Media Freedom Act: Verleger warnen vor "Unterwerfung der Presse"

Die EU-Kommission hat ihren Entwurf für ein Medienfreiheitsgesetz vorgestellt. Sie will den Quellenschutz und die Transparenz stärken, doch es gibt Protest.

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(Bild: Photo Kozyr/Shutterstock.com)

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Das am Freitag präsentierte Vorhaben der EU-Kommission, Medien mit einem European Media Freedom Act besser vor Einflussnahme und Überwachung durch staatliche Stellen sowie vor ungerechtfertigten Löschungen von Inhalten durch Online-Plattformen zu schützen, ist laut Kritikern gut gemeint, aber teils schlecht gemacht. Der schärfste Tadel kommt hierzulande vom Medienverband der freien Presse (MVFP) und dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV): Sie argwöhnen, dass die Presse mit der Initiative "einer weitreichenden Aufsicht durch eine europäische Medienbehörde unterworfen werden soll".

Die "Medienunfreiheitsverordnung" sei ein Affront gegen die Werte der EU und der Demokratie, rügen die Verbände. Hauptsächlicher Stein des Anstoßes: Die Kommission plant mit dem Europäischen Rat für Mediendienste eine neue Aufsichtsinstanz, die die Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für audiovisuelle Mediendienste (ERGA) ersetzen soll.

Es gebe keinen Grund für eine weitere Harmonisierung des Medienrechts auf EU-Ebene zugunsten einer stärkeren Kontrolle durch eine Medienbehörde oder mittelbar durch die Kommission, halten die Verlegerorganisationen dagegen. Vielmehr schüre das neu eingerichtete "Board" massive Befürchtungen "für eine politische Vereinnahmung der Medien". Wesentliche Teile der Pressefreiheit ständen auf dem Spiel. Vergeblich hatten der MVFP und der BDZV im Einklang mit europäischen Verlegerverbänden die Kommission aufgefordert, den Entwurf erst gar nicht anzunehmen.

Die Betreiber sehr großer Online-Plattformen mit über 45 Millionen Nutzern in der EU müssten dem Medienfreiheitsgesetz nach eine Funktion bereitstellen, die es Mediendiensteanbietern ermöglicht, sich als privilegiert nach dem Gesetz auszuweisen. So sollen die Begünstigten etwa erklären können, dass sie redaktionell unabhängig von Mitgliedstaaten und Drittländern sind und nach anerkannten Standards arbeiten. MVFP und BDVZ drängten im Vorfeld auf eine noch weitergehende "Medienausnahme", die Gegner aber als Einfallstor für Desinformation ablehnten.

Mika Beuster, Vize-Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), hält die Aufregung für "überzogen": "Es wäre schön, wenn die Verleger sich so verhielten, wie ihre Verbände gerade die Idealvorstellung präsentieren. Leider ist es um die innere Pressefreiheit in manchen Verlagshäusern nicht gut bestellt." Die im Entwurf enthaltenen Transparenzpflichten fielen sogar zu wenig ambitioniert aus: Beuster hob hervor: "Sowohl wir Journalisten als auch die Öffentlichkeit wüssten schon gern um die tatsächliche Eigentümerstruktur der Medienhäuser." Da hätte die Kommission mehr wagen dürfen.

Grundsätzlich sieht der DJV in dem Vorhaben "richtige Ansätze, um das Grundrecht der Pressefreiheit europaweit zu stärken". Die Brüsseler Exekutive wolle damit staatliche Einmischungen in die Redaktionsarbeit verbieten, "wie sie seit Jahren von rechtslastigen Regierungen in Ungarn und Polen vorgenommen werden". Das in Deutschland funktionierende System der Medienaufsicht dürfe aber nicht angekratzt werden. Das EU-Parlament beklagte am Donnerstag in Ungarn einen "Zerfall der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte". Dort sei eine "Wahlautokratie" entstanden, in der eine freie Stimmabgabe nur noch dem Schein nach durchgeführt werde.

"Die Kommission hat die Probleme des europäischen Medienmarktes verstanden", lobt auch die Civil Liberties Union for Europe prinzipiell. Die Verordnung biete jedoch noch "keine sinnvollen Antworten und keine wirksame Durchsetzung", um die meisten Herausforderungen tatsächlich zu meistern. Bleibe das Gesetz schwach, wäre dies "eine verpasste Gelegenheit".

Der Entwurf gehe "auf keines der wettbewerbsbezogenen Probleme auf den EU-Medienmärkten ein", kritisiert die Bürgerrechtsorganisation. Die Kommission habe sich jahrelang geweigert, Untersuchungen gegen Mitgliedstaaten einzuleiten, in denen die Medienfreiheit bedroht sei. In Ungarn kontrolliere die Mitteleuropäische Presse- und Medienstiftung, die enge Verbindungen zu Ministerpräsident Viktor Orbán aufweise, inzwischen mehr als vierhundert kommerzielle Medienunternehmen. In Polen habe der Ölkonzern PKN Orlen seine Rolle auf dem Medienmarkt durch die Übernahme der Polska Press ausgebaut, die sich zuvor in deutschem Besitz befunden habe.

Der Vorschlag ergänzt laut Liberties auch den bestehenden Rahmen zur Transparenz von Medieninhabern nicht angemessen. Alle Medien sollten verpflichtet werden, verlässliche und aktuelle Informationen über ihr wirtschaftliches Eigentum und ihren finanziellen Hintergrund in einer Datenbank zur Verfügung zu stellen. Ausnahmen müssten für Blogger und Bürgerjournalisten gelten, um ihre Anonymität zu wahren und "Hassverbrechen" gegen sie zu vermeiden.

Die vorgesehene Anti-Spyware-Klausel wollen die Bürgerrechtler zudem erweitert sehen auf alle Überwachungstechniken auch jenseits von Staatstrojanern wie Pegasus & Co. Die Kommission habe sich auch nicht hinreichend mit dem Problem politisch abhängiger oder voreingenommener Medienbehörden befasst, das in vielen EU-Mitgliedstaaten bestehe. Zudem falle die Medienklausel für Veröffentlichungen auf großen Plattformen zu weit aus.

Petra Kammerevert, medienpolitische Sprecherin der Europa-SPD, warnte davor, den Weg einer in den EU-Ländern direkt anwendbaren Verordnung zu gehen: "Es ist falsch anzunehmen, dass man europäisch Medienfreiheit und damit eine vielseitige und liberale Medienlandschaft in der EU absichern kann, indem man sie mit dem schärfsten zur Verfügung stehenden Mittel reguliert und dabei gleichzeitig tief in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingreift." Es gelte auch, die Presse vor Einflussnahme durch die Kommission zu schützen.

"Das Ziel ist richtig, der Weg nicht unbedingt", erklärte Moritz Körner (FDP). "Statt mehr europäische Presseaufsicht wäre mehr europäische Presseförderung sinnvoller." Auf der vorgesehenen Stärkung des Quellenschutzes und der Transparenzvorschriften sowie dem Einhegen von Spyware-Angriffen könne das EU-Parlament aber aufbauen.

"Es ist höchste Zeit zu handeln", gab die für Werte und Transparenz zuständige Vizekommissionspräsidentin, Věra Jourová, bei der Präsentation des Medienfreiheitsgesetzes als Parole aus. "Wir müssen klare Grundsätze aufstellen: Kein Journalist darf wegen seiner Arbeit bespitzelt werden; keine öffentlichen Medien dürfen zu Propagandakanälen gemacht werden." Dafür schlage man nun erstmals gemeinsame Garantien vor. Binnenmarktkommissar Thierry Breton verteidigte die skizzierte europäische Aufsichtsbehörde: Diese werde "die wirksame Anwendung dieser neuen Regeln für die Medienfreiheit fördern und Medienkonzentrationen überprüfen".

(mho)