Petition: US-Behörden sollen Online-Manipulation von Kindern verbieten

Mehrere US-Organisationen fordern besseren Online-Schutz für Kinder. In einer Petition nehmen sie Regulierungsbehörden in die Verantwortung.

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(Bild: VSFPHoto/Shutterstock.com)

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In den USA fordern Kinderschutz-, Datenschutz- und Gesundheitsverbände in einer am Donnerstag eingereichten Petition besseren Schutz von Kindern mit Blick etwa auf Videospiele, Apps und soziale Netzwerke. Zusammen verlangen mehr als 20 Verbände ein Verbot durch die US-Handelsbehörde (FTC), um Kinder online vor Techniken zu schützen, die eine fortwährende Aufmerksamkeit fordern und fördern. Im Visier haben die Kinderschützer Likes, virtuelle Belohnungen und endlose Inhalte, die dazu führen, dass Kinder mehr Zeit online verbringen.

Die genutzten Aufmerksamkeitstechniken würden unvorhersehbare Belohnungen anbieten und seit langem bekannte psychologische Effekte ausnutzen, so die Kinder- und Jugendschützer. In der Psychologie beschreibt "Operante Konditionierung" etwa die Verstärkung gegensätzlicher Effekte. Positiv sind dabei etwa die regelmäßigen Belohnungen für langes Spielen oder das Ansehen von Werbung, negativ der mangelnde Fortschritt, wenn man inaktiv bleibt. Zusätzlich soll das Nutzen von Techniken, die sozialen Druck (Likes) bei Minderjährige aufbauen, von der FTC unterbunden werden, berichtet die New York Times.

Designmerkmale, die Zeit und Aktivität von Kindern im Internet maximieren, seien zutiefst schädlich für Gesundheit und Sicherheit, so einer der Verfasser in der 129 Seiten langen Petition (PDF). Die FTC könne und müsse Regeln aufstellen, um zu klären, wann diese aufmerksamkeitsfordernden Designpraktiken eine Grenze überschreiten, die bei Kindern und Jugendlichen Angstzustände, Depressionen, Essstörung und Selbstverletzungen auslösen können.

Namentlich erwähnt werden in der von Fairplay (gemeinnützige Interessenvertretung für Kinder) und dem Center for Digital Democracy (Gruppe für Datenschutz und digitaler Rechte von Kindern) angeführten Petition etwa TikTok, Twitter, Youtube, Facebook, Instagram, Snapchat oder die Apps und Videospiele "Candy Crush Saga", "Monsters High Beauty Shop" oder "My Talking Tom" – das bereits seit über zehn Jahren in den App-Stores verfügbar ist. Zu den weiteren Unterzeichnern für die Einschränkung aufmerksamkeitsheischender Techniken bei Kindern und Jugendlichen zählen dem Bericht zufolge die American Academy of Pediatrics und das Network for Public Education.

Auch die umstrittenen Lootboxen, die beispielsweise Electronic Arts erneut in der ohne Altersbeschränkung freigegebenen Fußballsimulation "FIFA 23" einsetzt, gehören zu den kritisierten Techniken. Weit verbreitet ist mittlerweile auch der Battlepass, der etwa in dem Free2Play-Shooter "Overwatch 2" von Activision und dem neuen "Call of Duty: Modern Warfare II" Teil des Spiels sind. Der kostenpflichtige Battlepass bietet neben kosmetischen Items auch neue Waffen und Ausrüstungen, die allerdings erst durch regelmäßiges Spielen freigeschaltet werden – so sind Geld und viel Spielzeit nötig, um an die bei Spielern begehrten Objekte zu gelangen. Zusätzliche Angebote finden sich in den In-Game-Shops der jeweiligen Spiele, die mit einer In-Game-Währung bezahlt werden, die erspielt oder gekauft werden muss.

Die Petition komme dem Bericht zufolge zu einem Zeitpunkt, an dem sich Gesetzgeber, Aufsichts- und Gesundheitsbehörden bereits mit Aufmerksamkeitstechniken und Online-Tracking auf populären Online-Plattformen befassen. Ziel der Behörden sei es, die Risiken für Minderjährige zu minimieren. Plattformen, die sich durch Werbeeinnahmen finanzieren, und dazu "routinemäßig Datenerfassungstechniken und überzeugende Designelemente nutzen", um Nutzer möglichst lange auf einer Website oder in einer App zu halten und Interaktionen zu fördern, sollen sich an grundlegende Sicherheitsstandards halten.

Analog zum Auto sollen die Diensteanbieter Kinder und Jugendliche demnach mit einem "digitalen Äquivalent von Sicherheitsgurten und Airbags für junge Nutzer" schützen. Denn, je mehr Zeit auf den Plattformen verbracht werde, desto wahrscheinlicher sei die Ausspielung von mehr und angepasster Werbung. Dafür nutzen etwa TikTok, Instagram und YouTube Algorithmen für die Inhalteempfehlungen, Hinweise auf Smartphones und aufeinanderfolgende Videos, die automatisch abgespielt werden und die Aufmerksamkeit der Kinder und Jugendlichen fordern.

Bürgerrechtsexperten in den USA sehen allerdings auch mögliche Probleme, die mit den Schutzmaßnahmen Einzug erhalten könnten. So argumentieren sie etwa, dass Kinder und Jugendliche einer verschärften Überwachung ausgesetzt werden könnten. Auch die Suche nach Themen zur Geschlechtsidentität und sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte (SRGR) könnte demnach eingeschränkt werden, berichtet die New York Times.

In Großbritannien schützt seit dem 2. September 2021 der "Children's Code" das Wohl der Kinder mit umfassenden Sicherheitsvorkehrungen. Online-Diensteanbieter müssen sich an die Vorgaben halten, sofern die Nutzung von Kindern und Jugendlichen möglich oder vorgesehen ist. Kalifornien hat mit dem "Kids Online Safety Act" im September den Schutz von Kindern und Jugendlichen per Gesetz verstärkt.

Auf Druck der EU machte zuletzt TikTok Zusagen zum besseren Schutz vor versteckter Werbung, die hauptsächlich junge Menschen beeinflussen würden. Zuvor hatte der Verbraucherschutz die genutzten Techniken angemahnt. Anschließend wurde durch Recherchen von STRG_F bekannt, dass bereits Kinder auf TikTok mit Drogen in Kontakt kommen und diese sogar in der Video-App des chinesischen Anbieters bestellen können. Die Algorithmen spielten dabei die passenden Empfehlungen aus, mit denen man tatsächlich an Kokain und Ecstasy-Pillen komme.

(bme)