Quick Freeze soll Vorratsdatenspeicherung ersetzen

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat einen Vorschlag vorgelegt: Mit Quick Freeze sollen nur bei Verdacht auf eine Straftat Verbindungdaten gesichert werden.

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Vorratsdatenspeicherung

(Bild: hispan/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Falk Steiner
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Der Europäische Gerichtshof erteilte der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung in Deutschland im September eine klare Absage. Nun hat Justizminister Marco Buschmann einen Referentenentwurf vorgelegt, in dem er eine alternative Vorgehensweise vorgeschlägt: das sogenannte "Quick Freeze"-Verfahren. Damit sollen die Telekommunikationsbetreiber künftig nur dann verpflichtet werden können, Verbindungs- und Standortdaten zu sichern, wenn ein Anfangsverdacht auf eine erhebliche Straftat vorliegt. Erhebliche Straftaten sind etwa Mord, Menschenhandel, Raub, Erpressung sowie Verbreitung, Erwerb und Besitz von Darstellungen sexuellen Missbrauchs. Bei der – bereits seit Längerem ausgesetzten – Vorratsdatenspeicherung sind Telekommunikationsanbieter verpflichtet, Verbindungs- und Standortdaten auch ohne Anlass monatelang zu speichern.

Gemäß Buschmanns Quick-Freeze-Entwurf muss es ein Richter genehmigen, dass die Sicherung der Daten angeordnet wird; bei einer solchen Anordnung muss noch kein konkreter Tatverdacht genannt werden. Provider müssten die Daten nach Stand der Technik gesichert, also etwa verschlüsselt, ablegen. Dabei geht es um Verbindungsdaten, die der Provider zum Zeitpunkt des Freeze vom Nutzer hat, sowie alle weiteren Daten, die ab diesem Zeitpunkt anfallen. Falls weitere Ermittlungen den tatsächlichen Bedarf ergeben, können diese Daten "aufgetaut" werden, was wiederum der Zustimmung eines Richters bedarf.

Standortdaten fallen vor allem in Mobilfunknetzen an. Sie werden von den Telekommunikationsanbietern zu internen Zwecken in der Regel ohnehin eine Zeit lang gespeichert; darauf baut der Referentenentwurf. Nach dem Einfrieren sollen die Standortdaten von den Behörden nur dann verwendet werden dürfen, wenn dies für die Erforschung der Straftat erforderlich ist oder der Aufenthaltsort eines Beschuldigten darüber herausgefunden werden soll.

Justizminister Marco Buschmann setzt sich dafür ein, die anlasslose Speicherung von Datenverkehr- und Standortdaten zu beenden.

(Bild: Twitter)

Mit dem Entwurf will Buschmann den ewigen Streit beenden, der vor allem die Gerichte beschäftigte, seit die Vorratsdatenspeicherung 2006 erstmals als EU-Richtlinie eingeführt wurde. Die Mitgliedstaaten setzten sie in nationale Gesetze um, das Bundesverfassungsgericht verwarf jedoch die deutsche Version 2008 als nichtig. Zugleich erklärte es sie aber in abgespeckter Form für grundsätzlich zulässig und geeignet.

Anders die Richter beim Europäischen Gerichtshof: 2014 kippten sie die europäische Richtlinie als unvereinbar mit europäischen Grundrechten. Im September 2022 entschied der EuGH über die deutsche Neuauflage von 2014. Die sei in der aktuellen Form unzulässig, urteilten die Richter, erklärten aber auch detailliert, wann und wie eine Speicherung von Verbindungs- und Standortdaten auf Vorrat in engen Grenzen doch zulässig sein kann.

Der Referentenentwurf aus dem Justizministerium ist nun in der Ressortabstimmung. Nach einem Beschluss des Bundeskabinetts wird der Bundestag über die konkreten Formulierungen beraten. Es stehen wohl intensive Gespräche bevor, denn während Buschmann Quick Freeze als "Zugewinn an Sicherheit" sieht, will Innenministerin Faeser (SPD) mehr. Insbesondere IP-Adressen sollten ihrer Ansicht nach künftig wieder auf Vorrat gespeichert werden, was laut EuGH zulässig wäre. Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Günter Krings erklärte, der Entwurf sei unzureichend und die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nötig, um Straftaten aufzuklären.

Ob auf EU-Ebene noch einmal ein neuer Anlauf unternommen wird, um europaweit einheitliche Regelungen zu treffen, ist unklar. Nur Österreich verwendet bisher ein Quick-Freeze-Verfahren.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber zeigte sich auf Anfrage von c’t angetan: Quick Freeze sei eine sinnvolle Alternative zur Vorratsdatenspeicherung. "Nachdem die Gerichte einer allgemeinen, anlass- und unterschiedslosen Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten immer wieder Absagen erteilt haben, sollten wir nun endlich die Dinge tun, die mit dem Gesetz vereinbar sind und den Betroffenen wirklich helfen", sagt Kelber. Mit Quick Freeze würden Grundrechte geschont, den Strafverfolgungsbehörden aber dennoch wirksame Instrumente an die Hand gegeben.

Innenministerin Nancy Faeser möchte zumindest für IP-Adressen an der Vorratsdatenspeicherung festhalten.

(Bild: Quelle: Bundesministerium des Innern und für Heimat)

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(dwi)