Hamburg: Streit um Windkraftanlagen in Naturschutzgebieten

Hamburgs Bürgermeister will jetzt schon alle Standorte für nötige Windräder festsetzen – auch in bisherigen Tabuzonen. Dabei keilt er gegen Umweltschützer.

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(Bild: GLF Media/Shutterstock.com)

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Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) will die Standorte für benötigte Windräder in der Hansestadt möglichst rasch ausweisen. Auch Naturschutzgebiete möchte er nicht ausklammern.

Im Juli 2022 begründete Tschentscher seinen Vorstoß noch damit, dass eine Suche von Standorten nicht immer zulasten von Industrieflächen gehen müsse. Jetzt möchte er die Entscheidung über Standorte zum Prüfstein von Umweltschützern machen.

Wie Tschentscher gegenüber der dpa erklärte, wolle er möglichst schnell Vorschläge für Standorte machen, den Bau der Anlagen genehmigen und den Aufbau beginnen lassen. Als Begründung nannte er, dass die Ausbaupläne des Bundes zeitlich zu wenig ambitioniert sind. "Aus meiner Sicht sind zehn Jahre bis 2032 eine viel zu langfristige Perspektive. Auch das Zwischenziel 2026 ist zu spät." Er wolle deutlich schneller zum Bau von 100 zusätzlichen Windrädern in der Hansestadt kommen.

Seit der Verabschiedung des neuen Wind-an-Land-Gesetzes ist klar, dass Flächenländer in Deutschland zukünftig 2,0 Prozent ihrer Landesfläche für Windkraftanlagen reservieren müssen, Stadtstaaten 0,5 Prozent. Es tritt am 1. Februar 2023 in Kraft.

Schon jetzt fragten Landräte aus dem Umland, was denn die Hansestadt mache, die ja diese ganze Energie in Anspruch nehme, so Tschentscher. "Insofern ist es auch aus politischen Gründen wichtig, dass wir unseren Anteil zur Lösung des Problems beitragen und uns nicht herumdrücken."

In Bezug auf die möglichen Standorte machte Tschentscher eine Kampfansage gegenüber Umweltschützern und Klimaaktivisten. Wenn die Standortvorschläge vorliegen, werde sich zeigen, wer wirklich für Klimaschutz eintrete, sagte er. "Man kann nicht ständig für mehr Klimaschutz demonstrieren und dann in der praktischen Umsetzung sagen, hier geht es nicht und dort geht es nicht."

Tschentscher hatte beim Grünen-Koalitionspartner bereits für Irritationen gesorgt, weil er sich Windräder auch in Naturschutzgebieten vorstellen kann. Er sieht sich dabei auf einer Linie mit Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt von den Grünen. Dieser sei wie er der Auffassung, "dass wir bis auf ganz wenige Vorbehalte wie die Abstände zur Wohnbebauung alles infrage stellen müssen und dass die Inanspruchnahme aller denkbaren Flächen jetzt geprüft und angegangen werden muss". Goldschmidt habe ausdrücklich betont, dass sich das notfalls auch auf Flächen beziehen müsse, die unter Naturschutz stünden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Schleswig-Holstein hatte sich vehement gegen die Pläne von Umweltminister Goldschmidt gewandt und auch beim Hamburger BUND reagierte man schon im Juli vergangenen Jahres empört auf die Vorstöße von Tschentscher. Gegenüber dem NDR hatte die Landesvorsitzende Christiane Blömeke erklärt, dass der BUND natürlich auch für mehr Windenergie sei, Naturschutzgebiete seien aber tabu. Man habe es gerade erst geschafft, in Hamburg zehn Prozent der Fläche unter Naturschutz zu stellen. Das dürfe auf keinen Fall aufgeweicht werden. Bei Landschaftsschutzgebieten habe der BUND auch zähneknirschend Ausnahmen für Windanlagen zugestimmt. Im Gegensatz zu Naturschutzgebieten sind die Vorgaben für Landschaftsschutzgebiete lockerer. Naturschutzgebiete sollen eine möglichst vom Menschen unberührte Naturlandschaft erhalten.

Noch im Dezember vergangenen Jahres bemängelte der BUND, dass "es beim Ausbau der Windkraft in Hamburg nur schleppend vorangeht." Aus Sicht des BUND durchkreuze ein massiver Personalmangel in der Umweltbehörde sämtliche politische Ambitionen.

Die Bundesregierung hat mit dem Wind-an-Land-Gesetz auch bundeseinheitliche Standards für die artenschutzrechtliche Prüfung durchgesetzt und dafür das Bundesnaturschutzgesetz novelliert. Dadurch sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. In der Erklärung der Bundesregierung aus dem Oktober 2022 heißt es auch: "Das Gesetz stellt klar, dass der Betrieb von Windenergieanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Landschaftsschutzgebiete können in die Suche nach Flächen für den Windenergieausbau einbezogen werden." Bundesumweltministerin Lemke erklärte, dass mit den Änderungen am Bundesnaturschutzgesetz "straffere, schnellere und rechtssichere Verfahren für den Ausbau der Windenergie" ermöglicht werden. Gleichzeitig wahre man "hohe ökologische Schutzstandards" und unterstütze "gefährdete Arten langfristig durch ein neues Artenhilfsprogramm".

(kbe)