UN-Klimakonferenz: Ärmere Länder erhalten Ausgleich für Klima-Schäden

Ärmere Staaten sollen Geld für Klimaschäden erhalten, hat die Klimakonferenz beschlossen. Beim Eindämmen der Klimakrise gibt es jedoch viel Frust.

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(Bild: Liv Oeian/Shutterstock.com)

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Larissa Schwedes
  • Johannes Sadek
  • Martina Herzog
  • Torsten Holtz
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Es ist ein Durchbruch nach jahrzehntelangen Debatten: Die Weltklimakonferenz hat sich erstmals auf einen gemeinsamen Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern geeinigt. In ihrer Abschlusserklärung bekräftigten die rund 200 Staaten am frühen Sonntagmorgen außerdem ihre frühere Entscheidung, schrittweise aus der Kohle auszusteigen. Ein Abschied von Öl und Gas wird aber nicht erwähnt. Damit bleibt die Erklärung hinter den Forderungen vieler Staaten, Klimaaktivisten und Experten zurück, die ein Ende der Abhängigkeit von schmutzigen Energieträgern als zwingend betrachten.

Der neue Ausgleichsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern – etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch der steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung. Die Frage hatte sich als größter Streitpunkt durch die zweiwöchige Konferenz in Scharm el Scheich gezogen, die um mehr als 36 Stunden verlängert wurde.

In dem Beschluss werden keine Summen für den neuen Fonds genannt und auch nicht, wer genau einzahlen soll. Dies soll später geklärt werden. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind.

In der Abschlusserklärung werden die Staaten außerdem aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Diese findet Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Die Nachbesserungen bleiben freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht.

Die Konferenz, zu der etwa 34.000 Teilnehmer ans Rote Meer gereist sind, war am Freitagabend in die Verlängerung gegangen. In der Nacht zum Samstag war nach schleppenden und teils chaotischen Abläufen in Verhandlungskreisen Beunruhigung ausgebrochen. Nach zähen Beratungen folgte am frühen Sonntagmorgen schließlich der Durchbruch.

Die USA hatten den neuen Ausgleichsfonds zunächst blockiert, während die als G77 bekannte Gruppe aus mehr als 130 Entwicklungsländern zusammen mit China Druck aufbaute. Die Europäische Union schwenkte nach anfänglicher Zurückhaltung schließlich um.

UN-Generalsekretär António Guterres nannte den neuen Fonds für Klimaschäden einen wichtigen Schritt in Richtung Gerechtigkeit. "Sicherlich ist das nicht ausreichend, aber es ist eine dringend notwendiges Signal, um verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen." Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte: "Damit schlagen wir ein neues Kapitel in der Klimapolitik auf."

Umstritten bei dem Thema ist unter anderem die Rolle Chinas. Das Land, das beim Ausstoß klimaschädlicher Emissionen den ersten Platz belegt, will im internationalen Klimaschutz weiter als Entwicklungsland behandelt werden. So wurde es vor 30 Jahren im Kyoto-Protokoll festgelegt. Westliche Staaten wollen das Land wegen seiner Wirtschaftskraft und der Rolle als größter Verursacher von Treibhausgasen aber nicht länger als Empfängerland einstufen. Chinas Unterhändler Xie Zhenhua sagte, Entwicklungsländer sollten das Geld erhalten, räumte "verletzlichen Staaten" aber Vorrang ein.

Bei der drängenden Eindämmung der Erderwärmung stellen Umweltorganisationen der Konferenz ein ungenügendes Zeugnis aus. Das "deprimierende Ergebnis" gehe darin nicht über die Klimakonferenz im vergangenen Jahr hinaus, kritisierte Klima-Experte Jan Kowalzig von Oxfam. Es sei nicht einmal gelungen, einen klaren Fokus auf den Ausbau erneuerbarer Energien zu legen – was insbesondere am Widerstand Saudi-Arabiens gelegen habe.

Baerbock beklagte: "Dass aufgrund der Blockade von einigen großen Emittenten und ölproduzierenden Staaten überfällige Schritte zur Minderung und zum Ausstieg aus fossilen Energien verhindert wurden, ist mehr als frustrierend." Auch EU-Vizekommissar Frans Timmermans kritisierte, die Abschlusserklärung sei "nicht genug als Schritt voran für die Menschen und den Planeten".

2015 hatte die Weltgemeinschaft in Paris vereinbart, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, lobte den Beschluss zu Ausgleichszahlungen, mahnte aber an: "Nun müssen die Verursacher der Klimakrise zu ihrer Verantwortung stehen und den neuen Hilfstopf ordentlich befüllen." Gerächt habe sich allerdings, dass die Industriestaaten den Entwicklungsländern seit Jahren die zusagten Hilfszahlungen schuldig geblieben sind.

Eigentlich sollten Letztere mit 100 Milliarden US-Dollar jährlich unterstützt werden. Dass dies nicht passiert sei, habe verständliches Misstrauen ausgelöst, so Kaiser. "Hätten insbesondere die USA ihre Rechnung bezahlt, wären die G7 in einer besseren Verhandlungsposition gewesen, auch China und andere Schwellenländer schon jetzt zur Einzahlung in den Fonds zu verpflichten. Am Ende dieser Klimakonferenz klebt somit ein kleines Pflaster auf einer riesigen klaffenden Wunde."

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich unzufrieden über das Ergebnis der Weltklimakonferenz in Ägypten geäußert. «Auf der COP27 wurde am 1,5-Grad-Ziel festgehalten. Leider haben sich jedoch weder die größten Emittenten der Welt dazu verpflichtet, fossile Brennstoffe schrittweise abzubauen, noch wurden neue Verpflichtungen zum Klimaschutz eingegangen», sagte die Deutsche am Sonntag.

Als Erfolg beschrieb sie lediglich die in Scharm el Scheich getroffenen Absprachen für einen Fonds zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern. «Mit der COP27 wurde ein kleiner Schritt in Richtung Klimagerechtigkeit getan, aber der Planet braucht noch viel mehr», sagte sie. «Wir haben ein paar Symptome behandelt, aber den Patienten nicht von seinem Fieber geheilt.»

Zu dem geplanten Fonds sagte von der Leyen, man habe die Grundlagen für eine neue Form der Solidarität zwischen denjenigen, die Hilfe benötigten, und denjenigen, die helfen könnten, geschaffen. Damit werde wieder Vertrauen aufgebaut. «Es ist entscheidend, dass wir vorankommen, denn ohne Klimagerechtigkeit kann auch nicht dauerhaft gegen den Klimawandel vorgegangen werden», sagte sie.

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Beim neu geschaffenen Klima-Fonds für unabwendbare Folgen der Erderwärmung sind eine juristische Haftung oder Entschädigung nach Angaben der USA ausgeschlossen. Der Fonds werde sich darum drehen, was jetzt zur Unterstützung getan werden könne, teilte ein Sprecher des US-Außenministeriums am Sonntag mit.

Der US-Klimabeauftragte John Kerry begrüßte die Einrichtung des neuen Fonds zur Frage, wie die Welt die besonders verletzlichen Länder unterstützen könne. Es sei «einer von vielen verfügbaren Wegen für das freiwillige Aufbringen von Mitteln» und sollte auf einen breiten Kreis an Gebern aufbauen.

Der bei der Klimakonferenz in Ägypten geschaffene Ausgleichsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern - etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung. Die Frage hatte sich als größter Streitpunkt durch die zweiwöchige Konferenz gezogen, die um fast 40 Stunden verlängert wurde. Die USA hatten Gespräche dazu lange Zeit blockiert.

Die reichen Industrieländer hatten sich lange gewehrt gegen solche Ausgleichszahlungen mit dem Argument, daraus könne eine Haftung auch für in der Vergangenheit entstandene Klimaschäden entstehen. Bei der Pariser Klimakonferenz 2015 hatten die Länder sich aber bereits geeinigt, dass die sogenannten Schäden und Verluste keine Fälle von Haftung oder Entschädigung enthalten.

(tiw)