Big-Tech-Regeln: Großbritannien klont den Digital Markets Act der EU

Die britische Regierung hat Pläne vorgelegt, wie sie im Technologiesektor die Dominanz großer Plattformen wie Apple, Google und Facebook brechen will.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Big,Five,Companies.,Big,Tech,Company,Logos:,Alphabet,,Amazon,,Apple,

(Bild: Ascannio/Shutterstock)

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

In Großbritannien sollen neue "Fair Play"-Vorschriften und Wettbewerbsinstrumente helfen, die Macht der größten Technologieunternehmen zu brechen. Geplant ist, etwa den Wechsel zwischen Handy-Betriebssystemen zu erleichtern. Betroffene Konzerne wie die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley sollen daran gehindert werden, dass sie durch ihre Größe und schiere Allgegenwart kleinere Akteure aus dem Markt drängen. Bei Verstößen stehen schwere Sanktionen im Raum.

Im Zentrum der am Freitag verkündeten Initiative der britischen Regierung steht eine neue Abteilung für digitale Märkte, die in der Wettbewerbsbehörde des Landes angesiedelt werden soll. Diese Digital Markets Unit (DMU) wird dem Plan nach die Befugnis haben, Geldstrafen von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes der erfassten Unternehmen zu verhängen. Die Bußgelder könnten so leicht in den Bereich von Milliarden Euro gehen – zumal die Aufsichtsbehörde befugt sein soll, für jeden Tag, an dem ein Verstoß andauert, weitere fünf Prozent auf die Strafe aufzuschlagen.

Das Vorhaben erinnert stark an den Digital Markets Act (DMA), auf den sich die EU-Gesetzgebungsgremien im März einigten. Mit einem neuen kartellrechtlichen Werkzeugkasten sollen damit dominante "Gatekeeper" im Netz wie Amazon, Apple, Booking.com, Google und Facebook davon abgehalten werden, unfaire Praktiken auszuüben. "Torwächter" müssen ihre Messenger-Dienste künftig interoperabel gestalten.

Endnutzer sollen mit der EU-Verordnung technisch in die Lage versetzt werden, voraufgespielte Softwareanwendungen einfach zu deinstallieren und die Standardeinstellungen zu ändern. Marktmächtige Gatekeeper riskieren auch in der EU künftig bei Verstößen Geldstrafen von bis zu zehn Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes, im Wiederholungsfall sogar 20 Prozent.

Eigentlich wollte Großbritannien mit dem Brexit von der EU-Gesetzgebung unabhängiger werden. Die von der Regierung in London vorgelegte Skizze zur Tech-Regulierung wirkt teils aber wie vom DMA abgeschrieben. So zielen auch die britischen Vorschläge darauf ab, den Wechsel zwischen Apple iOS- und Android-Telefonen oder zwischen Konten in sozialen Medien zu erleichtern. Daten und Nachrichten sollen dabei nicht verloren gehen.

Smartphone-Nutzer "könnten eine größere Auswahl an Suchmaschinen" und an sozialen Netzwerken erhalten, verspricht die Exekutive in London. Neuen Anbietern werde es leichter fallen, auf den Markt zu kommen. Die User erhielten zudem "mehr Kontrolle darüber, wie ihre Daten von Unternehmen verwendet werden". Große Tech-Firmen sollen kleinere Unternehmen ferner vor Änderungen ihrer Algorithmen, die den Datenverkehr und die Einnahmen steigern, warnen müssen.

Nach den geplanten Vorschriften müssen Unternehmen, denen der Status eines strategischen Marktakteurs zuerkannt wurde, Übernahmen vor deren Vollzug melden. Damit soll es der britischen Kartellaufsicht möglich werden, eine erste Bewertung der geplanten Fusion vorzunehmen und gegebenenfalls eine weitergehende Untersuchung einzuleiten.

Die DMU soll eingreifen können, um die Wurzeln einer marktbeherrschenden Stellung zu beseitigen. Zu ihrem Instrumentenkoffer soll die Möglichkeit gehören, entsprechende Unternehmen zu zwingen, mehr Daten mit kleineren Wettbewerbern zu teilen. Damit könnten diese die gleichen Vorteile genießen wie die großen Konkurrenten.

Die Vorgaben sollen auch festlegen, wie marktbeherrschende Konzerne mit Anbietern von Inhalten wie Presseverlagen umgehen sollen. Die DMU wird laut der Initiative befugt sein, Streitigkeiten über die Preisgestaltung zu schlichten, damit die Content-Provider für ihre Online-Inhalte "fair bezahlt werden".

Die Aufsicht könnte so die Verhandlungsmacht nationaler und regionaler Zeitungen stärken und soziale Medienplattformen dazu zwingen, transparenter zu machen, wie sie Verlage auf ihren Plattformen positionieren und welche Algorithmen sie verwenden. Von einem Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet, wie es etwa die EU mit der Urheberrechtsreform geschaffen hat, ist nicht ausdrücklich die Rede.

Einen genauen Zeitplan hat die Regierung noch nicht angekündigt. Man wolle "zu gegebener Zeit ein Gesetz einbringen", heißt es, "um die Digital Markets Unit auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen". "Die Dominanz einiger weniger Tech-Giganten verdrängt den Wettbewerb und erstickt die Innovation", begründete der britische Digitalminister Chris Philp das Vorhaben. "Der Kunde hat immer Recht, aber manchmal hat er keine Wahl", ergänzte sein für Verbraucherschutz zuständiger Kollege Paul Scully. "Wir werden die Unternehmen daran hindern, ihre Macht zu nutzen, um den Kunden zu schaden." Die Wahloptionen der Kunden dürften nicht länger auf bestimmte Software auf ihren Geräten beschränkt werden.

(bme)