De-Globalisierung: Kann Europa sich selbst mit Kupfer versorgen?

In unserer Rohstoff-Serie schauen wir, inwiefern sich Deutschland und Europa von Import-Abhängigkeiten lösen könnten. Wie sieht es bei Kupfer aus?

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Große Spulen mit Kupfer

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Rainer Kurlemann
Inhaltsverzeichnis

(This article is also available in English)

Eine der ältesten noch heute bekannten Kupferhütten der Menschheit stand in Tall Hujayrat al-Ghuzlan im heutigen Jordanien. Schon vor 6.000 Jahren wurden dort aus den Erzen einer naheliegenden Mine in größeren Mengen Kupfer gewonnen. Die Ägypter stellten aus dem Metall Waffen, Werkzeuge, Schmuck und Haushaltsgeräte her. Das Wissen um die Verwendung von Kupfer verbreitete sich schnell. Viele neue Anwendungen führten dazu, dass Kupfer schon im 19. Jahrhundert an der Börsen in London und New York gehandelt wurde. Auch in Deutschland gab es viele kleinere Kupferbergwerke, aber schon in den 1920er Jahren mussten sich die Verantwortlichen vor der Gründung eines Handelsplatzes für Kupfer eingestehen, dass man sich in der "wirtschaftlichen Abhängigkeit von den nordamerikanischen Großproduzenten befinde".

Über Rohstoffe und De-Globalisierung:

Shenzhen, Hafen von Yantian

(Bild: zhangyang13576997233 / Shutterstock.com)

Die vergangenen Monate haben schmerzlich gezeigt, dass die Abhängigkeit von Ressourcen einen hohen Preis hat. Doch lässt sich das Rad noch zurückdrehen? Werfen wir also einen Blick auf die Versorgungslage. Wie weit sich Europa mit strategisch wichtigen Rohstoffen selbst versorgen könnte und was das für die Industrie bedeutet, wollen wir mit einer Rohstoff-Artikelserie erkunden.

Die Abhängigkeit besteht noch heute, aber die Nutzung des Metalls hat sich komplett verändert. Kupfer besitzt eine sehr gute elektrische Leitfähigkeit, deshalb landen 79 Prozent der Produktion in diesem Anwendungsbereich. Kupfer wird für Leitungen zum Strom- und Datentransport in der bundesweiten Infrastruktur und innerhalb von Gebäuden benötigt, es steckt in Transformatoren, Elektromotoren und Kabelbäumen. Die Deutsche Rohstoffagentur erwartet, dass sich der Bedarf bis zum Jahr 2035 in etwa verdoppeln werde. Haupttreiber dieser Entwicklung seien der Ausbau der Stromnetzes, Elektromotoren für Autos, die Windenergie und Feststoffbatterien.

Deutschland spielt bei der Kupferproduktion und -verarbeitung international noch eine Rolle. 16.000 Menschen arbeiten in diesem Industriezweig, auch wenn es hierzulande keinen Kupferbergbau mehr gibt. Zur Jahrtausendwende wurden die letzten Zechen geschlossen, sie waren nicht mehr wirtschaftlich. Das könnte sich ändern: Als der Weltmarktpreis für Kupfer im Jahr 2007 rasant anstieg, gaben die Behörden in Brandenburg und Sachsen grünes Licht für die Erkundung der Kupferlagerstätte Spremberg-Graustein-Schleife Nähe der polnischen Grenze. Auf polnischer Seite wird in Europas größter Kupfermine seit Jahren Kupfer abgebaut. Der deutsche Anteil liegt mehr als 1.000 Meter tief und wird auf 1,5 Millionen Tonnen Kupfermetall geschätzt. International gesehen ist das wenig. Im Jahr 2018 wurden weltweit mehr als 20 Millionen Tonnen gefördert, allein die größte chilenische Mine liefert mehr als eine Millionen Tonnen pro Jahr aus einem kostengünstigen Tagebau.

Die Förderung aus den Minen muss in mehreren Schritten aufgearbeitet werden. Das Gestein wird zunächst gemahlen, Chemikalien trennen dann das kupferreiche Erz vom Rest und reichern es zu einem Konzentrat an. Einige Bergbaunationen liefern Erze, andere nur das Konzentrat. Um reines Kupfer zu erhalten, wird das Konzentrat in Hochöfen aufgeschmolzen und schließlich in elektrochemischen Elektrolyseprozessen gereinigt. Dieser Prozess findet meistens in den Ländern statt, die das Kupfer auch verarbeiten. Deutschland hat im Jahr 2020 etwa 1,2 Millionen Tonnen Kupfererze und -konzentrate importiert und zu rohem Kupfer aufgearbeitet. Global gesehen liegt die Bundesrepublik hinter China, Japan und Südkorea auf dem vierten Platz der Importländer und Kupferproduzenten. Die deutschen Hauptlieferländer waren Peru, Brasilien und Chile. In den südamerikanischen Staaten und Australien lagern auch die größten Rohstoffvorkommen. Fünf der zehn größten Kupferminen liegen in Chile.

Die europäische Kupferbilanz fällt nicht so schlecht aus wie bei anderen Metallen. Europaweit werden etwa vier Millionen Tonnen Kupfer benötigt, fast zwei Drittel davon stammen aus eigenen Ressourcen. Mit 43 Prozent ist der Recyclinganteil aus Haus- und Industrieschrott recht hoch, da es ohne Qualitätsverlust unendlich oft wiederverwertet und zu neuen Produkten verarbeitet werden kann. Weitere 20 Prozent werden in europäischen Bergwerken gefördert. Auch bei den Importen besitzt Europa durch eine Vielzahl von Lieferanten eine gewisse Unabhängigkeit. Zwölf Prozent des Kupferbedarfs wird als gereinigtes Metall importiert, 25 Prozent als Erz oder Konzentrat. Das deutsche Unternehmen Aurubis AG ist Europas größter Kupferproduzent und im Kupferrecycling international führend.

Aber die Situation im Kupfermarkt unterscheidet sich in einem Punkt deutlich von anderen Metallen. Seit 2002 ist China die treibende Kraft bei der Nachfrage. Im Jahr 2019 hat China 12,7 Millionen Tonnen Kupfer verarbeitet, das ist etwas mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion. Aber die Chinesen können den Bedarf aus eigener Förderung bei weitem nicht decken. Sie mussten im Jahr 2019 mehr als 22 Millionen Tonnen Kupferkonzentrat auf dem Weltmarkt einkaufen. Deshalb kann das europäische Kupfer-Importverbot einem Rohstoffexporteur wie Russland nicht viel anhaben. Das russische Erz geht nun nach China.

Doch China fällt es schwer, einen größeren Einfluss auf den weltweiten Kupfermarkt zu nehmen. Weil das Metall schon lange im industriellen Maßstab verwendet wird, sind die Schürfrechte für die großen Lagerstätten mit jahrzehntelangen Verträgen gekoppelt, die in einem historisch gewachsenen Markt meistens von westlichen Unternehmen gehalten werden. China muss sich dort mit sehr viel Geld einkaufen oder eigene Minen aufbauen, die kleinere Kupfervorkommen abbauen. Seit dem Ende der 1990er Jahre geht das Land beide Wege. China hat Minen in den afrikanischen Staaten Kongo, Sambia, Südafrika und Eritrea sowie in Laos, Myanmar, Australien und Peru zur Produktion geführt. Während der globalen Finanzkrise nutzte das Land die wirtschaftlichen Probleme einiger Minenbetreiber und kaufte Bergbaulizenzen in Peru, Afghanistan und Ecuador. Mit dieser finanziellen Unterstützung konnten Peru und Kongo zu den weltweit wichtigsten Bergbauländern für Kupfer aufsteigen.

Europa behält dennoch einen großen Zugang zu den Bergwerken. Bisher hat es kein chinesisches Unternehmen geschafft, in die Liste der zehn größten Unternehmen aufzuschließen. Die haben ihren Sitz in Chile, der Schweiz, Australien, den USA, Kanada, Großbritannien, Polen und Russland.

Auch die kommende Ausgabe der MIT Technology Review beschäftigt sich mit dem Thema Deglobalisierung. In verschiedenen Texten gehen wir der Frage nach, inwieweit es möglich ist, Prozesse der Deglobalisierung wieder zurückzudrehen. Das neue Heft ist ab dem 28.9. im heise shop bestellbar und ab dem 29.9. im Handel erhältlich.

(jle)