2000 weitere Behörden erhalten Zugriff aufs Schengen-Informationssystem

Der Bundestag hat einen Gesetzentwurf für das Schengener Informationssystem der dritten Generation beschlossen. Geheimdienste dürfen heimlich fahnden.

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(Bild: giggsy25/Shutterstock.com)

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Mit den Stimmen der Fraktionen der Ampel-Koalition und der CDU/CSU hat der Bundestag am Donnerstagabend einen Gesetzentwurf verabschiedet, der Details zur Durchführung von drei EU-Verordnungen von 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der dritten Generation (SIS III) regelt. Damit sollen in Deutschland über 2000 zusätzliche Behörden direkt an das riesige Register angeschlossen werden, das Ende 2021 knapp 90 Millionen Datensätze enthielt.

Bisher hatten ausschließlich berechtigte Mitarbeiter von Ämtern der Mitgliedsstaaten aus den Bereichen Strafverfolgung und Justiz wie etwa Grenzschutz, Polizei, Zoll und Visa Zugriff auf die umfangreiche Datenbank. Dazu kamen einzelne Zulassungsstellen und EU-Behörden wie Europol.

Nun werden hierzulande laut dem Entwurf etwa die Ausländerbehörden, das Auswärtige Amt, das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten, die Auslandsvertretungen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter sowie das Luftfahrt-Bundesamt dazugehören. In den Verbund integriert werden zudem alle für die Kfz-Zulassung zuständigen Ämter, die Waffenbehörden, die Staatsanwaltschaften sowie die obersten Landesbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten nach dem Aufenthaltsgesetz.

Mit einer Änderung am Bundesverfassungsschutzgesetz geht zudem eine neue Befugnis für den Inlandsgeheimdienst, den Bundesnachrichtendienst (BND) und den Militärischen Abschirmdienst (MAD) einher, über das Bundeskriminalamt (BKA) Ausschreibungen zur verdeckten Fahndung im SIS vornehmen zu lassen. Dies kann Personen wie Flüchtlinge oder Aktivisten, bargeldlose Zahlungsmittel oder andere Sachen betreffen.

Bei einer solchen verdeckten Fahndung erfährt die ausschreibende Behörde etwa bei einer polizeilichen Verkehrskontrolle oder einem Grenzübertritt, wohin ein betroffenes Individuum wann und mit wem gereist ist. Ermittler können die entsprechenden Daten speichern und vor einem späteren möglichen Zugriff zunächst zu umfassenden Bewegungs- sowie Kontaktprofilen verdichten.

Von ihrer Kompetenz, Verdächtige über das SIS grenzüberschreitend heimlich zu überwachen, machten europäische Polizeibehörden schon in der Vergangenheit verstärkt Gebrauch. Das Blackbox-Verfahren dürfte mit der offiziellen Erlaubnis für Geheimdienste für solche Fahndungen nun noch viel öfter verwendet werden.

Die Befugnis verstoße gegen das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten, beklagte Clara Bünger, Sprecherin für Flucht- und Rechtspolitik der Linksfraktion im Bundestag, im Vorfeld gegenüber heise online. Dadurch erhielten die Agenten nämlich "unmittelbar Zugriff auf die Befugnis der Polizei zur Personenkontrolle", was einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstelle. Die Linksfraktion stimmte gegen den Entwurf.

Im Hintergrund verknüpft die EU parallel seit 2019 sämtliche bestehenden und sich im Aufbau befindlichen EU-Datenbanken in den Bereichen Sicherheit, Grenzmanagement und Migrationssteuerung. Dazu kommt ein übergeordneter "Speicher für Identitätsdaten", eingeschränkt zunächst auf Angehörige von Drittstaaten. Unter dem Aufhänger "Interoperabilität" entsteht so praktisch eine Biometrie-Superdatenbank.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sieht das Vorhaben kritisch: "Die Erweiterung einer Datenbank, sei es durch den Anschluss neuer Stellen, die Verarbeitung weiterer Datenkategorien oder die Verknüpfung mit anderen Systemen, birgt grundsätzlich ein erhöhtes Risiko für Fehler bei der Datenverarbeitung", erklärte ein Sprecher des Kontrolleurs. Dies schließe missbräuchliche Nutzungen ein.

Manuel Höferlin, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, begrüßte, dass mit der neuen BKA-Zentralstellenfunktion für das SIS "schnelle europaweite Fahndungen" ermöglicht würden. Dabei werde der nationale Teil der Datenbank vom polizeilichen Informationsverbund Inpol technisch getrennt. Um die geplante und nötige Inbetriebnahme des SIS III zu gewährleisten, habe das Bundesinnenministerium bereits in den vergangenen Jahren die technischen Umsetzungsvoraussetzungen geschaffen. Die Entscheidungskompetenz rund um die nun erfolgten Gesetzesanpassungen hätten aber beim Parlament gelegen.

(vbr)