Wie Mikroorganismen aus dem Labor den CO₂-Ausstoß von Flugzeugen senken

Start-ups versuchen seit längerem, grünes Kerosin zu erzeugen. Cemvita Factory aus Texas hat eine besondere Methode.

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(Bild: Cemvita Factory)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Casey Crownhart
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United Airlines, eine der größten Fluggesellschaften der Welt, interessiert sich für Kerosin aus dem Labor. Lieferant soll ein Start-up sein, das mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroben, Licht und Kohlendioxid versucht, eine Alternative zu erdölbasierten Produkten herzustellen.

Der Luftverkehr ist für etwa 3 Prozent der weltweiten Kohlendioxidemissionen verantwortlich – fast eine Gigatonne im Jahr 2019. Dieser Wert steigt weiter – und es sind nur wenige Lösungen für das Problem in Sicht. Bei anderen Verkehrsträgern gibt es zumindest Ansätze für Alternativen, etwa Akkus oder Wasserstoffantriebe bei Autos. Flugzeuge bleiben jedoch eine besonders schwierig neu zu erfindende Verkehrstechnologie.

Ein billiger, durch Bakterien herstellbarer Treibstoff könnte die Emissionen des Luftverkehrs senken und dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren. Kraftstoffe aus Mikroorganismen wurden schon früher ohne kommerziellen Erfolg erprobt, aber Fortschritte in der (Synthetischen) Biologie und großzügigere Finanzierungen aufgrund des CO2-Ausgleichs könnten dazu führen, dass neuere Firmen endlich einen Durchbruch sehen.

United finanziert das Unternehmen Cemvita Factory mit, das die mikrobielle Herstellung von Düsentreibstoffen entwickelt. Dies ist einer der zahlreichen Versuche dieser und anderer Fluggesellschaften im Bereich der alternativen Kraftstoffe. "Wir sehen bis heute keine Alternative zum Flüssigtreibstoff", sagt Andrew Chang, Direktor von United Airline Ventures, der Risikokapitalabteilung des Unternehmens.

Der Hauptansatz von Cemvita beruht auf photosynthetischen Mikroben, so genannten Cyanobakterien, die Licht und Kohlendioxid zum Wachstum nutzen. Durch gentechnische Veränderungen erzeugt das Unternehmen Organismen, die die gewünschten chemischen Stoffe produzieren – in diesem Fall Bestandteile von Flugzeugtreibstoff.

Die genauen Details werden derzeit noch ausgearbeitet. Cemvita wird die Mittel von United unter anderem nutzen, um seine Verfahren im Labormaßstab zu entwickeln und dann marktfähig zu machen, sagt Roger Harris, Chief Commercial Officer der Firma aus Texas. Cemvita arbeitet auch an der Verwendung seiner Mikroben zur Herstellung von Ethylen, einem Baustein verschiedener Kunststoffe.

Der Kraftstoff von Cemvita könnte nahezu kohlenstoffneutral sein, da die Mikroben Kohlendioxid verbrauchen, sagt Moji Karimi, CEO von Cemvita. Bei der Verbrennung des Kerosins würden zwar immer noch Emissionen entstehen, aber diese würden teilweise durch den Kohlenstoff ausgeglichen, der bei der Herstellung des Brennstoffs gebunden wurde.

Was das Licht betrifft, das die Mikroben benötigen, wird Cemvita wahrscheinlich künstliches in den Reaktoren verwenden, sagt Harris. Das Sonnenlicht ist zwar kostenlos, aber wenn man sich auf die Sonne verlässt, wären die Möglichkeiten, wie und wo das Unternehmen seine Produktionsanlagen bauen könnte, begrenzt. Entsprechend muss der Strom dafür selbst aus erneuerbaren Quellen kommen.

Cemvita ist bei weitem nicht das erste Unternehmen, das versucht, Kraftstoffe mit Hilfe von künstlichen Mikroben herzustellen. Unternehmen wie LS9, das 2005 gegründet wurde, und Joule Unlimited, das 2007 entstanden ist, haben im Zuge des Biokraftstoffbooms große Investitionen getätigt und in der Öffentlichkeit für Aufsehen gesorgt. Schließlich kamen die meisten dieser Bemühungen zum Stillstand oder schwenkten in andere Bereiche ab. LS9 wurde 2014 verkauft, Joule 2017 gar geschlossen.

Unternehmen, die sich mit mikrobiellen Kraftstoffen befassen, sehen sich heute möglicherweise mit einer anderen Welt konfrontiert, sagt David Berry, einer der Mitbegründer von Joule Unlimited und LS9, der jetzt als Biotechnologie-Investor bei Flagship Pioneering tätig ist. Die Werkzeuge für die Gentechnik hätten sich dramatisch verbessert, sagt er. Die Forscher sind heute in der Lage, passende Gene viel schneller zu finden und zu testen – und die Techniken, sie in das Erbgut von Mikroben einzubauen, sind präziser geworden.

Auf der anderen Seite gibt es nach wie vor finanzielle Herausforderungen. Als die Ölpreise fielen, war es für Joule schwierig, genügend Geld für den Bau großer Demonstrationsanlagen aufzutreiben, sagt Berry. Die Investoren sind heute vielleicht eher bereit, langfristige Projekte zu finanzieren, aber ein Abschwung zur falschen Zeit könnte immer noch Probleme mit sich bringen. Die Öl- und Gaspreise sind hoch.

Cemvitas Kraftstoffe haben also noch einen langen Weg vor sich – einen Weg, der mit den Leichen anderer Biokraftstoff-Start-ups gepflastert ist. Selbst die Eroberung eines winzigen Teils des Marktes für Kerosin dürfte große Mengen an Geld und Zeit erfordern. Aber mit der Unterstützung von United hofft das Biotech-Unternehmen, nun endlich durchzustarten.

(bsc)