Klima und Abhängigkeit: Digitalstaatssekretär mahnt Bürger zum Stromsparen

Es bringe schon etwas, den Stecker beim Fernseher zu ziehen, betont Staatssekretär Stefan Schnorr. Wer CO₂-ärmere Verkehrsmittel nutzt, soll Punkte erhalten.

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(Bild: Krisana Antharith/Shutterstock.com)

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Stefan Schnorr (FDP), Staatssekretär im Bundesministerium für Digitalisierung und Verkehr (BMDV), hält Stromsparen angesichts des Ukraine-Kriegs und der Klimakrise für eine Bürgerpflicht. "Wir müssen die Bürger immer neu fordern, weniger Energie zu verbrauchen", erklärte er am Dienstag beim "Agenda Talk" des Tagesspiegels zu "Tech in Germany". Das fange damit an, den Stecker beim Fernseher zu ziehen. Verbrauchern fehlen oft noch Informationen, was sie tun könnten.

Das BMDV werde das Thema Klimaschutz durch Digitalisierung in der momentan erarbeiteten neuen Digitalstrategie noch vor der Sommerpause "prominent platzieren", kündigte Schnorr an. Geplant sei, ein eigenes Digitalbudget mit bis zu fünf Leuchtturmprojekten aufzusetzen und "Nachhaltigkeit mitzudenken". In vier Jahren soll als Ergebnis davon ein Ruck durch Deutschland gehen.

"Wir machen das auch, um Deutschland als Wirtschaftsnation zu stärken", sagte Schnorr. Auch wenn Deutschland aktuell versuche, sich vor allem von Gas aus Russland zu lösen, werde es immer von anderen Staaten abhängig sein. Der Markt "würde Energieverschwendung gar nicht mehr annehmen".

Digitalisierung an sich "ist nicht gleich Nachhaltigkeit", gab Ralph Hintemann, Gesellschafter des Borderstep Instituts für Innovation und Nachhaltigkeit, zu bedenken. Bitcoin-Mining etwa verbrauche weltweit enorm viel Energie. Mit autonomen Fahrzeugen könnte zudem jedes Kind und jede Oma mit dem eigenen Auto unterwegs sein, was den Ressourcenbedarf deutlich erhöhen würde. Politik und Gesellschaft müssten daher ein "Ausarten" verhindern.

"Wir brauchen klare Regeln", betonte Hintemann. Gefördert werden sollten etwa smarte Gebäude, die "über intelligente Steuerung und Thermostatventile enorme Energiemengen einsparen" könnten. Zudem sollte bei einer Ausweitung von Energiesparlabels auf IT-Geräte und Software das Gesamtsystem betrachtet werden.

Die Digitalbranche könnte etwa beim Streaming anzeigen, "was verbraucht das gerade" und welchen CO₂-Fußabdruck hinterlasse man damit. Selbststartende Videos würden nicht benötigt. Bei vier Milliarden Nutzern im Internet könnte eine Änderung eine ganze Menge ausmachen. Plattformbetreiber sollten auch keine Künstliche Intelligenz (KI) einsetzen, um Nutzer auf dem Portal zu halten.

"Wir können und wollen den Nutzern nicht sagen, wie lange und häufig sie etwas konsumieren", hielt Anna Naether, Leiterin Nachhaltigkeitspolitik bei Google Deutschland dagegen. Viele hätten Videos auch nicht im Hintergrund laufen, sodass die Forderung am Problem vorbeigehe. Der Stromverbrauch auf den Plattformen schlage weniger zu Buche als der für den Weg zum Endnutzer – etwa über Kupfer oder Glasfaser.

Google sei bereits seit 2007 CO₂-neutral. Bis 2030 soll der gesamte Stromverbrauch CO₂-frei aus erneuerbaren Energien gedeckt sein. Eine Milliarde Euro investiere Google dafür in Deutschland, um schon dieses Jahr 80 Prozent aus den Erneuerbaren zu beziehen. Es ergebe auch "wirtschaftlich Sinn, wenn man weniger Energie einkaufen muss".

In Rechenzentren verwende Google einen KI-gesteuerten Algorithmus, der für bis zu 30 Prozent weniger Energieverbrauch sorge. Stromfresser ließen sich damit einfacher erkennen. Die Programmroutine wolle Google Dritten zur Verfügung stellen, um Skalierungseffekte zu erzeugen. Bei Google Maps ließen sich ferner "Eco-Routes" anzeigen, "die am wenigsten CO₂ produzieren".

Von einer Verbotsdebatte hält Schnorr nichts: "Ich kann nicht sagen: Eine Technologie, die verfügbar ist, dürft ihr nicht benutzen." Sinnvoll wäre es, über eine App anzuzeigen, mit welchem Fahrzeug ich komfortabel und CO₂-arm ans Ziel komme. Wer Verkehrsmittel mit einem geringeren Fußabdruck nutze, könne Punkte sammeln und beispielsweise dafür eine Freifahrt durch die Bahn erhalten.

Freiwillige Energiesparlabels, die sich als Standard etablierten, bezeichnete Schnorr zusammen mit Zertifizierungen als gute Sache. Letztere dauerten aber oft zu lange wie bei den umstrittenen intelligenten Stromzählern, bei denen eine Pseudonymisierung oder gar Anonymisierung wichtig sei, um den gläsernen Verbraucher zu verhindern. Bei Smart Metern sei der Prüfprozess nun durch und der Rollout könnte kommen. Eine erweiterte Einbaupflicht sei aber schwierig, da der Zähleraustausch Geld koste. Andere Anreize seien auch hier besser.

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