Bundesrechnungshof: Cyber-Lagezentrum der Bundeswehr nicht einsatzbereit

60 Millionen Euro kostete das Cyber-Lagezentrum – einsatzbereit ist es nicht. Der Bundesrechnungshof hat noch weitere schiefe Digitalisierungen festgestellt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 290 Kommentare lesen

(Bild: Bundeswehr / Martina Pump)

Lesezeit: 5 Min.

Das Cyber-Lagezentrum, für das die Bundeswehr bisher 60 Millionen Euro ausgegeben hat, ist nicht einsatzbereit. Es könne nicht wie vorgesehen im nächsten Jahr die schnelle Eingreiftruppe der NATO mit einem "fusionierten Lagebild" unterstützen, schreibt der Bundesrechnungshof in einer aktuellen Ergänzung zu seinen Prüfergebnissen für 2021. Darin bemängelt er weitere digitale Projekte, die Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn und 500 Millionen Euro, die jährlich für Energieforschung "im Blindflug" ausgegeben würden.

Die Bundeswehr will mit dem Cyber-Lagezentrum, das seit fünf Jahren aufgebaut wird, zum Beispiel geheime Informationen verarbeiten, um die Bundeswehr in Einsätzen zu unterstützen. Bei dem IT-Projekt dazu sei sie von den üblichen planungsintensiven Verfahren abgewichen, um das Cyber-Lagezentrum zumindest in Teilen schneller einsatzbereit zu haben, schreibt der Bundesrechnungshof. Dennoch sei das Cyber-Lagezentrum bislang nicht wie vorgesehen nutzbar.

"Aufgrund gravierender Probleme erwog die Bundeswehr zwischenzeitlich zwar, das IT-Projekt zum Cyber-Lagezentrum abzubrechen, sie schloss dies jedoch vorschnell wieder aus", urteilen die Rechnungsprüfer. Stattdessen habe sie den Aufbau des Cyber-Lagezentrums unterbrochen, um verschiedene Optionen zu prüfen und zu entscheiden, wie sie es weiter aufbauen will. Nun sei offen, ob und wann das Cyber-Lagezentrum die Bundeswehr unterstützen könne. Das Bundesverteidigungsministerium sollte nach Meinung des Bundesrechnungshofs "das IT-Projekt nur fortsetzen, wenn es dieses höher priorisiert als andere Projekte und daher ausreichend Personal und Haushaltsmittel dafür bereitstellen kann".

Angesichts der 100 Milliarden Euro Sondervermögen, die die Bundesregierung für die Bundeswehr im Grundgesetz festschreiben will, steht die deutsche Armee unter besonderer Beobachtung. Dabei dürfte nicht gut ankommen, dass die Korruptionsprävention im größten Beschaffungsamt der Bundeswehr Beschäftigte länger als vorgesehene fünf Jahre, also deutlich zu lange auf besonders korruptionsgefährdeten Dienstposten eingesetzt werden, wie der Bundesrechnungshof moniert.

Weiter haben die Rechnungsprüfer festgestellt, dass die Bundeswehr seit 2006 mehr als 50 Millionen Euro für ungenutzte Software eines "bestimmten Anbieters" ausgegeben hat. Falls das Verteidigungsministerium die Situation nicht ändere, werde die Bundeswehr dem Anbieter weiter jährlich mindestens 5 Millionen Euro bezahlen, damit dieser die ungenutzte Software pflegt.

Außerdem will die Bundeswehr die elektronische oder kurz E-Akte einführen und dafür weitere 110 Millionen Euro ausgeben, "obwohl die Software noch viele Mängel hat, wesentliche Anforderungen nicht erfüllt und kaum genutzt wird", schreibt der Bundesrechnungshof. Bislang habe die Bundeswehr 52 Millionen Euro ausgegeben, um die Software zunächst für 35.000 Beschäftigte in ausgewählten Dienststellen einzuführen. Trotz der Schwierigkeiten sollen nun weitere 155.000 Beschäftigte eine E-Akte bekommen und die Software dann im Betrieb fertig entwickelt werden. Besser sollten vorher die wesentlichen Mängel der Software beseitigt werden, meinen die Rechnungsprüfer.

Neben dem Verteidigungsministerium bekommt auch das Bundeswirtschaftsministerium sein Fett ab. Es fördere die Energieforschung mit 500 Millionen Euro, ohne genau zu wissen, ob, wann und wie die Ergebnisse zum Gelingen der Energiewende beitragen, also Marktreife erlangen. Darüber habe das Wirtschaftsministerium aber keine gesicherten Erkenntnisse. "Es schätzt lediglich, dass ein Drittel der Projekte zwei bis fünf Jahre nach Projektende in eine wirtschaftliche Umsetzung münden", schreibt der Bundesrechnungshof. "Als Erfolg sieht es schon, wenn die geplanten Ausgaben für die Energieforschung weiter gestiegen sind und das Geld vollständig ausgegeben wurde." Das Ministerium sei hier also weitgehend im "Blindflug" unterwegs.

Weiter mit den Ohrfeigen, jetzt fürs Verkehrsministerium: Dieses nehme seit Jahren hin, dass zu viele Züge des Fernverkehrs unpünktlich fahren. Das Ministerium wirke nicht ausreichend darauf hin, dass die Deutsche Bahn die Pünktlichkeit des Fernverkehrs steigert, meinen die Prüfer. Die Pünktlichkeitsquote als eine der wichtigsten Kennzahlen für den Zustand der Deutschen Bahn befinde sich seit zehn Jahren auf einem unbefriedigenden Niveau, 2021 sei sogar jeder vierte Zug unpünktlich gewesen. Zwar bekämen Vorstandsmitglieder der Bahn je nach Pünktlichkeit einen Bonus ausgezahlt, die vereinbarten Pünktlichkeitsziele seien aber wenig ambitioniert und so kein Anreiz für mehr Pünktlichkeit, meint der Bundesrechnungshof.

Er hat auch das Bundesinnenministerium auf dem Kieker. Dieses erwecke in seinen Berichten und im Internet fälschlicherweise den Eindruck, die Digitalisierung der Verwaltung sei bereits weit vorangeschritten. Tatsächlich habe der Bund im Herbst 2021 erst 58 von 1532 seiner Verwaltungsleistungen wie vorgesehen digitalisiert, etwa rund 4 Prozent, rechnet der Bundesrechnungshof vor. Da das Ministerium den Projektfortschritt beschönigend darstelle, bestehe die Gefahr, dass der Bund die milliardenteure Verwaltungsdigitalisierung nicht angemessen steuern könne. Und es weckt bei Bevölkerung und Unternehmen falsche Erwartungen an das Online-Angebot der Verwaltung.

(anw)