Notfallplan: EU-Staaten wollen freiwillig 15 Prozent Erdgas sparen
Der Notfallplan der EU scheint zu kommen. Doch sieht er in der Gaskrise offenbar mehr Ausnahmen vor, als zunächst von der Kommission geplant.
(Bild: kb-photodesign/Shutterstock.com)
- Tobias Knaack
- mit Material der dpa
In der Gaskrise sucht die EU nach einem Weg, einerseits die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren – und anderseits den Gaskonsum seiner Mitgliedsstaaten zu reduzieren. Die Dringlichkeit zeigte sich am gestrigen Montag, als der russische Konzern Gazprom die Gasliefermenge per Nord Stream 1 abermals reduzierte. Seit der vergangenen Nacht scheint jetzt zumindest klar: Der Notfallplan zur Senkung des Gaskonsums in Europa, er kommt offenbar. Vertreter von EU-Staaten haben sich mehreren übereinstimmenden Medienberichten zufolge auf einen gemeinsamen Plan verständigt. Die EU-Kommission hatte diesen vergangene Woche vorgestellt.
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa soll der Plan an diesem Dienstag auf einem Sondertreffen der Energieminister in Brüssel (9.30 Uhr) offiziell bestätigt werden. Er soll vor allem die Risiken reduzieren, die sich aus einer vollständigen Unterbrechung russischer Gaslieferungen ergeben könnten.
Notfallplan: Senkung des Gaskonsums um 15 Prozent
Diplomaten bestätigten demnach der Agentur in der Nacht, dass der Plan wie von der EU-Kommission vorgeschlagen vorsieht, den nationalen Konsum im Zeitraum vom 1. August 2022 bis zum 31. März 2023 freiwillig um 15 Prozent zu senken. Zudem soll die Möglichkeit geschaffen werden, bei weitreichenden Versorgungsengpässen einen Unionsalarm auszulösen und verbindliche Einsparziele vorzugeben.
Im Vergleich zum ersten Entwurf der Kommission sind dafür allerdings deutlich mehr Ausnahmemöglichkeiten vorgesehen und auch die Hürden für die Einführung von verbindlichen Einsparzielen wurden erhöht. Letztere soll nur vom Rat der Mitgliedstaaten und nicht von der EU-Kommission durchgesetzt werden können.
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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte darauf gedrängt, dass sich auch Länder mit geringer Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen an Einsparanstrengungen beteiligen. "Auch Mitgliedstaaten, die kaum russisches Gas beziehen, können sich den Folgen eines möglichen Lieferstopps in unserem Binnenmarkt nicht entziehen", sagte sie am Montag gegenüber der dpa. Die Volkswirtschaften in der EU seien eng miteinander verwoben. Eine Gaskrise beträfe in der einen oder anderen Form jeden Mitgliedstaat.
"Deshalb ist es wichtig, dass alle Mitgliedstaaten die Nachfrage drosseln, dass alle mehr speichern und mit denjenigen Mitgliedern teilen, die stärker betroffen sind", ergänzte von der Leyen. Energiesolidarität sei ein Grundprinzip der europäischen Verträge.
Kurz zuvor hatten sich unter anderem Spanien und Portugal kritisch zu einem Vorschlag der EU-Kommission für einen Gas-Notfallplan geäußert. Die Regierung Portugals könne den Vorschlag überhaupt nicht akzeptieren, weil dieser "unhaltbar" sei, erklärte der Staatssekretär für Umwelt und Energie, João Galamba, am Donnerstag im Gespräch mit der Zeitung "Público". "Wir konsumieren Gas aus absoluter Notwendigkeit", versicherte er.
Widerstand gegen Notfallplan in der Gaskrise
Bereits am vergangenen Mittwoch hatte die spanische Ministerin für Ökologischen Wandel, Teresa Ribera, geklagt: "Wir können doch keine Opfer bringen, über die wir nicht gefragt worden sind." Sie betonte: "Im Gegensatz zu anderen Ländern haben wir Spanier in Sachen Energieverbrauch nicht über unsere Verhältnisse gelebt."
Im Fall eines echten Gasnotstandes soll eine Drosselung des Konsums zudem auch angeordnet werden können. Eine unzureichende Vorbereitung auf einen russischen Lieferstopp könnte nach Einschätzung der EU-Kommission einen Einbruch der Wirtschaftsleistung um im Durchschnitt 0,9 bis 1,5 Prozent nach sich ziehen.
"Inzwischen liefert Russland in zwölf Mitgliedstaaten nur noch teilweise oder gar nicht mehr Gas", entgegnete von der Leyen laut DPA. "Deswegen muss Europa für den schlimmsten Fall vorbereitet sein: einen vollständigen Stopp der Gaslieferungen, früher oder später." Je schneller man handele, desto mehr spare man – und desto sicherer sei man.
Der Notfallplan soll ein Sicherheitsnetz fĂĽr alle sein
Bei der Bestätigung des Notfallplans gehe es darum, ein Sicherheitsnetz für alle zu knüpfen, damit man es sicher durch die beiden nächsten Winter schaffe. "Jeder Kubikmeter Gas, den wir heute einsparen, geht in unsere Gasspeicher und ist ein Puffer für unsere Wirtschaft im Winter", sagte von der Leyen. "Damit schützen wir unsere Arbeitsplätze, unsere Industrie und unseren Binnenmarkt."
Nach Angaben aus EU-Kreisen hatte am Montag vor allem auch Italien noch Bedenken gehabt. Thema bei Vorberatungen auf Botschafterebene waren demnach vor allem mögliche Ausnahmeregelungen bei den Einsparregeln.
Zudem galt es bereits als sicher, dass die Schwelle für ein Ausrufen eines akuten Gasnotstandes höher liegen soll als von der EU-Kommission geplant. Diese wollte Zwangseinsparungen bereits dann möglich machen, wenn drei Mitgliedstaaten schwere Versorgungsprobleme befürchten – am Montag kursierte bereits die Zahl fünf.
(tkn)