Europäischer Gerichtshof: Urteilsverkündungen und Verhandlungen werden gestreamt

Um den Zugang der Öffentlichkeit an der Rechtsprechung zu erleichtern, bietet der EuGH von kommender Woche an ein Streaming-System für einige Sitzungen an.

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(Bild: mixmagic/Shutterstock.com)

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) will sich stärker gegenüber der Öffentlichkeit öffnen und eine virtuelle Teilnahme an ausgewählten Sitzungen aus der Ferne technisch ermöglichen. Vom 26. April an setzt das oberste EU-Gericht dafür auf ein Streaming-System, teilte es am Freitag mit. Demnach sollen Urteilsverkündungen sowie die Verlesung der Schlussanträge der Generalanwälte, die als Empfehlung für spätere Entscheidungen der Luxemburger Richter dienen, künftig live übertragen werden.

Das Live-Streaming erfolge derzeit nur bei Rechtssachen, die der Großen Kammer zugewiesen worden seien, führt der EuGH aus. Die Übertragung starte dann jeweils zu Beginn der Sitzungen zu den Zeiten, die im Gerichtskalender angegeben sind.

Die mündlichen Verhandlungen in Rechtssachen der Großen Kammer des Gerichtshofs sollen während einer Pilotphase von sechs Monaten grundsätzlich ebenfalls gestreamt werden – allerdings zeitversetzt. Vormittagssitzungen können dann am selben Tag von 14:30 Uhr an verfolgt werden. Finden die Verhandlungen nachmittags statt, ist eine Übertragung am Folgetag ab 9:30 Uhr vorgesehen. Ein späterer Abruf zu beliebigen Zeiten ("on demand") ist nicht möglich.

Die Streamings sollen es den Bürgern ermöglichen, die Sitzungen so zu verfolgen, als wären sie physisch vor Ort anwesend. Die Verhandlungen werden daher dem EuGH zufolge "simultan in die Sprachen verdolmetscht, die für den reibungslosen Ablauf der Sitzung erforderlich sind".

Eine der ersten übertragenen Verhandlungen in einem größeren Fall im Digitalbereich wird die zum Streit über Facebooks Datensammelei sein. Das Bundeskartellamt legte dem Betreiber des sozialen Netzwerks dazu erhebliche Einschränkungen auf, wogegen sich die Tochter des Meta-Konzerns gerichtlich wehrt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bat daher im vorigen Jahr den EuGH, einschlägiges EU-Recht zu verdeutlichen. Die Verhandlung soll am 10. Mai erfolgen. Bereits am 18. April werden die Luxemburger Richter ihr Urteil fällen, ob Verbraucherschutzverbände gegen Datenschutzverletzungen durch Facebook Sammelklage erheben dürfen.

Hierzulande schuf der Bundestag 2017 die gesetzliche Grundlage dafür, dass Interessenten wichtige Urteilsverkündungen der obersten Bundesgerichte prinzipiell live im Fernsehen, Radio oder übers Internet verfolgen können. Damit wollten die Abgeordneten die Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren erweitern und mehr Menschen den Rechtsstaat näherbringen. Tribunale wie das Bundesverfassungsgericht, der Bundesgerichtshof sowie die höchsten Instanzen etwa für patent- oder arbeitsrechtliche Streitigkeiten müssen im Einzelfall einer solchen Live-Übertragung aber erst zustimmen.

Bei mündlichen Verhandlungen ist der hiesige Gesetzgeber restriktiver gewesen als nun der EuGH. So ist es hierzulande in diesem Fall nur möglich, Tonaufnahmen in einen Arbeitsraum direkt vor Ort für Medienvertreter zu übertragen. Daneben besteht die Möglichkeit, Gerichtsverfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken vollständig aufzuzeichnen. Dies ist auf Tonaufnahmen begrenzt. Zuvor war es generell verboten, Rundfunkaufnahmen in Gerichtssälen zu machen.

(bme)