Urteil ohne Haftstrafe – Korruption bei Alcatel-Lucent Austria

Scheinaufträge brachten einem Lobbyisten Geld, das er mit einem ÖVP-Abgeordneten und einem A1-Manager geteilt haben will. 2 Schuldige, 1 Verurteilung, 0 Haft.

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Mann in Anzug hält breit gefächerte Dollarscheine in die Kamera

(Bild: TierneyMJ/Shutterstock.com)

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Harald Himmer (ÖVP) hat nach jahrelangem Leugnen doch noch gestanden: Der Manager und Abgeordneter der Regierungspartei ÖVP hat Geld aus der Kasse Alcatel-Lucents dem Lobbyisten Peter Hochegger zukommen lassen. Damals war Himmer Generaldirektor Alcatel-Lucent Austrias, ÖVP-Bezirksparteiobmann und Abgeordneter zum Bundesrat. Die Obmannfunktion hat er unverändert inne, Bundesrat ist er vor zwei Jahren erneut geworden. Der Politiker kommt ohne Haftstrafe davon. Was aus dem veruntreuten Geld wurde, und wofür es floss, bleibt umstritten.

Am Montag wurde Himmer, dem vorbestraften Hochegger sowie dem vorbestraften Rudolf Fischer, einst hochrangiger Manager der A1 Telekom Austria, der Prozess wegen Untreue gemacht. Am Vormittag beteuerte Himmer noch seine Unschuld, nach dem Mittagessen gestand er dann: Ja, er hat 2007/2008 als Generaldirektor Alcatel-Lucent Austrias Aufträge für zwei "Studien" an Hocheggers Firma Valora AG vergeben und dafür bezahlt, obwohl die Studien wertlos waren. Das erfüllt den Straftatbestand der Untreue.

Ein Papier hieß "Studie zur Ausleuchtung des Marktumfelds der Telekom Austria", das andere "Studie Verbesserungspotenziale Investitionsklima im Festnetzbereich". Laut Anklage hat Fischer den Wert dieser "Studien" bestätigt, was der Mann aber abstreitet. Unstrittig ist, dass Alcatel-Lucent am 28. Dezember 2007 127.200 Euro und am 12. Juni 2008 117.600 Euro bezahlt hat. Laut Anklage war vereinbart, dass ein Teil des Geldes verdeckt zurückfließt: Himmer und Fischer sollten je 35.000 Euro bekommen, Hochegger 36.000 Euro.

Hochegger, seit Jahren geständig, gab vor Gericht an, im Wiener Hotel Intercontinental Himmer ein Kuvert mit 19.000 Euro in bar übergeben zu haben. Fischer habe 12.000 Euro sowie ein Marilyn-Monroe-Gemälde eines Warhol-Schülers im Wert von 7.000 Euro erhalten. Himmer und Fischer bestreiten die Geldannahme; das Gemälde sei ein Geschenk zu seinem 55. Geburtstag gewesen, meinte Fischer vor Gericht.

Warum Himmer fast eine Viertelmillion Euro an Hochegger zahlen ließ, erklärte er so: Hochegger sollte bei Behörden und Regierungsparteien im Sinne der A1 Telekom Austria und deren DSL-Lieferant Alcatel-Lucent intervenieren. Hochegger wiederum hat eine andere Erinnerung: "Meine Annahme war, dass Himmer mich günstig stimmen wollte, dass ich nicht zu sehr für Huawei interveniere."

Der Schöffensenat des Wiener Landesgerichts hat Hochegger am Montag für schuldig der Untreue befunden, allerdings trotz Strafrahmens von bis zu drei Jahren gar keine Strafe verhängt. Begründung für die außerordentliche Milde: Es sei zu berücksichtigen, dass Hochegger bereits für die Verschiebung von Geld der A1 Telekom Austria an den damaligen ÖVP-Koalitionspartner BZÖ zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt wurde. (Das BZÖ ist eine von Jörg Haider 2005 als Abspaltung der FPÖ gegründete rechte Partei, die inzwischen bedeutungslos ist, Anmerkung.)

Nicht rechtskräftig ist neben dem straffreien Schuldspruch vom Montag auch eine Haftstrafe von sechs Jahren, die Hochegger für seine Beteiligung am BUWOG-Schacher erhalten hat. In dem Prozess geht es um den erstaunlich günstigen Verkauf staatseigener Wohnungen durch den damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ, später parteilos).

Himmer geht ebenfalls straffrei und gilt sogar als gar nicht vorbestraft. Die Staatsanwaltschaft hat ihm nämlich Diversion angeboten, was Himmer annahm. Er muss nun 11.500 Euro zahlen, dann wird das Verfahren gegen ihn eingestellt. Der Staatsanwalt begründete das großzügige Angebot damit, dass die Tat schon 15 Jahre her sei und Himmer sich seither wohl verhalten habe.

ÖVP-Bundesrat Harald Himmer (2011)

(Bild: Parlamentsdirektion/Wilke)

"Bonzen Quälen, Himmer wählen" – mit diesem Werbespruch wurde Himmer 1990 erstmals bekannt. Er versuchte damit erfolglos, als aussichtslos gereihter ÖVP-Kandidat genügend Vorzugsstimmen für den Einzug in den Nationalrat zu sammeln. Himmer forderte damals unter anderem eine Amtszeitbeschränkungen für Abgeordnete, hielt sich später als Abgeordneter zum Bundesrat aber selbst nicht an seine Forderung.

Fischer wurde am Montag freigesprochen; ihm konnten weder die Bargeldannahme noch die Wertbescheinigung für die wertlosen Studien nachgewiesen werden. Er ist bereits mehrfach wegen Korruption vorbestraft: In den Verfahren Telekom I (Kursmanipulation der Telekom-Austria-Aktie) und Telekom III (illegale Parteienfinanzierung aus Telekom-Kassen) fasste Fischer mehrjährige Haftstrafen aus. Dazu kommt ein Jahr bedingte Haft (nicht rechtskräftig) wegen abstruser Geldflüsse rund um einen Regierungsauftrag (Tetron-Affäre).

(ds)