Glyphosat-Gutachten: Bundesgerichtshof stärkt Informationsfreiheit

Der BGH hat ein Urteil bestätigt, wonach die Veröffentlichung der amtlichen Risikobewertung von Krebsrisiken im Web keine Urheberrechtsverletzung darstellt.

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(Bild: PhotoSGH/Shutterstock.com)

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Die Berliner Transparenzinitiative FragDenStaat hat mit der Publikation eines Glyphosat-Gutachtens des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) auf ihrem Online-Portal nicht gegen das Urheberrechtsgesetz verstoßen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem jetzt veröffentlichten Beschluss vom 27. Januar das entsprechende Urteil des Oberlandesgerichts Köln aus dem vergangenen Jahr bestätigt (Az. I ZR 84/21). Dessen Ansage ist damit rechtskräftig.

Damit endet ein drei Jahre langer Rechtsstreit über die Analyse von Krebsrisiken, die mit dem Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels einhergehen. Das Gutachten hatte FragDenStaat nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes beim BfR angefragt und erhalten. Das dem Bundeslandwirtschaftsministerium unterstehende Amt war aber nicht damit einverstanden, dass die Betreiber der Plattform die Studie im Anschluss online allen Interessierten zur Verfügung stellten: Es sah damit das eigene Urheberrecht verletzt.

Im Rahmen des sich über alle Instanzen erstreckenden Rechtsstreits untersagte das Landgericht Köln (LG) FragDenStaat zunächst im April 2019 per einstweiliger Verfügung, die Risikobewertung zu publizieren. Die Aktivisten riefen daraufhin interessierte Bürger dazu auf, ihr Recht auf Akteneinsicht zu nutzen und das Gutachten selbst beim Bundesinstitut anzufragen. Wenige Monate später hatten sich bereits über 45.000 Nutzer an der Aktion über eine spezielle Petitionsseite beteiligt: Sie erhielten die Studie daraufhin auch offiziell zugeschickt.

Wegen eines Formfehlers durfte die Initiative die Untersuchung im Juli 2019 wieder veröffentlichen. Ende 2020 entschied das LG Köln, dass die Analyse ihren urheberrechtlichen Schutz verloren habe. Es sei bereits so vielen Menschen zugänglich gemacht worden, dass als veröffentlicht gelten könne. Die Publikation sei zudem aufgrund der Zitatfreiheit erlaubt gewesen.

Das vom BfR angerufene Oberlandesgericht Köln stellte sich hinter diese Entscheidung. Das Amt legte daraufhin Beschwerde beim BGH ein. Die Karlsruher Richter wiesen diese mit ihrem Beschluss zurück, "weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat". Zudem griffen die "auf die Verletzung von Verfahrensgrundrechten gestützten Rügen" nicht. Das Recht müsse zudem in dem Fall nicht fortgebildet, eine einheitliche Rechtsprechung nicht gesichert werden. Von einer näheren Begründung sah der BGH ab.

“Wir erleben regelmäßig, dass Behörden sich auf das angebliche Urheberrecht berufen, wenn sie ihre Transparenzpflichten umgehen und die Veröffentlichung von Dokumenten verhindern wollen", begrüßte Arne Semsrott, Projektleiter von FragDenStaat, die Entscheidung aus Karlsruhe. "Dieser Praxis – das Urheberrecht zu einem Zensurheberrecht zu machen – hat der Bundesgerichtshof nun einen Riegel vorgeschoben."

Die Aktivisten feiern so "einen wichtigen Sieg für die Informationsfreiheit in Deutschland". Das BfR hat ihnen zufolge eindrücklich gezeigt, "wie man es nicht machen sollte. In den vergangenen Jahren zahlte es offenbar mehr als 200.000 Euro an Anwälte und Gerichte, um seine Urheberrechtsforderungen gegen uns durchzusetzen – letztlich vergeblich."

Für FragDenStaat ist der Kampf mit dem juristischen Erfolg aber noch nicht ausgefochten: “Wir brauchen jetzt eine gesetzliche Klarstellung, dass die Veröffentlichung behördlicher Dokumente urheberrechtlich grundsätzlich immer zulässig ist", fordern die Macher. Dazu müsse Paragraf 5 des Urheberrechtsgesetzes geändert werden. Einen Vorschlag dazu habe man bereits 2019 gemacht.

(mho)