Zukunft der österreichischen Rundfunkgebühren ist offen

Ab 2024 müssen alle österreichischen Haushalte und Unternehmen mit Internetzugang ORF-Gebühren zahlen. Das bestehende Modell wankt - aber wohin?

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Das ORF-Logo am Eingang zur ORF-Zentrale am Küniglberg in Wien

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 6 Min.
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Brandaktuell ist auf einmal die österreichische Debatte über die Gebühren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Grund ist ein frisches Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), wonach spätestens 2024 Rundfunkgebühren auch bei reiner Internet-Nutzung anfallen. Die oppositionelle FPÖ fordert die Abschaffung der Gebühren und Finanzierung aus dem Bundesbudget. Die liberale Oppositionspartei NEOS und inzwischen auch die Regierungspartei der Grünen wollen dem deutschen Modell folgen und Abgaben für alle Haushalte einführen.

Während die größere Regierungspartei ÖVP (Konservative) noch schweigt, wartet die oppositionelle SPÖ (Sozialdemokraten) auf Vorschläge des ORF und eben der Regierung. Das hat eine Rundschau heise onlines bei den im österreichischen Parlament vertretenen Parteien ergeben.

Bisher unterliegen Internetanschlüsse in Österreich nicht den Rundfunkgebühren, und damit auch nicht den ORF-Gebühren ("Programmentgelt" respektive "Radioentgelt"). Nur Haushalte mit Rundfunkempfangsgeräten müssen zahlen. Das ist verfassungswidrig, wie der VfGH in einem überraschenden Erkenntnis (Az. G 226/2021-12) festgestellt hat. Demnach verstößt es gegen den Gleichheitsgrundsatz der österreichischen Verfassung, Rundfunk-Haushalte und -Unternehmen zu ORF-Gebühren zu verpflichten, andere Haushalte und Unternehmen mit Internetzugang aber nicht, obwohl sie online Zugang zu großen Teilen des ORF-Programmangebots haben. Der Gesetzgeber hat bis Ende 2023 Zeit für ein neues Gesetz, akut ändert sich nichts.

FPÖ-Mediensprecher und Nationalratsabgeordneter Christian Hafenecker zeigte sich in einer ersten Reaktion entsetzt: "In Zeiten der Rekordteuerung fällt dem VfGH nichts Besseres ein, als dem ORF einen Freibrief für die Ausweitung der Abzocke der Menschen zu erteilen. Das ist nicht einzusehen." Um die Bürger zu "retten", sollten die ORF-Gebühren nicht ausgeweitet, sondern abgeschafft werden – eine langjährige Forderung der rechten Partei. Die Summe aus Rundfunkabgaben, ORF-Gebühren und Umsatzsteuer für einen Haushalt mit Fernseher liegt je nach Bundesland bei 270 bis 344 Euro pro Jahr. "Das wäre auch eine echte Entlastung für die Menschen in Österreich, die immer stärker unter der Teuerung leiden", stellte der FPÖ-Politiker fest.

Anders sehen das die Grünen und die NEOS: "Jetzt führt an der Haushaltsabgabe kein Weg mehr vorbei", sagte NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter am Montag. Ihre Partei fordere schon immer die Abschaffung der ORF-Tochter GIS sowie der Länderabgaben und die Umsetzung einer sozial gestaffelten Haushaltsabgabe. Die GIS ist das österreichische Pendant zur deutschen GEZ und mit der Einhebung der Rundfunkabgaben und ORF-Gebühren betraut. Eine Abschaffung der GIS sowie der von sieben Bundesländern eingehobenen Rundfunkabgaben von bis zu 75 Euro im Jahr würde Haushalten Geld sparen.

Die Grünen waren früher gegen Gebühren für Internethaushalte ohne Rundfunkgeräte. Die damalige Konsumentenschutzsprecherin Gabriela Moser forderte 2006, dass der ORF Webcasts nur seinen Gebührenzahlern per Passwortabfrage zugänglich macht. Die heutige Grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger ist hingegen dafür, dass alle reinen Internethaushalte den ORF mitfinanzieren. "Die einzig sinnvolle Variante" sei eine Haushaltsabgabe, die allerdings niedriger sein soll, als die aktuellen Gebühren.

Dafür wünscht sich Blimlinger "Umdenken" ihres Koalitionspartners ÖVP. Was die konservative Partei derzeit genau möchte, ist unklar. 2008 hat sich der damalige ÖVP-Spitzenkandidat und Finanzminister für Rundfunkgebühren auf Computer mit Internetanschluss ausgesprochen – aber das war die alte ÖVP, die unter dem vorvorigen Bundeskanzler Sebastian Kurz in die Neue ÖVP umgebaut wurde. Auf eine Anfrage heise onlines von Dienstagfrüh hat die ÖVP noch nicht geantwortet.