Das einem Menschen eingesetzte Schweineherz war mit einem Virus infiziert

Die erste Transplantation eines gentechnisch veränderten Tierorgans endete vorzeitig – möglicherweise aufgrund eines bekannten und vermeidbaren Risikos.​

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(Bild: University of Maryland School of Medicine)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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Das Schweineherz, das einem US-amerikanischen Patienten Anfang dieses Jahres in einer bahnbrechenden Operation transplantiert wurde, war mit einem Schweinevirus infiziert. Der könnte das Experiment zum Scheitern gebracht und zwei Monate später zum Tod des Patienten beigetragen haben, sagen Transplantationsspezialisten.

David Bennett Sr. war dem Tod nahe, als er im Januar ein genetisch verändertes Schweineherz in einer artübergreifenden Transplantation erhielt. Der Eingriff wurde als Erfolg gepriesen und er war es zunächst auch. Einige Tage, nachdem sein Herz durch ein Schweineherz ersetzt worden war, saß Bennett aufrecht im Bett. Sein neues Organ pumpte fantastisch und "funktionierte wie ein Rockstar", wie sein Transplantationschirurg Bartley Griffith von der University of Maryland School of Medicine sagte.

Doch etwa 40 Tage später ging es dem 57-jährigen Patienten schlechter. Nach zwei Monaten starb er. In einer von der Universität im März herausgegebenen Erklärung sagte ein Sprecher, dass zum Zeitpunkt seines Todes "keine offensichtliche Ursache festgestellt werden konnte" und dass ein vollständiger Bericht noch ausstehe.

Nun hat MIT Technology Review erfahren, dass Bennetts Herz vom porcinen Cytomegalovirus befallen war, einer vermeidbaren Infektion, die verheerende Auswirkungen auf Transplantationen hat. Griffith berichtete von den verzweifelten Bemühungen, das Schweinevirus zu bekämpfen, während eines online gestreamten Webinars der American Society of Transplantation vom 20. April.

Das Thema ist jetzt Gegenstand einer breiten Diskussion unter Fachleuten, die glauben, dass die Infektion möglicherweise zu Bennetts Tod beigetragen hat und ein möglicher Grund dafür ist, dass das Herz nicht länger geschlagen hat. "Wir beginnen zu verstehen, warum er gestorben ist", sagt Griffith. Der Transplantationschirurg glaubt, dass das Virus "vielleicht der Auslöser war oder gewesen sein könnte, der die ganze Sache in Gang gesetzt hat."

Der Eingriff in Maryland war ein wichtiger Test für die Xenotransplantation, also die Übertragung von Gewebe zwischen verschiedenen Tierarten. Da die für die Organspende gezüchteten Schweine jedoch virusfrei sein sollen, scheint das Experiment nun durch einen unbeabsichtigten Fehler gefährdet zu sein. Das Biotechnologieunternehmen Revivicor, das die Schweine gezüchtet und entwickelt hat, lehnte eine Stellungnahme ab und hat auch keine öffentliche Erklärung zu dem Virus abgegeben.

"Es war überraschend. Das Schwein sollte eigentlich frei von allen Krankheitserregern sein, und dies ist ein bedeutender Erreger", sagt Mike Curtis, Geschäftsführer des Konkurrenzunternehmens eGenesis, das ebenfalls Schweine für Transplantationsorgane züchtet. "Hätte Mr. Bennett ohne das Virus überlebt? Wir wissen es nicht, aber die Infektion hat nicht geholfen. Sie hat wahrscheinlich zum Versagen beigetragen."

Der Nachweis des Schweinevirus im Herzen von Bennett ist nicht unbedingt eine rein schlechte Nachricht für die Xenotransplantation. Wenn ein Schweinevirus eine Rolle spielte, könnte dies bedeuten, dass virenfrei transplantierte Schweineherzen viel länger halten könnten. Einige Chirurgen glauben, dass die neuesten gentechnisch veränderten Organe theoretisch jahrelang weiterschlagen könnten – und mit strengeren Verfahren sollte es möglich sein, das Virus herauszufiltern. "Wenn dies eine Infektion war, können wir sie in Zukunft wahrscheinlich verhindern", sagte Griffith während seiner Präsentation.

Das größte Hindernis für Organtransplantationen bei Tieren ist das menschliche Immunsystem, das fremde Zellen in einem als Abstoßung bezeichneten Prozess heftig attackiert. Um Abstoßungsreaktionen zu vermeiden, haben Unternehmen Schweine gentechnisch verändert und ihnen einige Gene entfernt sowie andere hinzugefügt, um ihrem Gewebe ein Tarnkappenprofil zu verleihen, das es vor Immunangriffen versteckt. Bei dem in Maryland verwendeten Schwein hatte Revivicor, eine Tochtergesellschaft von United Therapeutics, dafür zehn Genveränderungen vorgenommen.

Nach vielversprechenden Tests solcher Schweineorgane an Pavianen haben drei US-Transplantationsteams die ersten Studien am Menschen gestartet, die Ende 2021 beginnen sollen. Chirurgen der New York University und der University of Alabama haben hirntoten Menschen jeweils eine Schweineniere eingesetzt. Aber die University of Maryland ging noch einen Schritt weiter, als der Chirurg Griffith Anfang Januar ein Schweineherz in Bennetts Brust einpflanzte.