Mikroben im Darm: Auf die richtige Mischung kommt es an

Mit einer künstlichen Darmflora wollen US-Forschende das Wechselspiel zwischen Bakterien und ihren Wirten besser verstehen – und gezielte Therapien entwickeln.

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(Bild: NIH)

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(This article is also available in English)

Der menschliche Darm ist ein unerforschtes Universum. Dort lebt bis zu eine Billion Bakterien, verteilt auf mehrere hundert Spezies. Sie sind nicht nur für die Ernährung wichtig, sondern haben auch Einfluss auf das Altern sowie auf Krankheiten wie Demenz, Autismus und Herzinfarkte. Doch über welche verschlungene Pfade genau dieses sogenannte „Mikrobiom“ mit dem Körper interagiert, ist nur schwer zu entschlüsseln.

Stanford-Forschende wählten deshalb nun einen anderen Ansatz: Statt das chaotische Ökosystem im Verdauungstrakt als Ganzes („top-down“) verstehen zu wollen, bauten sie es von Grund auf neu („bottom-up“). Indem sie gezielt bestimmte Bakterien hinzufügen, verändern oder weglassen, wollen sie die komplexen Beziehungen besser verstehen.

Der künstliche Mikroben-Cocktail musste nicht nur die gleiche Funktion wie eine natürliche Bakterienbesiedlung übernehmen, also beispielsweise bestimmte Nahrungsbestandteile aufspalten. Seine Zusammensetzung musste auch stabil bleiben – die Stämme durften sich also nicht gegenseitig verdrängen.

Die Natur war bei der Suche nach dem richtigen Rezept nur ein bedingt hilfreiches Vorbild: „Zwei zufällig ausgewählte Personen teilen sich weniger als Hälfte ihrer Mikrobiom-Gene“, schreibt die Stanford University. Um der richtigen Mischung nahezukommen, nutze das Team um Professor Michael Fischbach die Daten des Human Microbiome Projects, das die Mikrobiom-Gene von mehr als 300 Versuchspersonen sequenziert hat. Daraus wählten sie die Bakterien-Species aus, die bei mindestens 20 Prozent der Versuchspersonen präsent waren.

So kamen die Forschenden auf insgesamt 104 Stämme, die zu zunächst separat im Labor züchteten. Anschließend wurden sie in einem genau definierten Mischungsverhältnis in die zuvor sterilisierten Därme von Mäusen implantiert. Das Ergebnis: 98 Prozent der Spezies siedelten sich an, und auch nach zwei Monaten blieb ihr relatives Verhältnis zueinander konstant.

Der nächste Test sollte prüfen, wie robust die künstliche Kolonie gegenüber Eindringlinge ist. Der Theorie nach sollten neue Bakterien in einem funktionierenden Mikrobiom nur dann Fuß fassen können, wenn sie funktionale Nischen übernehmen, die zuvor nicht besetzt waren. Um diese Theorie zu testen, führten die Forschenden menschliche Stuhlproben in den Darm der Versuchstiere ein – also eine Bakteriengemeinschaft, die sich zuvor schon jahrelang bewährt hat. „Einige Beobachter dachten, das würde die eigene Kolonie dezimieren“, sagt Fischbach. Doch dem war nicht so: Am Ende des Versuchs stammten nur rund zehn Prozent der Spezies aus der Stuhl-Transplantation.

In der nächsten Versuchsrunde ließ das Forschungsteam die gescheiterten Stämme weg und nahm die neu hinzugekommenen in ihr synthetisches Mikrobiom auf, das nun 119 Stämme umfasste. Damit erwiesen sich die Mäuse noch einmal resistenter gegen die Infektion durch fremde Stämme, etwa durch pathogene Escherichia coli-Keime. Ansonsten verhielten sich die Mäuse mit künstlichem Mikrobiom genauso wie Versuchstiere mit natürlicher Darmflora.

In weiteren Studien wollen Fischbach und sein Team nun einkreisen, welche Bakterien am wichtigsten für ein widerstandsfähiges Mikrobiom sind. Das Rezept soll auch anderen Forschungsgruppen zur Verfügung gestellt werden. Das Fernziel sind gezielte Mikrobiom-Behandlungen gegen Infektionen, Krebs, Adipositas oder Neuro-Erkrankungen. Derzeit wird als Therapie nur pauschal der gesamte Stuhl von gesunden Menschen transplantiert.

(grh)