E-Government-Studie: Der digitale Ausweis kommt immer noch nicht vom Fleck

Erst 10 Prozent der Bundesbürger haben die eID im Personalausweis ausprobiert. Die E-Government-Nutzung stagniert, die digitale Schule lässt auf sich warten.

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(Bild: Bartolomiej Pietrzyk/Shutterstock.com)

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Beim Einsatz der elektronischen Identität (eID) aus dem "neuen" Personalausweis gibt es nach wie vor so gut wie keinen Zuwachs. 40 Prozent der Bundesbürger geben zwar inzwischen an, dass ihre Online-Ausweisfunktion aktiviert ist. Das ist ein Plus von 5 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Mit 10 Prozent bleibt der Anteil der Personen, die die eID nach eigenen Angaben bereits tatsächlich verwendet haben, aber fast auf Vorjahresniveau: 2021 lag die Quote bei 9 Prozent.

Die Zahlen stammen aus dem "E-Government-Monitor 2022", den die von Staat und Wirtschaft getragene Initiative D21 gemeinsam mit der TU München am Mittwoch veröffentlicht. Digitale Identitäten gelten als eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Verwaltungsdigitalisierung. Wer eine Online-Leistung wahrnimmt und etwa einen Bafög-Antrag stellt, kann diesen Dienst nicht ohne Online-Ausweis medienbruchfrei digital abschließen.

Mit der weiterhin geringen Nutzungsquote könne die eID die damit verknüpfte Hebelwirkung aber nicht entfalten, heißt es in der Studie. 74 Prozent der Anwender des Digitalausweises verwenden demnach die NFC-Schnittstelle ihres Smartphones, 31 Prozent ein spezielles Lesegerät. Eine persönliche PIN haben sich bisher nur 6 Prozent aller Ausweisinhaber besorgt.

20 Prozent der Befragten geben als Ursache für die Abstinenz an, dass sie kein Vertrauen in die eID-Funktion haben. 19 Prozent kennen sie gar nicht. Ebenso vielen sind keine Anwendungsoptionen geläufig. 18 Prozent sehen keinen Mehrwert, 13 Prozent ist die Handhabung zu umständlich. In Österreich und der Schweiz gebrauchen dagegen schon rund 63,5 Prozent eine digitale staatliche Identität.

Für die repräsentative Studie befragte das Markforschungsinstitut Kantar im April und Mai 8112 Online-Nutzerinnen und -Nutzer in Deutschland sowie je 1002 in Österreich und der Schweiz. Wie schon im Vorjahr stagniert laut den Resultaten die E-Government-Nutzung weitgehend. 54 Prozent der Bürger nahmen hierzulande innerhalb der vergangenen zwölf Monate digitale Verwaltungsdienste in Anspruch, während es 2021 52 Prozent waren. Damit ist zumindest der Wert von 2020 wieder erreicht. Der Spitzenreiter Österreich fällt sogar leicht zurück.

Wer in Deutschland Bedarf an einer Verwaltungsleistung hat, nutzt dafür meist den analogen Weg. Nur wenige Services werden mehrheitlich über den Online-Zugang in Anspruch genommen. Oft entscheiden sich Bürger bewusst für den Offline-Weg, obwohl ihnen die Online-Alternative bekannt ist.

Über alle abgefragten Leistungen hinweg liegt laut den Forschern so hierzulande eine "digitale Nutzungslücke" von 57 Prozent. Sie soll das "verpasste Potenzial" beziffern. Am höchsten ist sie bei der Ummeldung des Wohnsitzes (79 Prozent). In Österreich und der Schweiz ist die Kluft mit 42 beziehungsweise 46 Prozent kleiner.

Liegt die Lücke bei über 50 Prozent, könnte mehr als die Hälfte der Bürger theoretisch noch überzeugt werden, ihren Bedarf über die bereits vorhandene digitale Verwaltungslösung zu decken. Hürden wie eine komplizierte Abwicklung, Nichtverfügbarkeit oder mangelnde Durchgängigkeit seien aber vielfältig und im Vergleich zum vorigen Jahr noch erheblich höher geworden, geben der D21-Präsident Hannes Schwaderer und der Wirtschaftsinformatiker Helmut Krcmar zu bedenken.

Für die Beantragung staatlicher Finanzhilfen wie Ausbildungsförderung, Kindergeld oder Arbeitslosengeld liegt die digitale Nutzungslücke bei 66 Prozent und mehr. Zwei von drei Bürger beantragen diese Gelder also noch offline. Der bisher ausbleibende Erfolg beginnt laut den Herausgebern schon bei der fehlenden Bekanntheit vieler digitaler Leistungen. Dass man Urkunden, Kindergeld oder Arbeitslosengeld auch online beantragen kann, wissen beinahe die Hälfte der Bürger mit entsprechenden Bedarfen nicht.

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Hier könnten Werbekampagnen helfen, ist der Studie zu entnehmen. Sei ein digitales Verfahren erst einmal erprobt, liege die Wiedernutzungsbereitschaft fast durchgängig bei über 90 Prozent. Bislang sind Suchmaschinen der wichtigste Zugang zu digitalen Verwaltungsangeboten.

Eine der am häufigsten online genutzten Verwaltungsleistungen ist die Terminvereinbarung mit einer Behörde: 70 Prozent der Befragten haben dies bereits gemacht. Dies zeigt die immer noch große Abhängigkeit der Bevölkerung von analogen Vorgängen bei der Erledigung ihrer Verwaltungsbedarfe, weil sehr oft ein Präsenztermin angestrebt wird.

Die Einkommensteuererklärung haben 60 Prozent der Bundesbürger bereits online per Elster abgegeben. Trotzdem entscheidet sich jeder Sechste bewusst auch hier gegen das digitale Verfahren, weil insbesondere die Zufriedenheit mit der Bedienbarkeit vergleichsweise verhalten ausfällt. Die Erhebung fand vor der Grundsteuerneuberechnung statt, die die Zufriedenheitswerte vermutlich weiter reduziert hätte.

Zwischen den Bundesländern variiert die E- Government-Nutzung aktuell von 47 Prozent bis 64 Prozent, es gibt also eine Differenz von 17 Prozentpunkten. Die besten Werte erzielen die Stadtstaaten Hamburg und Bremen, gefolgt von den kleinen Flächenländern Schleswig-Holstein und Saarland. Den fünften Platz belegt Nordrhein-Westfalen.

Nachdem die allgemeine Zufriedenheit der Bürger mit dem verfügbaren Online-Angebot ihrer Kommune während der Corona-Pandemie auf ein Allzeittief von 47 Prozent gefallen war, fragten die Macher diese gar nicht mehr ab. Stattdessen interessierten sie sich diesmal nur für das Behagen rund um einzelne Online-Verwaltungsleistungen. Hier schnitt die wenig genutzte Leistung der Urkundenbestellung mit 85 Prozent am besten ab. Über die Online-Beantragung von Ausbildungsförderung wollten nur 66 Prozent nicht klagen.