Wie Japan an Lieferketten für Ammoniak arbeitet

Es stinkt, ist giftig und eine Hoffnung fürs Klima: Ammoniak gilt als alternativer Brennstoff für Schiffe und Kraftwerke. Nun soll sich ein Markt entwickeln.

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Shenzhen, Hafen von Yantian

(Bild: zhangyang13576997233 / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Martin Kölling

Für Wasserstoff hat Japan bereits Lieferketten entwickelt, um letztlich klimaneutrale Alternativen zu fossilen Brennstoffen zu erschließen. Nun hat ein japanisches Konsortium aus dem Ölkonzern Inpex, dem Schwerindustrieriesen IHI und der Großreederei Mitsui O.S.K. Lines auch demonstriert, wie das Land und letztlich der globale Markt mit einem anderen Hoffnungsträger der dekarbonisierten Wirtschaft versorgt werden kann: mit dem stinkenden und toxischen Ammoniak.

Bereits in der vergangenen Woche berichtete ich über die Ambitionen Japans, auf Basis von Ammoniak die Schifffahrt dekarbonisieren zu wollen. Ammoniak besteht aus Stick- und Wasserstoff und verbrennt kohlendioxidfrei zu Wasser und Stickoxid. Da es eine höhere Energiedichte als Wasserstoff aufweist, wird es gerade von Ostasiens Reedern und Kraftwerksbetreibern als CO₂-neutrale Alternative zu Schweröl und Kohle gefördert. Nur gibt es genau wie bei Wasserstoff noch keine Massenproduktion mit etablierten Lieferketten, die eine große globale Nachfrage befriedigen könnte.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten hat das japanische Trio nun gemeinsam mit lokalen Konzernen eine Anlage errichtet, die Wasserstoff aus Erdgas abspaltet und mit Stickstoff zu Ammoniak verbindet, welches dann per Schiff nach Japan transportiert wird. Das Ammoniak wurde im Test von einem Unternehmen der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) geliefert.

"Sauber" wurde das Ammoniak durch Kohlendioxidabscheidung und -speicherung. Der größte Teil des aus der Produktion des Ammoniaks emittierten und eingefangenen Treibhausgases wurde dann in Ölfelder injiziert, an denen INPEX beteiligt ist. IHI entwickelt derweil eine Anlage, die Ammoniak effizient verbrennen kann.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Der Vorstoß ist ein neuer Pfeiler der japanischen Klimastrategie, mit der die Regierung die Wirtschaft der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt bis 2050 CO2-neutral machen will. Schon 2017 stellte die Regierung als erste eine nationale Wasserstoffstrategie vor, die die Entwicklung von mehreren verschiedenen Lieferketten subventionierte.

In der zweiten Stufe forciert die Regierung nun die Entwicklung einer Lieferkette für Ammoniak. Bis 2030 sollen Kohlekraftwerke 20 Prozent des fossilen Brennstoffs durch Ammoniak ersetzen. 2021 stellte die Regierung daher rund 500 Millionen Euro an Zuschüssen für die Entwicklung von Lieferketten zur Verfügung.

Die arabische Lieferkette ist dabei nur ein Nutznießer der Fördergelder. Das Handelshaus Itochu entwickelt in Kanada die bisher größte Ammoniakproduktion der Welt, deren Baubeginn für 2024 geplant ist. Doch auch Australien, das bereits ein wichtiger Baustein in Japans Wasserstoffversorgung spielen soll, rechnet sich Chancen aus wie eine Studie der australischen National-Universität über mögliche Emissionen einer bilateralen Lieferkette für Ammoniak zeigt.

Allerdings ist Japans grundsätzlicher Umsatz umstritten. Anders als bei vielen Projekten in Europa geht Japan nicht direkt zu "grünem" Wasserstoff über, der mit erneuerbaren Energien aus Wasser gewonnen wird. Stattdessen wird in den bisherigen Projekten sogenannter "grauer" Wasserstoff verwendet, der aus Kohle und Gas abgespalten wird. Das dabei entstehende Kohlendioxid wird dann aus den Abgasen abgeschieden und gespeichert oder für die Herstellung anderer Produkte verwendet. Dieser Wasserstoff wird "blauer" Wasserstoff genannt.

Kritiker wenden ein, dass dieser Umweg weniger effizient sei und es noch keine großindustriellen Methoden für die Kohlendoxidabscheidung, -speicherung und -nutzung gebe. Aber für Japans Regierung und Industrie beschleunigt dieser Ansatz den Aufbau einer Massenproduktion, wodurch der Übergang zu grünem Wasserstoff beschleunigt werden können. Denn die Planer der Japan AG glauben, dass durch die Nutzung bestehender Produktionsanlagen die Preise schneller gesenkt und damit die Verbreitung der Alternativen in Schwellenländern beschleunigt werden kann.

Für Europas Sprung zu grünem Wasser- und Stickstoff haben Bürokraten wie Manager fast unisono eine Kritik parat: zu ideologisch, zu wenig pragmatisch. Diese Meinung können sie sich auch erlauben und unternehmerisch ausleben. Denn es gibt in Japan keine starke Umweltbewegung, die die Politik dazu treibt, die Wirtschaft zu einem schnelleren Übergang zu zwingen. In den Rankings von Klimaschutzorganisationen liegt Japan daher bei der Transition oft hinter europäischen Ländern zurück. Ein Beispiel ist die britische Organisation InfluenceMap, die japanischen Autobauern und Stahlherstellern deutlich schlechtere Noten als ihren europäischen Rivalen gibt.

(bsc)