben sich mögliche Interessenten noch in Zurückhaltung, weil ihnen die russische Beteiligung nicht behagt. Deshalb führt Jolla schon seit einiger Zeit Gespräche über eine Neuordnung der Eigentümerstruktur.

Ein möglicher Interessent ist offenbar die Mercedes Benz Gruppe, die laut Simojoki mit Jolla über die Situation spricht. Der deutsche Autobauer ist auch im Aufsichtsrat repräsentiert und will das den Angaben zufolge auch bleiben. Das Unternehmen war am Montagabend nicht für eine kurzfristige Stellungnahme zu erreichen.

(vbr)