heise meets… Lieferketten und Logistik – am Rande des Kollaps?

Wirtschaftswachstum, Wohlstand, Produktion und Konsumverhalten hängen eng an Lieferketten und Logistik. Seit zwei Jahren spüren wir eine Schieflage.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Gisela Strnad
Inhaltsverzeichnis

Im Zuge der Globalisierung haben wir uns immer stärker von Gütern, Rohstoffen und Produkten aus aller Welt abhängig gemacht, erklärt Fabian Rogalla, Logistikexperte und Inhaber der Fabian Logistik Consulting. Wenn diese Waren mit Verzögerung geliefert werden, breche die Lieferkette. Schaue man in den Transportbereich, bestünden auch hier die unterschiedlichsten Herausforderungen, die gemeistert werden müssen. In Europa sei der LKW noch das Transportmittel Nummer eins, trotz vielfältiger Probleme, wie etwa Fahrermangel und erhöhte Treibstoffkosten – dieser Herausforderung müsse sich die Logistikbranche stellen. Neueste Zahlen belegen, dass die Exporte in Deutschland um 13 Prozent und die Importe um 26 Prozent gestiegen sind.

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Seefracht: Die Staus von Containerschiffen vor internationalen Häfen sind nur geringfügig zurückgegangen. Die dadurch auftretenden Folgeprobleme müssen behoben werden: Es gibt insgesamt zu wenige Container und oftmals nicht dort, wo sie gebraucht werden. Zusätzlich verzögern Personal und Kapazitätsprobleme das Be- und Entladen. Die Häfen sind aufgrund des erhöhten Frachtaufkommens überfordert, dadurch verlängern sich auch die Verweildauern in den Häfen. Im Juni 2019 lag die Pünktlichkeit der Schiffe noch bei 80 Prozent, im Juni 2022 nur noch bei 40 Prozent. Die Seefracht hat aktuell, im Vergleich zu ihrem Fahrplan, eine durchschnittliche Verspätung von sechs Tagen.

Luftfracht: Durch die personelle Verschlankung der Fluggesellschaften und den Wegfall vieler Passagierflugzeuge konnten und können weniger Waren transportiert werden. "Die Hälfte der weltweiten Luftfracht wird in Passagierflugzeugen transportiert", so Fabian Rogalla.

Schienenverkehr: Der Schienenverkehr könnte eine Alternative zur Entlastung der Straße sein. Laut einer Prognose wird der Güterverkehr bis 2030 um etwa 40 Prozent zunehmen. Im Bahntransport kommt es immer wieder zu Reibungsverlusten im Bahntransport – nicht zuletzt belasten Baustellen am Streckennetz die Zuverlässigkeit.

Straßenfracht: Die Logistikbranche in Deutschland hatte 2019 einen Umsatz von 285 Milliarden Euro, davon haben die TOP 100 Unternehmen nur 65 Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Aktuell sind in der Branche aber 80.000 Stellen unbesetzt und jährlich kommen knapp 15.000 weitere Stellen dazu – überall fehlt es an LKW-Fahrern. "Wenn wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen, wird es Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft des Landes haben", erklärt Fabian Rogalla.

Der im August 2020 von der EU beschlossene Mobilitätspakt 1.0, der mit den aktuellen Regelungen in diesem Jahr umfänglich in Kraft tritt, verschärfe die Situation noch: Im internationalen Güterkraftverkehr benötigen Fahrzeuge über 2,5 Tonnen zulässige Gesamtmasse (zGM) eine EU-Lizenz. Das führe derzeit zusätzlich zu einer Verknappung der Transportleistungen. Um unabhängiger von den für Zwischenlagerungen nötigen Flächen zu werden, baue die Industrie inzwischen wieder eigene Lagerflächen in Deutschland auf. Von Zwischenlagerflächen müssen Waren verladen und weitertransportiert werden, hier komme es immer wieder zu Verzögerungen.

Fabian Rogalla, Logistikexperte und Inhaber der Fabian Logistik Consulting

Ein weiterer kritischer Punkt sei die Kostenexplosion durch erhöhte Treibstoffkosten, höhere Personalkosten und steigende Fahrzeugpreise. LKWs oder Equipment sind demnach bis zu 50 Prozent teurer geworden – die Kostensteigerungen in allen 3 Bereichen machen 75 Prozent der Kostenerhöhungen aus und werden an die Endverbraucher weitergegeben. Zur Stabilisierung der Lieferketten sollen Politik, Logistiker und die Industrie an Verbesserungen arbeiten. "Aber auch der Verbraucher muss seinen Fokus schärfen, dass die Globalisierung nicht nur positiv belegt ist. Wir sollten darüber nachdenken, ausgelagerte Produktionen eventuell wieder nach Deutschland zurückzuholen", sagt Fabian Rogalla.

Green Logistik ist seit Jahren auf der Agenda von Logistikunternehmen und an alternativen Antriebsmöglichkeiten über Strom, LNG, Wasserstoff und Methanol wird intensiv experimentiert. Die Digitalisierung ist unterschiedlich im Reifegrad, bei der Datenverarbeitung – und derzeit noch manuellen Aufgaben – sei noch viel Luft nach oben. Die Weichen seien gestellt.

Ein Ratschlag für Spediteure: Selbstbewusster im Umgang mit Kunden und offen über Kapazitätsgrenzen und Preise sprechen. Verbraucher müssen sich demzufolge in den nächsten Jahren darauf einstellen, dass sich die Liefersituation nicht kurzfristig entspannen wird. Verbraucher sollten auch an Ihrem Konsumverhalten arbeiten, um maßgeblich zur Gestaltung der Logistik und Lieferketten beizutragen. "Es muss nicht immer die Eilsendung sein", rät Fabian Rogalla.

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(bme)