Einschätzung des Sterberisikos per Smartphone

Bewegungssensordaten von nur 6 Minuten Gehen reichen aus, um das Fünf-Jahres-Sterberisiko vorherzusagen. Das ergab eine Studie mit mehr als 100.000 Erwachsenen.

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(Bild: My Life Graphic/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Andreas Knobloch

Die Daten von nur sechs Minuten Gehen, die über Bewegungssensoren in Smartphones erfasst werden, könnten ausreichen, um das Sterberisiko einer Person in den nächsten fünf Jahren vorherzusagen. Das berichtete die in Großbritannien herausgegebene populärwissenschaftliche Zeitschrift New Scientist in ihrer Online-Ausgabe.

In früheren Studien wurde das Sterberisiko anhand des täglichen körperlichen Aktivitätsniveaus geschätzt, das mit Bewegungssensoren in Geräten wie Fitnessuhren gemessen wurde, so der Bericht. Während Smartwatches und Fitness-Tracker aber nur von einer Minderheit benutzt werden, besitzen die meisten Menschen ein Smartphones mit ähnlichen Sensoren.

Um eine alternativen Vorhersagevariable für die Berechnung des Sterblichkeitsrisikos zu finden, die mit Smartphones messbar ist, untersuchte ein Team um Bruce Schatz von der University of Illinois Urbana-Champaign die Daten von 100.655 Teilnehmern einer britischen Biobank-Studie, die seit mehr als 15 Jahren Informationen über die Gesundheit von Erwachsenen mittleren und höheren Alters in Großbritannien sammelt. Im Rahmen dieser Studie trugen die Teilnehmenden eine Woche lang Bewegungssensoren an ihren Handgelenken. Etwa zwei Prozent der Teilnehmenden starben in den folgenden fünf Jahren.

Die Forscher ließen die Bewegungssensor- und Sterbedaten von etwa einem Zehntel der Teilnehmer durch ein maschinelles Lernmodell laufen, das einen Algorithmus entwickelte, der das Fünf-Jahres-Sterberisiko anhand der Beschleunigung während eines sechsminütigen Spaziergangs schätzte. "Bei vielen Krankheiten, insbesondere bei Herz- und Lungenkrankheiten, gibt es ein sehr charakteristisches Muster, bei dem die Menschen langsamer werden, wenn sie außer Atem sind, und in kurzen Zeitabständen wieder schneller werden", sagt Schatz. Tests anhand der Daten der anderen Teilnehmer zeigten, dass die Genauigkeit des Modells mit anderen Kennzahlen zur Schätzung der Lebenserwartung, wie etwa tägliche körperliche Aktivität oder Fragebögen zum Gesundheitsrisiko, vergleichbar ist.

In der Studie wurden zwar Bewegungssensoren am Handgelenk verwendet, aber auch Smartphones können laut Schatz die Beschleunigung bei kurzen Spaziergängen messen. Eine solche Studie sei geplant. "Wenn die Leute ihre Handys bei sich tragen, könnte man eine wöchentliche oder tägliche Vorhersage machen, und das ist etwas, was man mit keiner anderen Methode erreichen kann", so Schatz.

Wenn aber über Bewgungssensoren von Smartphones, Smartwatches oder Fitness-Trackern erfasstes sechsminütiges Gehen ausreicht, um das Sterberisiko zu beziffern, zeigt dies auch, welch sensible persönliche Daten von solchen Geräten erfasst werden.

Erst vor einem Jahr standen mehr als 60 Millionen Datensätze von Wearables und Fitness-Trackern von Nutzern aus aller Welt ungesichert online. Damals waren besonders Fitbit- und Apples HealthKit-Daten betroffen.

Wissenschaftler mahnen seit Längerem eine stärkere Regulierung von Wearables und anderer am und im Menschen getragener Technik an. Das "Internet der Körper" wirft viele ethische Fragen auf, so Forscher der US-Denkfabrik RAND in einer Ende 2020 veröffentlichten Studie. Fitness-Armbänder und Smartwatches sammelten immer mehr sensible persönliche Daten, was nicht nur die Privatsphäre untergräbt. Gesetzgeber sollten daher Vorgaben rund um die Transparenz und den Schutz der erhobenen sensiblen persönlichen Informationen machen, so die RAND-Forscher.

Erst am Dienstag wurde am Sozialgericht Berlin stundenlang die Frage behandelt, ob die Gesundheitsdaten aller rund 73 Millionen gesetzlich Versicherten hierzulande zentral für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt werden sollten. Der Vorsitzende Richter äußerte dabei Zweifel an der zentralen Massenspeicherung von Gesundheitsdaten.

(akn)