Silicon Valley feuert, Deutschland stellt ein

Deutschland will die Massenentlassungen im US-Tech-Sektor nutzen und verstärkt Software-Experten einstellen und so den eigenen Fachkräftemangel beheben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 171 Kommentare lesen
Student,Using,Laptop,In,Library,And,Illustration,Of,Virtual,Icons.

(Bild: New Africa / Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Andreas Knobloch

Angesichts eines angespannten Arbeitsmarktes und eines Mangels an Arbeitskräften, vor allem bei Softwareentwicklern sehen einige deutsche Unternehmen die Tausenden von Entlassungen im Tech-Sektor der USA als Chance, Spitzenkräfte anzuwerben. Das berichtete die britische Nachrichtenagentur Reuters am Montag.

Dem Bericht zufolge haben die Massenentlassungen einen Pool von Arbeitssuchenden geschaffen, den Deutschland gerne anzapfen möchte. Die Westküste der USA war schon immer das Hauptziel für gute Softwareingenieure. Dort, im Silicon Valley, haben viele der großen US-Tech-Konzerne wie Alphabet, Microsoft oder Meta ihren Sitz.

"Sie entlassen, wir stellen ein", zitiert Reuters den Personalchef bei Cariad, der Software-Tochter des Automobilherstellers Volkswagen, Rainer Zugehoer. "Wir haben mehrere hundert offene Stellen in den USA, in Europa und in China." Und Judith Gerlach, Digitalisierungsministerin von Bayern schrieb kürzlich in dem Karrierenetzwerk LinkedIn mit Blick auf die Software-Experten: "Ich möchte Sie herzlich einladen, nach Bayern zu ziehen."

Aufgeschreckt durch Inflation und Rezessionsängste haben die US-Big-Tech-Konzerne mehr als 50.000 Mitarbeiter entlassen. Allein in den vergangenen Tagen kündigte Google-Mutter Alphabet 12.000 Beschäftigten, Microsoft 10.000 Angestellten, Amazon weiteren 8.000 Mitarbeitern, nachdem im November zunächst die Rede von 10.000 Entlassungen war. Meta hatte seinerzeit die Trennung von 11.000 Angestellten verkündet. Und das sind nur die Entlassungen bei den fünf US-Techgiganten. Auch andere Techkonzerne reduzieren die Zahl ihrer Mitarbeiter zu Hunderten oder gar Tausenden. Analysten haben zwar vorausgesagt, dass das Wachstum im Silicon Valley nicht ewig weitergehen könne; trotzdem überrascht das Ausmaß der Kürzungen.

In Deutschland ist die Situation eine etwas andere. Zwar stehe das Land “ebenfalls am Rande der Rezession", so Reuters. aber seine Unternehmen seien in den letzten Jahren langsamer gewachsen und große Technologiesprünge stünden erst noch an. Nach Angaben des IT-Branchenverbands Bitkom sind in Deutschland 137.000 IT-Stellen unbesetzt, so Reuters.

Hinzu kommt, dass die momentane Euroschwäche gegenüber dem US-Dollar Deutschland wettbewerbdsfähiger macht, wenn es um Lohnkosten geht. Darüber hinaus hoffen einige, dass eine günstigere Gesundheitsversorgung und niedrigere Kosten im Vergleich zu Hotspots wie San Francisco anziehend wirken könnten, so der Bericht.

Aber es gibt auch einige, die den Optimismus nicht teilen, wie Bernhard Rohleder von Bitkom, der darauf hinweist, dass Deutschland nicht nur mit anderen Ländern um die talentiertesten Arbeitskräfte konkurriert, sondern auch mit den Heimatländern der potenziellen Bewerber.

Die Bundesagentur für Arbeit geht auf der Grundlage demografischer Forschungen davon aus, dass es jährlich 400.000 Zuwanderer aus Drittstaaten braucht, um den Fachkräftemangel in Deutschland auszugleichen.

Eine Herausforderung könnte der Hang Deutschlands zur Bürokratie sein, schreibt Reuters. Unternehmen berichten bereits von monatelangen Verzögerungen bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen für ihre neuen Mitarbeiter. So will das Pilotprojekt "Hand in Hand for International Talents" ausländischen Arbeitskräften helfen, in Deutschland Fuß zu fassen.

(akn)