Zu hohe Feinstaubbelastung: Mindestens 238.000 vorzeitige Todesfälle 2020

Die Luftqualität habe sich in der EU zwar verbessert, um dem Null-Schadstoff-Aktionsplan gerecht zu werden, müsse die EU aber noch ambitionierter tätig werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 116 Kommentare lesen
Birch,Firewood,Is,Burning.,An,Image,With,A,Selective,Focus.

(Bild: MORGUNOVA NATALIIA/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Eine zu hohe Feinstaubbelastung in der Europäischen Union soll im Jahr 2020 zu mindestens 238.000 vorzeitigen Todesfällen geführt haben. Gegenüber den Vorjahren stellt die Europäische Umweltagentur (EEA) zwar eine Verbesserung der Luftqualität fest, der Boom von Holz-Feuerungen aufgrund der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg könnte diese aber Makulatur werden lassen. Denn laut der Umweltagentur stammt ein Großteil der Feinstaubbelastung in urbanen Gebieten aus der Verbrennung von Feststoffen zur Wärmeerzeugung in Gebäuden. Andere bedeutende Quellen sind Industrie, Straßenverkehr und Landwirtschaft.

Die EU orientiert sich bei ihrer gesundheitlichen Einschätzung von Feinstäuben mit aerodynamischem Durchmesser von maximal 2,5 (PM2.5) und 10 Mikrometer (µm) (PM10) an Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die WHO hatte die Grenzwerte für eine gesundheitlich unbedenkliche Luftqualität im Jahr 2021 nochmals verschärft. So gilt nun der Grenzwert 15 Mikrogramm per Kubikmeter (µg/m3) für PM10 und 5 µg/m3 für PM2.5.

In der EU zulässige Grenzwerte liegen aber weiterhin noch deutlich darüber; für PM10 bei 40 µg/m3, für PM2.5 bei 25 µg/m3. Hier klaffen also Gesetzgebung und WHO-Werte stark auseinander. Im Oktober dieses Jahres schlug die EU freilich vor, die Grenzwerte bis 2030 zu senken, und sich so den WHO-Empfehlungen wieder zu nähern. Einigt sich die EU auf diesen Vorschlag, soll der Grenzwert von PM10 bis 2030 auf 20 Mikrogramm per Kubikmeter sinken, der Wert für PM2.5 auf 10µg/m3.

Entsprechend der Einschätzungen der WHO geht die europäische Umweltagentur von mindestens 238.000 Todesfällen in der EU im Jahr 2020 aufgrund einer zu hohen Exposition mit Partikeln der Größe PM 2.5 aus. Die Verschmutzung durch Stickstoffdioxid habe schätzungsweise zu 49.000 und die mit Ozon zu 24.000 vorzeitigen Todesfällen geführt. Die am häufigsten auf Luftverschmutzung zurückgehenden Todesursachen seien Herzkrankheiten und Schlaganfälle, gefolgt von Lungenkrebs und anderen Lungenkrankheiten.

Zudem gibt die Umweltagentur an, dass im Jahr 2020 in der EU 96 Prozent der städtischen Bevölkerung höheren Feinstaubwerten ausgesetzt waren als von der WHO empfohlen. So habe die Exposition mit zu viel Feinstaub nicht nur zu den geschätzt mindestens 238.000 vorzeitigen Todesfällen geführt, sondern sei überdies für Erkrankungen verantwortlich, die erhebliche Gesundheitskosten und Leid verursachen.

Die Agentur rechnet vor, dass beispielsweise im Jahr 2019 die zu hohen PM2.5.-Werte zu 175.702 Lebensjahren mit Behinderung (YLDs) aufgrund einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung in 30 europäischen Ländern führte.

Bei der Beurteilung ihrer Minderungsziele geht die EU derzeit von ihrem selbst festgelegten Referenzjahr 2005 aus. Hieran misst sich der Erfolg ihrer Minderungsstrategie, die sie auch in ihrem Programm Fit-for-55 vorgibt.

Bis 2030 soll sich die Zahl der vorzeitigen Todesfälle aufgrund von zu hohen PM2.5-Werten gegenüber dem Jahr 2005 dementsprechend um mehr als 55 Prozent verringern. Im Jahr 2020 habe man nun schon eine Minderung von 45 Prozent geschafft. Eine Erreichung des "Null-Schadstoff-Aktionsplans" (Zero Pollution Vision), welcher 2021 im Zuge des Green Deal verabschiedet wurde und eine Luftqualität zum Ziel hat, welche die Gesundheit nicht mehr gefährdet, wird für das Jahr 2050 anvisiert.

Der Aktionsplan der EU setze bis 2030 außerdem das Ziel, den Anteil der Ökosysteme, die von Verschmutzung betroffen sind, im Vergleich zu 2005 um 25 Prozent zu reduzieren. Im Jahr 2020 wurden aber etwa in 75 Prozent der gesamten Ökosystemfläche in der EU die schädlichen Stickstoffeinträge in Ökosysteme überschritten. Dies entspreche demnach bisher einem Rückgang von 12 Prozent seit 2005.

Zudem waren 59 Prozent der Waldflächen und 6 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen schädlichen Konzentrationen von bodennahem Ozon ausgesetzt. Die wirtschaftlichen Verluste aufgrund der Auswirkungen von bodennahem Ozon auf die Weizenerträge beliefen sich im Jahr 2019 laut EEA auf insgesamt etwa 1,4 Milliarden Euro in 35 europäischen Ländern – mit den größten Verlusten in Frankreich, Deutschland, Polen und der Türkei.

Die Europäische Umweltagntur schließt, dass weitaus ambitionierte Anstrengungen nötig sind, um der "Zero Pollution Vision" bzw. dem Aktionsplan bis 2050 gerecht zu werden. Wie diese Anstrengungen genau aussehen sollen, lässt die Agentur in ihrer Mitteilung allerdings offen. Um gegen Verschmutzungen durch den Straßenverkehr vorzugehen, nennt der Aktionsplan der EU aber unter anderem die neuen Euro 7-Normen für Straßenfahrzeuge als Hebel. Um den Emissionen im Gebäudebereich durch die Feststoffverbrennung von etwa Holz und Kohle Herr zu werden, will die EU-Kommission spätestens Anfang 2024 das Null-Schadstoff-Ziel für Gebäude zu einer Priorität machen.

(kbe)