Digitalpolitik der Bundesregierung: Viele Köche mischen mit, Klein-Klein droht

Die Bundesregierung hat die Details der Zuständigkeiten für die Digitalpolitik geregelt. Digitalminister Volker Wissing bleibt etwa bei KI weitgehend außen vor.

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(Bild: metamorworks / Shutterstock.com)

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Der für Digitales und Verkehr zuständige Bundesminister Volker Wissing (FDP) muss sich die Macht in vielen Bereichen der Digitalpolitik mit anderen Ressorts teilen. Bei der Umsetzung und Fortentwicklung der Strategie für Künstliche Intelligenz (KI) ist Wissing sogar nur unter "ferner liefen" dabei: federführend sind hier das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sowie die Ministerien für Arbeit und Soziales sowie Bildung und Forschung.

Dies lässt sich aus einem heise online vorliegenden Papier aus dem Bundeskanzleramt zu "Grundsätzen und Zuständigkeiten" der Digitalpolitik der Bundesregierung entnehmen. Der Koalitionsvertrag des Ampel-Bündnisses formuliere als Ziel einen "umfassenden digitalen Aufbruch", heißt es darin. "Digitalpolitik ist eine Querschnittsaufgabe, die alle Ressorts und ihre nachgeordneten Bereiche betrifft. Darum ist eine ressortübergreifende Zusammenarbeit unabdingbar." Innerhalb der Regierung würden daher "bestimmte Aufgaben nun neu geordnet".

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Anfang Dezember in einer seiner ersten Amtshandlungen in einem Erlass bereits entschieden: Das bisherige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird umbenannt in "Bundesministerium für Digitales und Verkehr" (BMDV). Der Bereich Telekommunikation ging damit an Wissing, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erhielt dagegen den Sektor "Games". Zudem hieß es: Wissing werde im Großen und Ganzen verantwortlich "für die nationale, europäische und internationale Digitalpolitik".

Das sieht mit der neuen Detailregelung nicht mehr ganz danach aus: Eine Digitalpolitik aus einem Guss lässt sich so nicht mehr erwarten. Weitgehend klar war bereits vorab, dass unter der Federführung Wissings neben der Gigabitstrategie für den Glasfaser- und Mobilfunkausbau eine "ressortübergreifende aktualisierte Digitalstrategie" erarbeitet und voraussichtlich noch im 2. Quartal vom Bundeskabinett beschlossen werden soll. Diese wird laut dem Dokument die zentralen einschlägigen Vorhaben "insbesondere in den Handlungsfeldern Konnektivität, Kompetenz, Wirtschaft, Forschung, Gesundheit, Digitale Verwaltung und vernetzte Gesellschaft bündeln".

Dazu kommen soll von 2023 an ein Digitalbudget zur Umsetzung dieser Strategie. Diese wird dem Plan nach vom BMDV und dem BMWK in Abstimmung mit dem Kanzleramt koordiniert. Die Federführung für den Ausbau der Datenstrategie wiederum liegt bei Wissing und dem von Nancy Faeser (SPD) geführten Bundesinnenministerium (BMI). Über die Zuständigkeit für ein folgendes nationales Datengesetz soll erst "zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden", wenn sich abzeichnet, was drin steht.

Fest steht: Ein neues "Dateninstitut", das einschlägige Rechtsfragen klären, Verfügbarkeit und Standardisierungen in diesem Sektor vorantreiben sowie Treuhändermodelle und Lizenzen etablieren soll, bauen vor allem Habeck und Faeser gemeinsam auf. Die Federführung für den europäischen Data Act, der die Basis für einen großen Teil der Arbeit des Dateninstituts liefert, haben wiederum gemeinsam das Wirtschafts- und das Digitalressort, wobei ersteres für nationale, letzteres für europäische Fragen Ansprechpartner sein soll.

Kleinteilig wird es bei der Koordinierung anderer einschlägiger europäischer Strategien und Rechtsakte: Für den Digital Services Act (DSA) und die Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS) ist das BMDV federführend zuständig, für den Digital Markets Act (DMA), das Datennutzungsgesetz mit Open Data und den Data Governance Act (DGA) das BMWK. Bei der geplanten KI-Verordnung kommt neben dem Wirtschafts- das Justizministerium mit ins Spiel.

Zumindest sollen die federführenden Ressorts hier generell sicherstellen, dass die datenpolitischen Positionen Deutschlands kohärent sind. Die Bundesrepublik sehe sich dabei der EU-Digitalstrategie mit ihren drei Säulen – Technologie im Dienste der Menschen, faire und wettbewerbsfähige digitale Wirtschaft sowie offene, demokratische und nachhaltige Gesellschaft – verpflichtet.

Ein "Leitmotiv" für das BMWK, das für die digitale Wirtschaft und Start-ups verantwortlich zeichnet, soll neben der Sicherung eines ausgeglichenen Spielfelds und der Nachhaltigkeit die vielbeschworene "digitale Souveränität" bleiben. Diese dürfte aber auch für das BMI relevant sein, das "für eine effektive und effiziente Aufstellung im Cyberraum und ein höchstmögliches Schutzniveau in der Cybersicherheit" gewährleisten soll. Eine "enge Abstimmung" mit dem Wirtschaftsministerium ist dabei aber zumindest vorgesehen.

Das Innenministerium bleibt ferner "der zentrale Ansprechpartner im Ressortkreis und gegenüber den Ländern für eine digitale Verwaltungsmodernisierung" und die weitere Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Dabei soll der Fokus stärker "auf nutzerorientierte, medienbruchfreie Verfahren gelenkt" werden. Neu dazu kommt die umstrittene Registermodernisierung, womit Bürger ihre Daten nur noch einmal gegenüber der Verwaltung angeben müssten ("Once only"-Prinzip).

Faesers Haus soll Gesetze zudem künftig dem von der Ampel angekündigten Digitalcheck unterziehen. Es hat auch die Federführung über das Thema digitale Identitäten, wo die alte Bundesregierung mit dem Schnellstart für eine Wallet mit digitalem Führerschein Vertrauen verspielte. Nun sollen hier das Kanzleramt sowie die Ministerien für Digitales, Finanzen und Wirtschaft sowie der bundeseigene Lösungsanbieter DigitalService4Germany, bei dem das BMI die "Beteiligungsführung" übernimmt, in einem "Laborformat" zusammenarbeiten und die Technik für eine "selbstbestimmte Nutzung" zugänglich machen. Profilbildungen sind dabei – auch auf EU-Ebene – auszuschließen.

Im IT-Rat werden der IT-Beauftragte des Bundes, Markus Richter, und der Chef des Bundeskanzleramts, Wolfgang Schmidt, "die gemeinsame Leitung" übernehmen. Das Gremium soll etwa die Dauerbaustelle der IT-Konsolidierung des Bundes beackern. Zur "Abstimmung der digitalpolitischen Zusammenarbeit in wesentlichen Schwerpunktvorhaben" wird eine "Koordinierungsgruppe der federführenden Ressorts auf Staatssekretärsebene" aus der halben Bundesregierung eingerichtet.

Oliver Süme, Vorstandsvorsitzender des eco-Verbands der Internetwirtschaft, sieht die Aufteilung kritisch: Die Ampel sei mit ambitionierten Digitalzielen gestartet und darf sich ihm zufolge nun "nicht im Klein-Klein sowie Kompetenzgerangel verlieren". Die digitale Transformation gelinge nur, "wenn sie nicht von geteilter Federführung, zu vielen Zuständigkeiten und bürokratischem Aufwand aufgeweicht wird".

(olb)