Suchmaschinen sollen Webseiten zu sexuellem Kindesmissbrauch nicht mehr anzeigen

Der EU-Rat will jenseits von Chatkontrolle und Websperren auch Google & Co. stärker in den Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch im Internet einbeziehen.

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(Bild: Tinnakorn jorruang / Shutterstock.com)

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Die tschechische Präsidentschaft des EU-Ministerrats arbeitet an einer Kompromisslinie zum Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zum Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern im Internet. Das besonders umstrittene zweite Kapitel mit den Details zur geplanten Chatkontrolle mit Scans privater Nachrichten und Websperren durch Zugangsanbieter hat die Ratsspitze noch ausgespart. Dafür drängt sie aber etwa schon im ersten Kapitel zu allgemeinen Bestimmungen auf Verschärfungen.

Neu aufgenommen werden soll in diesen Teil eine Pflicht für Anbieter von Online-Suchmaschinen, Webseiten, "die auf bestimmte Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch hinweisen", nicht mehr anzuzeigen. Google, Bing & Co. will die tschechische Regierung neben Hosting- und Zugangsanbietern, App-Store-Betreibern und "interpersonellen Kommunikationsservices" auch in die Liste der "relevanten Dienste der Informationsgesellschaft" aufnehmen, die von der vorgesehenen Verordnung betroffen sind.

Dies geht aus dem entsprechenden, als vertraulich eingestuften Kompromissvorschlag hervor, den die Ratspräsidentschaft am 26. Oktober an die Arbeitsgruppe für Strafverfolgung des Rats geschickt hat. Die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch hat das Papier jetzt zusammen mit dem vergleichbaren, vom 12. Oktober stammenden Ansatz für das dritte Kapitel zur Durchsetzung der Bestimmungen veröffentlicht.

Mit dem Kommissionsentwurf sollen vor allem auch Anbieter durchgängig verschlüsselter Messaging- und anderer Kommunikationsdienste wie WhatsApp, Apple, Signal und Threema über behördliche Anordnungen dazu verpflichtet werden können, Fotos und Videos von Kindesmissbrauch in den Nachrichten ihrer Nutzer ausfindig zu machen und die private Kommunikation flächendeckend zu scannen. Zugangsanbieter müssen zudem prinzipiell URLs blockieren, die auf einschlägige Bilder oder Videos hinweisen, die nicht in zumutbarer Weise an der Quelle entfernt werden können.

Um das Risiko von Irrtümern zu minimieren, soll eine neue EU-Zentralstelle die von den Anbietern gemeldeten Fälle von möglichem sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet überprüfen, bevor sie sie an nationale Strafverfolgungsbehörden und Europol weiterleitet. Die Mitgliedsstaaten müssten unter anderem eine oder mehrere kompetente Behörden benennen, die über ein nationales Koordinationsamt mit der Zentralstelle zusammenarbeiten.

Die Ratsführung drängt hier auf einen längeren Übergangszeitraum für die Angabe der entsprechenden Instanzen der EU-Länder, der statt zwei nun sechs Monate betragen soll. Die Befugnisse der Zentralstelle gehen den Tschechen zudem zu weit. So soll sie den potenziellen Bedarf, Anordnungen zum "Aufdecken" privater Kommunikation, zum Löschen, Entfernen oder Verbergen von Inhalten nicht "prüfen", sondern nur "ihre Meinung" dazu abgeben können. Das gleiche gilt für die spätere Einschätzung der Effektivität eines einschlägigen Beschlusses.

Ein Dorn im Auge ist den Mitgliedsstaaten laut den Änderungswünschen der Ratspräsidentschaft auch, dass die nationalen Koordinierungsbehörden völlig unabhängig sein sollen. Die entsprechenden Ausführungen der Kommission, wonach die entsprechenden Stellen rechtlich und funktional auf keine andere öffentliche Autorität angewiesen sein dürften sowie objektiv und unabhängig ohne externen Einfluss entscheiden könnten müssten, wollen die Tschechen gestrichen wissen.

Insgesamt fordert die Ratsspitze bislang vergleichsweise wenig Änderungen an den Kapiteln 1 und 3. Die Arbeiten am besonders umkämpften Mittelteil dauern offenbar noch an. Dazu dürfte es auch mehr Korrekturwünsche geben. Laut einem internen Stimmungsbild der Rats-Arbeitsgruppe Strafverfolgung aus dem Sommer waren zu diesem Zeitpunkt vor allem Deutschland und Österreich gegen eine massive Überwachung privater Nachrichten. Die FDP-geführten Bundesministerien für Digitales und Justiz hatten zuvor rote Linien gegen die Chatkontrolle aufgestellt. Sie wollen etwa verhindern, dass die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Messengern unterwandert wird.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags schätzte die geplante SpyPhone-Verordnung jüngst als unvereinbar mit den Grundrechten ein. Die Initiative wäre demnach hierzulande voraussichtlich verfassungswidrig. Auch im EU-Parlament hinterfragen federführende Abgeordnete das Vorhaben. Zivilgesellschaftliche Organisationen laufen seit Längerem dagegen Sturm und untermauern ihre Kritik immer wieder.

(olb)