Digitale Bildung: Warum iPads an deutschen Schulen so weit verbreitet sind

Apples iPads sind als Lehrmittel in Schulen häufig anzutreffen. Doch woran liegt das? Welche Vorteile bieten sie für die Lehre? Und welche Nachteile gibt es?

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(Bild: Monkey Business Images / Shutterstock.com)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Maik Riecken
Inhaltsverzeichnis

Wenn in Onlinediskussionen rund um digitale Bildung von Tablet-Klassen die Rede ist, stecken dahinter in den allermeisten Fällen Ausstattungen mit iPads von Apple. Diese Entwicklung wird nicht unkritisch gesehen: Immerhin ist Apple ein umsatzstarker Konzern mit klaren Verkaufs- und Marketinginteressen für seine Produkte und – vielleicht entscheidender – Bedienkonzepten für digitale Technik. Wenn Kinder und Jugendliche bereits in frühen Jahren an Apple-Geräte gewöhnt sind, werden sie möglicherweise zukünftig auch Geräte von Apple bevorzugen – so die Argumentation.

Eine ähnliche Strategie verfolgt Microsoft bereits seit Jahrzehnten mit verbilligten Softwarelizenzen für Office und Windows im Bildungsbereich und konnte in der Pandemie bei vielen recht hilflosen Schulen mit der komplett kostenlosen A1-Variante von Office 365 punkten. Der Erfolg bleibt nicht aus: Zeitgemäße Schulbildung ohne Microsoft-Produkte erscheint vielen Lehrkräften undenkbar zu sein – vor allem an Berufsschulen.

Maik Riecken

Maik Riecken hat über mehrere Jahre die Fächer Deutsch, Chemie und Informatik (fachfremd) an einem niedersächsischen Gymnasium unterrichtet. Er ist medienpädagogischer Berater am Medienzentrum Cloppenburg und berät unter anderem in dieser Funktion Schulen und Schulträger bei der Umsetzung von Digitalisierungsprojekten. Er betreibt in seiner Freizeit die Internetseiten https://www.riecken.de sowie https://www.medienbildungskonzept.de und schreibt Artikel rund um Digitalisierungsfragen im Bereich Schule in unterschiedlichen Medien.

Ein Blick auf die Anforderungen in der beruflichen Bildung scheint ihnen recht zu geben. Im kaufmännischen Bereich sind Office-Produkte durchaus zumindest versteckter Bestandteil von IHK-Prüfungen. Auch wenn die Prüfungen selbst produktneutral gestaltet sind, liegt beigefügtes Material oft in Microsoft-Formaten vor. Microsoft Office ist damit zum Quasi-Standard innerhalb der Bürokommunikation geworden – und nicht nur da, wie jeder selbst in der Kommunikation mit öffentlichen Stellen feststellen kann.

Strukturell befürchten Kritiker und Kritikerinnen von iPad-Klassen ähnliche Entwicklungen – nur in Bezug auf Apple-Produkte. Die Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern nehmen gelegentlich ideologisch anmutende Züge an. Dabei werden unter anderem Datenschutz und Vergaberecht bemüht, um letztlich "nur" sehr unterschiedliche Vorstellungen von "digitaler Bildung" gegeneinander in Stellung zu bringen. Was sind diese Vorstellungen?

Aus einer informatischen Perspektive geht es beim Einsatz von digitaler Technik in der Schule um die Vermittlung eines grundlegenden Verständnisses für digitale Prozesse. Dazu zwei Beispiele unterschiedlicher Tragweite:

Wer die grundlegenden Funktionsweisen von Netzwerken nicht kennt, wird einen Ausfall des WLANs nicht von dem Ausfall einer Internetverbindung unterscheiden können und damit im Fehlerfall keine Lösungsansätze haben.

Wer nicht zumindest schematisch weiß, was Datenbanken leisten, wird es später schwer haben, mögliche Auswirkungen der Kombination von Datensammlungen abzuschätzen – etwa bei Fusionen von Digitalkonzernen. So konnte Facebook um 2014 die EU-Kommission glaubhaft davon überzeugen, dass eine Kombination der Daten des damals noch eigenständigen WhatsApp-Messengers mit den Daten des späteren Mutterkonzerns Facebook "technisch nicht möglich" wäre. Als sich 2017 herausstellte, dass das nicht der Wahrheit entsprach, wurde das formale Problem durch eine Strafzahlung erledigt – die Daten der Nutzerinnen und Nutzer waren gleichwohl bereits kombiniert und der Schaden für die Verbraucherinnen und Verbraucher eingetreten.

Aus einer informatischen Perspektive sind iPads in vielerlei Hinsicht eine Art von Blackbox: Sie sind schon auf Dateisystemebene nicht ohne Aufwand intervenier- oder untersuchbar. Man kann über beispielsweise Webanwendungen oder einfache Programmierumgebungen durchaus informatische Inhalte mithilfe von iPads unterrichten. Das iPad selbst bleibt ein geschlossenes System. Das Betriebssystem definiert seine Schnittstellen und gibt die Möglichkeiten der Interoperabilität mit anderen Systemen vor. Das funktioniert innerhalb des Apple-Kosmos am allerbesten. Für einen Informatiker ist das iPad damit aber ein eingeschränktes Gerät aufgrund seiner Geschlossenheit.

Aus einer Schulverwaltungsperspektive ist das iPad dagegen ein Geschenk: Die Geräte sind über Mobile Device Managementsysteme (MDM) sehr genau und granular konfigurierbar. In der Klassenarbeit soll nur eine einzige App ohne Zusatzmaterial zur Verfügung stehen? Kein Problem, das sind für den Administrator oder die Administratorin nur wenige Klicks im MDM. Es existieren sogar für einige MDMs einfach zu bedienende Apps, mit denen die Lehrkraft selbst die Geräte in einen rechtssicheren Prüfungsmodus versetzen, das Internet sperren oder sogar Dateien bereitstellen kann. Diese Einschränkungen überleben selbst einen kompletten Neustart des Gerätes.

Den Schülerinnen und Schülern bleibt nur die Möglichkeit, ein zweites privates iPad mitzuführen, um sich während einer Klausur einen Vorteil zu verschaffen. Die umfangreichen Steuerungsmöglichkeiten vermitteln gerade unsicheren Lehrkräften oft ein Gefühl von Kontrolle und Sicherheit. Darüber kann man lächeln, aber oft genug braucht man solche Funktionen, um den Übergang zu anderen Lernformaten überhaupt erst zu ermöglichen.