Meere als CO₂-Speicher: Umsetzung erweist sich als problematisch

Lange Zeit bestand die Hoffnung, dass kostengünstiges Geoengineering helfen könnte, Klimagas im Ozean zu versenken. Neue Studien zeigen: Das stimmt so nicht.

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Ozean, Meer, Wasser

Das Meer ist ein natürlicher CO2-Speicher. Doch wie kann man diesen vergrößern?

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • James Temple
Inhaltsverzeichnis

Eigentlich sind die Ozeane dieser Welt erstaunliche Kohlenstofflager, ja geradezu Schwämme: Sie binden bereits ein Viertel des vom Menschen produzierten Kohlendioxids, wenn das Oberflächenwasser mit dem Treibhausgas in der Luft reagiert oder Meeresorganismen es bei ihrem Wachstum verschlingen. Die Effektivität des Mechanismus Meer hat die Hoffnung geweckt, dass wir diese natürlichen Prozesse irgendwie beschleunigen könnten, um die Klimagasmenge, die die Ozeane abbauen, zu erhöhen und damit den Klimawandel zu verlangsamen.

Es ist eine Idee, die immer mehr Beachtung findet und in die investiert wird. So könnte man durch die Zugabe von Mineralien versuchen, den in den Ozeanen gelösten Kohlenstoff stärker zu binden. Eine Studie, die nun im Journal "Frontiers in Climate" veröffentlicht wurde, deutet jedoch darauf hin, dass eine vielversprechende Version dieser Strategie, die sich auf ein vulkanisches Mineral namens Olivin stützt, ihre Grenzen haben könnte. Theoretisch sollte die Zugabe von gemahlenem Olivin den Alkaligehalt des Meerwassers erhöhen, was dazu beiträgt, den Kohlenstoff im Wasser in eine stabile Form umzuwandeln – und es den Ozeanen damit ermöglicht, mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen.

Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Meeresforschung wollten das überprüfen – und lösten im Versuch feinkörnigen Sand, der hauptsächlich aus Olivin besteht, in künstlichem Meerwasser auf. Über einen Zeitraum von 134 Tagen sank dadurch allerdings die Alkalinität des Wassers, wie die Forscher feststellten, also dessen Säurebindungsvermögen. Dies und andere Faktoren verringerten schließlich die Menge des aus der Atmosphäre entfernbaren Kohlenstoffs um das Fünffache, so die Gruppe – zumindest im Vergleich zum theoretischen Aufnahmepotenzial des Olivins. Zuvor hatten andere Wissenschaftler bereits festgestellt, dass die Lösung von Olivin in gefiltertem künstlichem Meerwasser zu einem geringeren Anstieg der Alkalinität führte als erwartet. In einem Preprint wurden zudem ähnlich frustrierende Ergebnisse für andere Mineralien gefunden, von denen man eigentlich erwartet hatte, dass sie die Aufnahmefähigkeit des Meeres erhöhen.

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Ein anderes Modell, der Anbau von Seegrass und dessen Absenken ins Meer, um Kohlenstoff aufzusaugen und zu speichern, funktioniert ebenfalls schlechter als erhofft. Das Problem: In den kommenden Jahrzehnten wird es von entscheidender Bedeutung sein, praktikable Wege zur Reduzierung von Treibhausgasen zu finden. In einem Bericht der National Academies of Science vom Dezember über die ozeanbasierte Kohlenstoffspeicherung wurde festgestellt, dass die Welt bis zur Mitte des Jahrhunderts möglicherweise zusätzlich 10 Milliarden Tonnen jährlich aufnehmen muss, um die Erwärmung auf 2 ˚C zu begrenzen.

Nach Angaben der Forschungsgruppe Ocean Visions könnte die Erhöhung der Alkalinität der Ozeane theoretisch allein mehrere Milliarden Tonnen pro Jahr an Klimagas reduzieren. Das Gremium der National Academies merkt jedoch an, dass dies die Gewinnung, das Zerkleinern und den Transport von Gestein in ähnlichem Umfang erfordern würde, was ebenfalls erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben würde. Die neuen Studien haben noch keine endgültige Aussage darüber getroffen, ob eine dieser Methoden wirklich geeignet ist, die Ziele zu erreichen.

Michael Fuhr, einer der Autoren der Olivinstudie und Doktorand am GEOMAR, sagt jedoch, dass die Ergebnisse darauf hindeuten, dass dieser Ansatz "nicht so einfach ist wie bisher angenommen". Er fügt hinzu, dass es nur an bestimmten Orten gut funktioniert, an denen die Chemie des Ozeans stimmt. Dazu könnten Gebiete gehören, in denen das Wasser einen niedrigen Salzgehalt aufweist, aber reich an organischen Sedimenten ist, die den Säuregehalt erhöhen. Fuhr und Co. sagen, dass weitere Laborexperimente und eine Feldforschung erforderlich sind, um festzustellen, wie gut die Verfahren in der Praxis funktionieren, wie sie unter idealen Bedingungen aussehen könnten und ob nicht andere Stoffe statt Olivin vielversprechender sind.

Maria-Elena Vorrath, Forscherin am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, erklärte in einer E-Mail, dass die Studie zeige, dass der Olivinprozess nicht so funktioniert, wie man angenommen habe. Sie betonte jedoch, dass das Mineral "eine der dauerhaftesten und vielversprechendsten Methoden ist, die uns die Natur bietet". Damit diese nutzbar wird, müssten wir aber zunächst mehr darüber lernen. Das System Ozean ist komplexer als ein Laborversuch.

Das Unternehmen Project Vesta plant seit mehreren Jahren einen Feldversuch in der Karibik, bei dem Olivinsand an Stränden oder in flachen Gewässern ausgebracht werden soll. Es hat auch Laborexperimente und toxikologische Tests durchgeführt und plant Feldversuche an der Ostküste der USA, sagt Tom Green, der Geschäftsführer.

Project Vesta begann als gemeinnütziges Unternehmen, ist aber jetzt eine so genannte Public Benefit Corporation. Diese verfolgt das Ziel, Gewinne zu schreiben, dabei aber auch einen sozialen Nutzen zu haben. Man hofft, irgendwann Verschmutzungsrechte für Treibhausgase zu verkaufen, die mit Olivin wieder entfernt wurden, sagt Green.

Eine Handvoll weiterer Start-ups arbeitet an anderen Möglichkeiten, die Kohlendioxidaufnahme der Ozeane zu erhöhen, unter anderem durch elektrochemische Verfahren. Dazu gehören Ebb Carbon, Planetary Technologies und Seachange, die allesamt bereits Tonnen an Klimaausgleichsgutscheinen an Internet-Unternehmen wie Shopify und Stripe verkauft haben.

In der Zwischenzeit hat das Gremium der National Academies die Einrichtung eines mit 125 Millionen US-Dollar dotierten Forschungsprogramms gefordert, um zu untersuchen, wie wir Möglichkeiten entwickeln könnten, diese Prozesse zu beschleunigen. Dabei müssten auch mögliche Nebenwirkungen ermittelt werden – und vor allem zuverlässige Messmethoden zur Überprüfbarkeit.

"Die Geochemie der Ozeane ist sehr komplex", sagt Wil Burns, Gastprofessor an der Northwestern University, der sich mit Kohlenstoffabbau beschäftigt. "Wir müssen diese Forschung unter sehr unterschiedlichen Bedingungen und in verschiedenen Maßstäben mehrfach wiederholen." Erst dann sei nachweisbar, dass sie wirklich in großem Maßstab funktioniert und eine Kommerzialisierung sinnvoll ist.

(bsc)