Rot-Grün nimmt bei Informationsfreiheit und Datenschutz neuen Anlauf

Was die Koalitionsvereinbarung im Bereich Medien-, Telekommunikations- und Internetpolitik bringt.

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Außer heftigem Sparen, neuen Einnahmen mittels Abgabenerhöhungen und beispielsweise Zoff um die Abschaltung des ersten Atomkraftwerks gibt es von dem Koalitionsvertrag für die neue Bundesregierung auch andere Themen zu vermelden: Die vom Wähler knapp bestätigte rot-grüne Koalition will in ihrer zweiten Regierungsperiode einige der Pläne im Hightech-Bereich umsetzen, die in den vergangenen vier Jahren unter den Tisch fielen. Wie aus Fraktionskreisen zu erfahren war, soll in der Koalitionsvereinbarung beispielsweise die Verwirklichung der zweiten und umfassenden Stufe der Datenschutznovelle in Angriff genommen werden. Für ihre Umsetzung liegt seit einem Jahr ein ausführliches Professorengutachten vor, das die Weichen auf mehr Transparenz bei der personenbezogenen Datenverarbeitung sowie auf Systemdatenschutz und Selbstschutz der Nutzer stellen will. Dass die Blaupause für ein modernes Datenschutzrecht nach dem 11. September in den Schubladen des Bundesinnenministeriums verschwand, brachte der Regierung im Sommer heftige Kritik ein.

Einen zweiten Anlauf will Rot-Grün auf Drängen des kleineren, aber gestärkt aus den Wahlen hervorgehenden Partners auch beim Informationsfreiheitsgesetz starten, das seit langem von Bürgerrechtlern angemahnt wird. Wie schon 1998 soll sich eine entsprechende Absichtserklärung wieder in der Vereinbarung finden. Das grüne Prestigeprojekt war im Frühsommer endgültig unter die Räder der Ministerialbürokratie geraten. Ob es Joschka Fischer und seiner Truppe diesmal gelingen wird, den Geheimhaltungswillen der Beamten zu brechen, wird sich aber wohl erst im Verlauf der Legislaturperiode zeigen.

Weniger Bereitschaft, sich in der Koalitionsvereinbarung festzulegen, besteht bei Fragen des geistigen Eigentums. Eine klare Einigung zu Punkten wie der Einführung von Softwarepatenten konnten die rot-grünen Verhandlungspartner in ihren Gesprächen zum Thema "Inneres und Recht" Ende vergangener Woche nicht erzielen. Nun sollen offene Formulierungen wie "Schaffung von Rechtssicherheit für kleine und mittlere Unternehmen" oder "Schutz von Open-Source-Software" gewährleisten, dass hierzulande die von Brüssel angestrebte Einführung von Patenten auf Computerprogramme mit "technischem Charakter" nicht zur Bedrohung der IT-Industrie gerät. Wenig Konkretes wird im Koalitionsfahrplan auch für die theoretisch noch in diesem Jahr anstehende, heftig umstrittene Urheberrechtsnovelle zu lesen sein. Vorsorglich meldete das "Forum der Rechteinhaber", zu dem Medienkonzerne genauso gehören wie die GEMA und zahlreiche Verbände, aber schon einmal "Nachbesserungsbedarf" an. Demnach "müssen" etwa Unterlassungs- und Auskunftsansprüche gegen Provider" ins Gesetz aufgenommen werden.

Streckenweise kopflos ging es in den knapp zweiwöchigen Fraktionsverhandlungen bei den Punkten Medien- und Telekommunikationsrecht zu -- zum Teil bedingt durch die Rückkehr des ehemaligen Kulturstaatsministers Julian Nida-Rümelin (SPD) an die Alma Mater in Göttingen. Noch unklar ist, ob Teile der Medien- und Rundfunkpolitik überhaupt von der künftigen Amtsinhaberin, der parteilosen Christina Weiss, verantwortet werden sollen. Im Gespräch ist auch, sie dem neuen "Superminister" für Arbeit und Wirtschaft, Wolfgang Clement, unter die Fittiche zu geben, der sich als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident gern als Medienpolitiker verstand. Der Bereich würde durch diesen Wechsel wirtschaftlich aufgewertet, auch wenn der Deutsche Kulturrat eine "Rolle rückwärts" befürchtet. Wenig Greifbares erwarten Beobachter auch für die anstehende Reform des Telekommunikationsgesetzes, an der sich gerade die Lobbyisten die Zähne ausbeißen.

Um das herrschende Wirrwar in der Medienpolitik zu entknoten, wird die Koalitionsvereinbarung nach einer Plattform zur Koordination der Medienreform rufen. Erfreulich dürfte sein, dass in Zukunft die "Besonderheiten" von Medien wie Rundfunk, Print oder Internet bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden sollen. Hatte doch bis vor kurzem die Übertragung geltenden Rechts auf das Netz zu seltsamen Vorstößen wie der Einführung einer "Sendezeitbegrenzung" für den Online-Bereich geführt. Enthalten sein wird im rot-grünen Papier ferner ein Passus, wonach das Thema "Gewalt in den Medien" weiter behandelt werden soll. Im August hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder allerdings den "Runden Tisch" zu dieser Frage platzen lassen, um vor den TV-Kameras symbolisch gegen das Hochwasser zu kämpfen.

Erst richtig los gehen wird es nach der Veröffentlichung des Koalitionsvertrags mit dem Postenschacher. So gilt es vor allem noch einige Staatssekretärsstellen zu besetzen. Im Gespräch für eine solche Aufgabe ist im Forschungsministerium unter anderem Jörg Tauss, der bisherige Sprecher der SPD in diesem Bereich. Ob es der seiner Fraktion auch als Beauftragter für Neue Medien dienende Netzpolitiker der ersten Stunde schaffen wird, ist aber noch offen.

Siehe zum Ergebnis der Bundestagswahl und zur Diskussion über die Koalitionsvereinbarung auch:

  • Der Erfolg des Forums zur Bundestagswahl 2002 hat uns gezeigt, dass sich auch Computer-Enthusiasten und IT-Spezialisten über die aktuelle Tagespolitik austauschen wollen. Wir führen das Forum daher unter einem neuen Namen weiter, um den Lesern von heise online die Gelegenheit zu geben, ihre Ansichten zu aktuellen politischen Themen zu diskutieren.

(Stefan Krempl) / (jk)