OLG-Urteil: SUV-Fahren rechtfertigt kein erhöhtes Bußgeld

Mit einem SUV bei Rot weiterzufahren müsse teurer sein als mit einem "normalen" Pkw, meinte ein Amtsgericht. Das sieht die Schlussinstanz anders.

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Ein Volvo-SUV prallt in einem Crashtest mit 64 km/h frontal auf.

(Bild: Volvo Car Group, Symbolbild)

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Ein SUV-Fahrer, der bei Rot in eine Straßenkreuzung gefahren ist, muss ein erhöhtes Bußgeld bezahlen – aber nicht wegen des Fahrzeugs, sondern weil er vorbelastet war. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main klargestellt. Das Amtsgericht hatte den SUV-Fahrer über ein einmonatiges Fahrverbot hinaus mit einer erhöhten Geldbuße von 350 Euro belegt und dies mit der besonderen Bauart des Fahrzeugs und der Gefährdung begründet, die sich daraus ergebe. Der Bußgeldkatalog sieht 200 Euro Geldbuße vor (Az. 3 Ss-OWi 1048/22).

Das OLG meinte in der nun bekannt gegebenen Entscheidung, bei der Bemessung einer Geldbuße dürfe von dem im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelfall nur abgewichen werden, wenn der Einzelfall deutlich vom Normalfall abweiche. Dafür reiche aber nicht der pauschale Verweis, dass der Rotlichtverstoß mit einem "SUV" begangen worden sei. Der Beschuldigte habe aber 13 Monate vor dem neuerlichen Vorfall einen Rotlichtverstoß begangen, daher sei die erhöhte Geldbuße gerechtfertigt.

Das Amtsgericht hatte in seiner Entscheidung argumentiert, "aufgrund der kastenförmigen Bauweise und den höher angeordneten Frontstrukturelementen stellt dieses Fahrzeug im Falle eines Unfalls eine größere Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer dar". Wegen der "größeren abstrakten Gefährdung" sei der begangene Rotlichtverstoß gravierender als der Normalfall, schließlich sollten Ampeln vor Kollisionen schützen (Az. 974 OWi 533 Js-OWi 18474/22).

Diese vom Amtsgericht erwähnte "größere abstrakte Gefährdung" beziehungsweise Verletzungsgefahr reicht nach Ansicht des OLG nicht, um einen außergewöhnlichen Umstand festzustellen. Dafür reiche es nicht, einen "diffusen Fahrzeugtyp" zu benennen, der Einzelfall müsse genauer betrachtet werden. Zudem sei dieser Fahrzeugtyp nicht trennscharf bestimmbar.

Das Amtsgericht habe nicht die "die wesentlichen gefährdungsrelevanten Charakteristika" dieses Einzelfalls ergründet, meint das OLG weiter. Die Gruppe der SUV sei sehr heterogen, daher könne nicht von dieser Gruppenzugehörigkeit auf eventuelle Gefahren geschlossen werden. Das Amtsgericht sei obendrein von einer erhöhten Verletzungsgefahr ausgegangen, die durch Untersuchungen widerlegt worden sei.

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Das OLG betonte, der Bußgeldkatalog diene der "gleichmäßigen Behandlung sehr häufig vorkommender, wesentlich gleich gelagerter Sachverhalte". Er solle für eine Schematisierung sorgen, sodass grundsätzlich "besondere Umstände des Einzelfalls zurücktreten". Nur ein deutliches Abweichen vom Normalfall rechtfertige deshalb eine Abweichung vom Bußgeldkatalog. Die Entscheidung kann nicht angefochten werden.

Sport Utility Vehicles oder auch sportliche Geländewagen setzen sich seit Jahren auf deutschen Straßen immer mehr durch. Schon 2011 hatte die Unfallforschung der Versicherer (UDV) diese Fahrzeuge in einer Studie betrachtet und kam zu dem Schluss, "bei globaler Betrachtung unterscheidet sich das Unfallgeschehen von SUV verglichen mit allen Pkw bei Unfällen mit Personenschaden kaum".

Es gebe kein "besonderes Fehlverhalten" von SUV-Fahrern, hieß es weiter, die typische Risikogruppe der jungen Fahrer sei bei SUV unterrepräsentiert. SUV-Halter seien häufiger selbständig oder leitende Angestellte und würden jährlich 30 Prozent mehr als durchschnittliche Autofahrer fahren. "SUV-Fahrer fühlen sich sicherer im Straßenverkehr, schätzen den eigenen Fahrstil etwas entspannter, aber auch etwas weniger vorschriftsmäßig ein", stellte die UDV fest. Allerdings hätten bei Kollisionen zwischen Pkw und SUV die Pkw-Insassen ein deutlich höheres Risiko, verletzt oder gar getötet zu werden. Das gelte besonders dann, wenn der SUV groß sei beziehungsweise einen Leiterrahmen habe.

Auch vor diesem Hintergrund hatte UDV-Leiter Siegfried Brockmann das Urteil des Amtsgerichts Ende Juni dieses Jahres gescholten. Abgesehen von juristischen Finessen sei es fraglich, ob von einem SUV überhaupt eine höhere Gefahr ausgehe. Für die Aufprallenergie sei die Geschwindigkeit wichtiger als das Gewicht. "Überfährt also ein Kleinwagen mit 80 km/h das Rotlicht, ist das gefährlicher als ein SUV mit 30 km/h", erläuterte Brockmann. Die Geschwindigkeit sei aber in dem vorliegenden Fall gar nicht ermittelt worden.

Auch müsse die Bauform nicht an sich gefährlicher sein. Kleinwagen mit kurzer Haube würden eine größere Gefahr für Fußgänger bergen, mit dem Kopf auf den Scheibenrahmen aufzuprallen und damit auf den härtesten Teil dieses Bereichs. Die Höhe der SUV sei für Erwachsene kein besonderes Problem, aber für Kinder. Das gelte aber eher beim Ausparken und nicht in voller Fahrt, bei der Fahrer einige Meter vorausblickten.

(anw)