Elektroauto: Schaeffler integriert den Antrieb zur "4in1-E-Achse"

Schaefflers jüngste Entwicklung ist ein integrierter Antrieb inklusive Thermomanagement. Hauptvorteil sei eine höhere Effizienz dank besserer Wärmenutzung.

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Schaeffler 4in1-Achse

Neue Dinge dürfen neue Namen bekommen, doch sollte dabei Sorgfalt walten. So heißt bei Schaeffler der Antrieb mittlerweile "Achse". Schön. Aber was sagt man denn nun, wenn man von einer "Achse" sprechen möchte?

(Bild: Schaeffler)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Als Zulieferer der Autoindustrie positioniert sich auch Schaeffler neu für ein künftiges Kerngeschäft mit der Elektromobilität. Die jüngste Entwicklung des Unternehmens ist ein integrierter Antrieb, in die nun auch die Leistungselektronik einbezogen wurde. Genauer gesagt ist die sogenannte "4in1-E-Achse" außer mit dem Elektromotor und seinem Getriebe auch mit der zugehörigen Leistungselektronik und Thermomanagement ausgestattet. Dafür gibt es offenbar gute Gründe.

Ähnlich wie in der Sturm- und Drangzeit der Autoindustrie vor rund 100 Jahren entsteht im Wettkampf der Konstrukteure aus den verschiedenen Häusern der Hersteller und Zulieferer zurzeit ein bunter Strauß vorher nie gesehener technischer Lösungen – mehr Ideen, als am Ende dieser Blütezeit übrig bleiben können. Die aus dem Hause Schaeffler könnte indes dazugehören. Sie vollzieht für das moderne Elektroauto einen Schritt nach, der bei Autos mit Verbrennungsmotoren schon gegangen wurde: die Integration verschiedener Bauteile in eine größere Einheit. Die Zielsetzung war gleichwohl eine andere.

Zunächst aber Obacht bei den Begrifflichkeiten. Was Schaeffler da salopp "Achse" nennt, ist eine fest im Fahrzeug montierte Antriebseinheit mit je einer Antriebswelle zum jeweiligen Rad. In einem klassischen Automobil entspräche das der mittlerweile am weitesten verbreiteten Antriebskonfiguration mit einer quer eingebauten Motor-Getriebe-Einheit. Das kennt man mittlerweile so vom Kleinstwagen bis in die obere Mittelklasse, fast immer vorn eingebaut, abgesehen vom Smart/Twingo mit seinem exotischen Heckmotor.

Schaeffler 4in1-E-Achse (6 Bilder)

So stellt der Zeichner die Einbaulage im Auto dar. Also genau wie man die Antriebe bisher schon in die weitverbreiteten Front/Quer-Autos gesetzt hat.
(Bild: Schaeffler )

Bei Elektroautos kann der Antrieb natürlich viel einfacher wahlweise vorn und/oder hinten angeordnet werden. Weder benötigt er so große Kühler, noch ist er so sperrig wie die üblicherweise stehend angeordnete Zylinderbank. Zudem bedarf er bei weitem keiner so guten Lärmabschottung wie ein thermodynamischer Antrieb. So oder ähnlich gibt es das bereits bei so gut wie jedem größeren Elektroauto-Hersteller.

Hauptvorteil ist laut Schaeffler indessen die Integration des Wärmemanagements. So soll nun auch die Abwärme aus der Leistungselektronik zur Batterieheizung beitragen können. Damit verlaufen Ladevorgänge bei Kälte effizienter, weil die Batterie weniger Strom für ihre eigene Wohlfühltemperatur verbraucht.

Dank der kompakteren Bauweise ohne Einzelgehäuse und zusätzliche Schlauchleitungen verkleinert sich die Gesamtoberfläche, über die Wärme verloren geht. Laut Schaeffler soll der Batterie damit immerhin so viel mehr Wärme zugutekommen können, dass sich der Wirkungsgrad um bis zu 14 Prozent erhöhen können soll. Dank Kohlendioxid als Kältemittel soll zudem die Effizienz der Klimatisierung steigen, beides mit direkter Rückwirkung auf die Reichweite.

Als Nebeneffekt der Konstruktion ergibt sich ein für die Auto-Konstrukteure schneller und kostengünstiger integrierbarer Antriebsstrang, weil weniger Teile ihren Platz in der Karosserie finden müssen und laut Schaeffler auch weniger Kabel und Schläuche nötig seien. Das gelte auch für den Einsatz der 4in1-E-Achse in Brennstoffzellenfahrzeugen.

Was man tatsächlich als "Achse" bezeichnen kann, ist eine besondere Bauart des Elektroantriebs. Die Ausführung als Starrachse erspart die Antriebswellengelenke, indem die ganze Einheit beweglich aufgehängt ist. Anstelle des Differenzials sind in der Mitte die E-Maschinen untergebracht, mit Antriebswellen in die Naben. Auch hier sind Getriebe und Leistungselektronik in die Achse integriert. Er kann bei Nutzfahrzeugen direkt anstelle einer angetriebenen Starrachse verwendet werden, wie das etwa Bergische Achsen BPW schon macht. Eingebaut wird sie in einen Isuzu N in Gemeinschaftsproduktion mit Paul Nutzfahrzeugtechnik, in dem sie die konventionelle Hinterachse ersetzt.

Solche Lösungen sind nur sinnvoll, wenn das Fahrzeuggewicht in der Regel deutlich die ungefederte Masse der Achse überschreitet, was eigentlich nur bei beladenen Nutzfahrzeugen der Fall ist. In leichten Personenkraftwagen würde so eine Konstruktion weder den Ansprüchen an den Fahrkomfort noch denen an die Fahrdynamik und damit letztlich der Sicherheit genügen. Für Nutzfahrzeuge ist es hingegen die aus Sicht von Flexibilität und Kosten die naheliegendste Bauweise.

Es gibt allerdings auch den Fall, dass ein Hersteller einen kompletten Antrieb bereits fertig für ein anderes Auto entwickelt hat und dann plötzlich ein Transporter eine hintere Einzelradaufhängung statt einer Starrachse bekommt. Ford macht das aktuell so beim bis zu 4,25 Tonnen schweren Transit. Das dürfte trotz einer am herkömmlich motorisierten Transit gemessen hohen Fahrdynamik und vergleichsweise geradezu exquisitem Komfort künftig aber eher selten bleiben.

Schaeffler berichtet, man arbeite an der Elektrifizierung mittelschwerer Pick-up-Trucks, insbesondere für den nordamerikanischen Markt und habe sich bereits "erste Aufträge für elektrische Starrachsen von Automobilherstellern" gesichert. Der Zulieferer baut zurzeit seine Kapazitäten am nordamerikanischen Standort Wooster aus.

(fpi)